Selenskyj: US-Minister Austin und Blinken am Sonntag in Kiew
Er hoffe, dass auch US-Präsident Joe Biden - "sobald es die Sicherheitssituation zulasse" - nach Kiew komme. Mit Austin und Blinken werde er über die "Liste der notwendigen Waffen und über die Geschwindigkeit ihrer Lieferung" reden. In der vergangenen Woche hätten sich die Nachrichten zu Waffenlieferungen verbessert, meinte Selenskyj.
Es war zunächst nicht klar, wie Austin und Blinken nach Kiew reisen und wie lange sie dort bleiben würden. Austin wird am Dienstag zu einer von der US-Regierung ausgerichteten Ukraine-Konferenz auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz erwartet.
Anfragen beim US-Außen- und beim Verteidigungsministerium zu dem Besuch blieben am Samstag zunächst unbeantwortet. Besuche eines US-Außen- oder Verteidigungsministers in einem Krisen- oder Kriegsgebiet werden von der US-Regierung wegen der hohen Sicherheitsanforderungen zuvor meist geheim gehalten.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hatte noch am Montag gesagt, falls ein Regierungsmitglied in die Ukraine reisen sollte, würde dies aus Sicherheitsgründen erst nach der Ankunft mitgeteilt werden. Rufen nach einem Besuch Bidens erteilte sie eine Absage. Die US-Regierung konzentriere sich darauf, dem Land militärische Ausrüstung zukommen zu lassen, sagte Psaki. Biden hatte Ende März Polen besucht und sich im Osten des Landes auch mit ukrainischen Flüchtlingen getroffen.
Zuvor hatte Blinken den ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal in Washington empfangen und ihm weitere Unterstützung durch die USA zugesichert, wie das US-Außenministerium mitteilte. Schmyhal zeigte sich bei seinem Besuch optimistisch. Die Ukraine wird nach eigenen Angaben im Krieg mit Russland sehr bald siegreich sein. "Wir sind uns absolut sicher, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird, und zwar in sehr kurzer Zeit", sagte Schmyhal im amerikanischen Fernsehsender CNN.
Bei der Pressekonferenz in der Metro-Station brachte Selenskyj am Samstag auch erneut einen möglichen Abbruch jeglicher Gespräche mit Russland für ein Ende des Krieges ins Spiel. "Wenn unsere Leute in Mariupol vernichtet werden, wenn ein Pseudoreferendum über die Unabhängigkeit in Cherson stattfindet, dann tritt die Ukraine aus allen Verhandlungsprozessen heraus." Er sei aber weiter zu Verhandlungen bereit, so Selenskyj.
Der Präsident erneuerte auch die prinzipielle Disposition, direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen. Bei der aus einer unterirdischen Metrostation live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz saß der Präsident auf einem Stuhl auf einer kleinen Bühne. Die Station war von Scheinwerfern erleuchtet und mit ukrainischen Nationalflaggen ausgestattet.
Unter den Teilnehmern waren etwa der stellvertretende Leiter des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, und Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Beide nehmen an den Verhandlungen mit der russischen Delegation teil. Selenskyj sagte, er fürchte keine Attentate bei einem Treffen in einem Drittstaat. "Zu Attentaten: Ich fürchte sie nicht sehr, meine Leibwache fürchtet sie sehr, genauso wie meine Familie." Die Metrostationen im Zentrum der Millionenstadt Kiew wurden von der Sowjetunion als Luftschutzkeller für den Fall eines Atomkrieges konzipiert und dienen auch heute Zivilisten als Schutzräume.
Zuvor hatte Selenskyj in der Nacht auf Samstag in einer Videoansprache erklärt, die Partner der Ukraine würden nun endlich die Waffen liefern, um die sein Land gebeten habe. Diese würden helfen, die Leben Tausender Menschen zu retten.
Selenskyj reagierte in seiner allabendlichen Videobotschaft auch auf Russlands Konkretisierung seiner Kriegsziele. Das Gebiet, in dem Russland sich um die Rechte der Russischsprachigen kümmern sollte, "ist Russland selbst". Zugleich warnte er vor russischen Angriffen auf weitere Länder. Die Ukraine sei nur der Anfang, danach wolle Russland weitere Länder erobern. "Alle Völker, die wie wir an den Sieg des Lebens über den Tod glauben, müssen mit uns kämpfen. Sie müssen uns helfen, denn wir sind die Ersten in der Reihe. Und wer wird der Nächste sein?", so Selenskyj in seiner Videobotschaft.
Er reagierte damit auf Äußerungen eines russischen Generals vom Freitag, wonach Russland nicht nur die gesamte Donbass-Region im Osten sondern auch den Süden der Ukraine einnehmen wolle bis hin zu Transnistrien, ein von prorussischen Separatisten kontrollierter Teil Moldaus. Die Regierung in Moldau zeigte sich besorgt. Das Außenministerium bestellte den russischen Botschafter ein.
Selenskyj zufolge wird das Stahlwerk Azovstal mit den letzten Verteidigern der Hafenstadt Mariupol massiv mit Artillerie und aus der Luft angegriffen. "Zu einer militärischen Deblockade Mariupols ist die Ukraine derzeit nicht in der Lage. Und die ukrainischen Soldaten, die sich dort befinden, begreifen das", sagte er. Das sei die Realität.
Die russischen Streitkräfte kündigten unterdessen an, ihre neue Interkontinentalrakete Sarmat ab Herbst in Dienst zu stellen. Es gehe jetzt darum, die Raketentests zu einem vernünftigen Abschluss zu bringen, die Reichweiten zu regulieren und die Sarmat (Nato-Codename: SS-X-30 Satan 2) dann dem Militär zu übergeben, sagte der Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, in einem TV-Interview.
Die russische Führung beschuldigte die USA am Samstag einer geplanten Provokation, um Russland den Einsatz von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine unterzuschieben. "Die Inszenierung eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen dient dazu, Russland der Nutzung verbotener Waffen zu bezichtigen, um anschließend das sogenannte "syrische Szenario" zu verwirklichen, bei dem der betreffende Staat wirtschaftlich und politisch isoliert und zudem aus internationalen Organisationen, wie dem UN-Sicherheitsrat ausgeschlossen wird", sagte der Chef der ABC-Schutztruppen, Igor Kirillow.
Rund zwei Monate nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine will UN-Generalsekretär António Guterres kommende Woche Russland und die Ukraine besuchen. Nach einem Empfang durch Putin am Dienstag in Moskau wird Guterres in die Ukraine weiterreisen und am Donnerstag unter anderem Präsident Selenskyj treffen, wie die Vereinten Nationen in New York mitteilten.
Zusammenfassung
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat inmitten des russischen Angriffskrieges überraschend einen Besuch einer hochrangigen US-Delegation für diesen Sonntag in Kiew angekündigt.
- Anfragen beim US-Außen- und beim Verteidigungsministerium zu dem Besuch blieben am Samstag zunächst unbeantwortet.
- Biden hatte Ende März Polen besucht und sich im Osten des Landes auch mit ukrainischen Flüchtlingen getroffen.