Slowenien will Reform von Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat
"Das ist etwas, über das ich viel nachdenke, und ich möchte das mit meinen Kollegen besprechen", sagte die Juristin am Rande des Forums Alpbach. "Wenn man als Aggressor in einer Diskussion am Tisch sitzt, sollte man nicht darüber abstimmen dürfen, was der Rest der Welt zu sagen hat. Davon bin ich überzeugt", unterstrich Pirc Musar.
"Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, dann sehen wir, dass die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates ihre Sitze als Sieger des Zweiten Weltkrieges bekommen haben. Das ist ein Faktum. Und wir dachten, dass diese fünf Staaten, die die Sieger des schrecklichsten Krieges auf unserem Planeten waren, niemals selbst einen Krieg beginnen würden."
Nun müsse man über das Vetorecht im Sicherheitsrat reden, "denn wir können im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine nichts machen, weil Russland immer ein Veto einlegen wird" - und Resolutionen, die in der Generalversammlung verabschiedet würden, seien ja nicht bindend. "Deshalb müssen wir über eine Reform der Vereinten Nationen sprechen." Pirc Musar räumte gleichzeitig ein, dass dies nicht einfach werde.
Ein weiterer Schritt, den sie sich gut vorstellen könnte, sei, einem afrikanischen Staat einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat zu geben. Schließlich hätten 75 Prozent der Themen, die im höchsten Gremium der Vereinten Nationen besprochen würden, mit Afrika zu tun. "Ich persönlich würde das unterstützen, weil ich finde, dass sie ein Mitspracherecht haben müssen", so die slowenische Präsidentin.
Man müsse auch bedenken, dass im Moment weltweit mehr als 30 Kriege tobten. Hier in Europa liege der Fokus natürlich auf dem Krieg in der Ukraine und auf Russland. "Das ist ja genau vor unserer Haustüre."Aber man dürfe auch die anderen Kriege auf der Welt nicht vergessen, "und das ist ein zentrales Thema, an dem die UNO arbeiten muss", sagte Pirc Musar. "Wir müssen die Konflikte lösen, nicht nur einen - auch wenn der Krieg in der Ukraine ringsum in der Welt Schwierigkeiten verursacht hat. Aber die Welt ist groß."
Ein weiteres großes Anliegen ist der Präsidentin die Wasserdiplomatie: "Statistische Daten zeigen, dass 152 Länder weltweit Wasserressourcen mit Nachbarstaaten teilen, das ist die Mehrheit aller Länder auf der Erde. Und Wasser wird ein nächster Kriegsgrund sein, wenn wir nicht an der Wasserdiplomatie arbeiten." Slowenien und Österreich könnten dabei ihrer Ansicht nach als Vorbilder dienen: "Wir haben ein gutes Abkommen zwischen Österreich und Slowenien über unser Wasser."
Besonders am Herzen liegt Pirc Musar generell das Thema Klimaschutz. Die jüngsten massiven Überschwemmungen in ihrem Land seien "definitiv ein Weckruf für die Mehrheit der Slowenen" gewesen, sagte die Präsidentin. "Wir sollten uns auch bewusst sein, dass diese Überflutungen nicht die letzten gewesen sein werden, und dass wir auch in Zukunft Waldbrände haben werden und Tornados kommen werden, weil sich das Klima verändert. Wir müssen also anfangen, anders zu leben."
102 Brücken in Slowenien seien im Zuge der Überschwemmungen zerstört worden, "zwei Drittel meines Landes waren überflutet, ich habe so etwas in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen". Nun müsse die Infrastruktur wieder aufgebaut werden, und zwar in einer Weise, die zwar mehr kosten werde, aber nachhaltig sei. Denn Slowenien könne es sich nicht leisten, billig wiederaufzubauen und zu riskieren, nach der nächsten Flut möglicherweise wieder von vorne anfangen zu müssen.
Die Flutkatastrophe habe im Positiven auch gezeigt, wie groß die Solidarität unter den Menschen im Land sei, hob Pirc Musar hervor. Selbst die Politiker der unterschiedlichen Lager seien in ihren Bemühungen um den Wiederaufbau geeint. "Das andere ist, dass die Menschen nun glaube ich wissen, dass die brutalste Macht auf der Welt die Natur ist, und dass wir auf die Natur achten müssen und unseren Lebensstil ändern." Man denke in Slowenien nun generell mehr über den Klimawandel nach.
Bilateral übte die slowenische Präsidentin erneut Kritik an den seit 2015 stetig verlängerten Grenzkontrollen Österreichs zu Slowenien. Immerhin habe der Europäische Gerichtshof im Vorjahr festgestellt, dass seit 2017 "keine Notwendigkeit und Proportionalität" in dem gegeben sei, was Österreich tue. "Ich verstehe nicht, warum die Europäische Kommission da nichts sagt." Aus Sicht Sloweniens gebe es keine Notwendigkeit für die Kontrollen. "Und unsere Wirtschaft ist davon betroffen, nicht Österreich."
Slowenien habe darüber nachgedacht, reziproke Maßnahmen zu ergreifen, sich aber dagegen entschieden. "Ich denke, das war fair von uns. Jetzt würde ich mir schon auch eine gewisse Fairness von der österreichischen Seite erwarten."
(Das Gespräch führte Alexandra Angell/APA)
Zusammenfassung
- Besonders am Herzen liegt Pirc Musar generell das Thema Klimaschutz.
- Die Flutkatastrophe habe im Positiven auch gezeigt, wie groß die Solidarität unter den Menschen im Land sei, hob Pirc Musar hervor.