Selenskyj fordert Einladung zu NATO-Beitritt
Bei dem Treffen sei es nicht nur um die Verteidigung der Ukraine, sondern um die "Verteidigung der gesamten regelbasierten internationalen Ordnung und den Schutz des Lebens" gegangen, sagte der Präsident. Kaum jemand trage derzeit mehr zur euroatlantischen Sicherheit bei als die ukrainischen Soldaten. Kiew habe daher "alles getan, um sicherzustellen, dass unsere Anfrage erfüllt wird". Gegen eine Aufnahme der Ukraine gibt es bei mehreren Mitgliedern der Allianz Bedenken.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versprach der Ukraine hingegen bei seinem überraschenden Besuch in Kiew weitere Unterstützung bei ihren Bemühungen um einen Beitritt zum Militärbündnis. "Der Ukraine steht ein Platz in der NATO zu", sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. Mit Unterstützung der NATO werde sie diesen auch im Laufe der Zeit einnehmen können.
Stoltenberg verwies dabei auch auf ein bereits Anfang April angekündigtes Unterstützungsprogramm für den Weg zur geplanten NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Die auf mehrere Jahre angelegte Initiative soll dem Land die Anpassung an Bündnisstandards erleichtern und eine nahtlose Zusammenarbeit mit der NATO ermöglichen. Es sei "ein Beleg für das langfristige Engagement der NATO in der Ukraine" sagte Stoltenberg in Kiew.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius geht davon aus, dass eine Entscheidung über den von der Ukraine gewünschten NATO-Beitritt erst nach Ende des russischen Angriffskriegs getroffen wird. "Die Tür ist einen Spalt auf, aber das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, das jetzt zu entscheiden", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Dazu müsse man "jetzt erstmal diesen Konflikt, diesen Angriff abwehren, und dann in der neuen Zeit muss man diesen Schritt genau abwägen".
Pistorius hält begrenzte Angriffe der Ukraine auf russisches Territorium im Kampf gegen die Invasion für akzeptabel. Es sei "völlig normal" in so einer militärischen Auseinandersetzung, "dass auch der Angegriffene ins gegnerische Territorium vorgeht, um beispielsweise Nachschubwege zu unterbinden", sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". "Solange keine Städte, keine Zivilisten, keine zivilen Bereiche attackiert werden, wird man das notgedrungen akzeptieren müssen. Nicht gern, aber es gehört dazu, um Nachschubwege beispielsweise zu unterbinden."
Mit Blick auf den Zustand der russischen Armee sagte Pistorius: "Wir wissen, dass das, was an Material jetzt nachgeschoben wird aus den Depots, teilweise in erbärmlichem Zustand ist. Teilweise buchstäblich steinalt - Panzer aus den 50er und 60er Jahren."
Eine von einem russischen Kampfjet versehentlich ausgelöste schwere Explosion erschütterte unterdessen die Großstadt Belgorod unweit der Grenze zur Ukraine. "Auf der Kreuzung einer der Hauptstraßen hat sich ein riesiger Krater mit einem Radius von 20 Metern gebildet", teilte der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, am Donnerstagabend mit. Zwei Frauen seien verletzt worden. Das Verteidigungsministerium in Moskau räumte derweil später ein, dass ein russisches Kampfflugzeug über der Stadt eine Bombe verloren habe.
Zusammenfassung
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die NATO aufgefordert, auf ihrem Gipfel im Juli den Weg zur Aufnahme seines Landes ins westliche Militärbündnis freizumachen.
- Weder in der Ukraine noch in Europa noch in der NATO würde die Mehrheit der Bevölkerung verstehen, wenn Kiew keine "wohlverdiente Einladung" erhielte, sagte Selenskyj am Donnerstagabend in seiner täglichen Videoansprache.