Schlagabtausch im Nationalrat: "Radio Moskau beruhigt sich nicht mehr"
Die Regierung hat einen Misstrauensantrag der SPÖ im Nationalrat locker überstanden. Weder Koalition noch NEOS unterstützten Mittwochnachmittag das Ansinnen der Sozialdemokraten, die nur die FPÖ überzeugen konnten.
Die entsprechende Ankündigung vom Vortag bekräftigte der Abgeordnete Jörg Leichtfried gleich zu Beginn der "Aktuellen Europastunde". Dafür verantwortlich machte er die aus SP-Sicht ungenügende Anti-Teuerungspolitik.
Wie mittlerweile üblich hatte die "Europastunde" mit Europa kaum etwas zu tun, sondern diente lediglich dazu, über ein parlamentarisches Sonderformat innenpolitische Inhalte zu prominenter Uhrzeit zu debattieren. Leichtfried warf der Regierung vor, Politik "für die Großen" zu machen, während jene, die im Winter nicht heizen können, darunter litten.
"Das ist das wahre Gesicht der ÖVP"
Ein Lachen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) griff er auf und kommentiere: "Sie finden es lustig, wenn es den Menschen nicht gut geht. (...) Das ist das wahre Gesicht der ÖVP". Inflation sei kein Naturgesetz, meinte Leichtfried und forderte Markteingriffe sowie einen Stopp bei den Mieten und eine funktionierende Übergewinn-Steuer. Zwischenrufen der FPÖ, als es um steigende Energiepreise ging, entgegenete Leichtfried: "Jetzt hört man wieder Radio Russland aus dem Hintergrund". Und als die FPÖ erneut dazwischenrief, sagte er: "Radio Moskau beruhigt sich nicht".
"Toxische, giftige Schlechtrederei"
Nehammer antwortete der SPÖ, dass man drei große Pakete geschnürt habe, um die Menschen durch die Krise zu bringen. Das Ergebnis sei, dass es so viele Beschäftigte wie noch nie gebe. Zudem sei die Tendenz bei der Inflation fallend und man habe mit Strompreisdeckel und Übergewinnsteuer auch in die Märkte eingegriffen.
Nationalrat kehrt aus Sommerpause zurück
"Österreich ist viel stärker und besser, als die SPÖ es immer wieder gerne darstellt", so der Kanzler. Er warf der SPÖ eine "toxische, giftige Schlechtrederei" vor. Das von der SPÖ wegen seiner niedrigen Inflationsrate so oft als Positivbesipiel genannte Spanien, sei bei Arbeitslosigkeit und Kaufkraft nicht so gut wie Österreich. VP-Generalsekretär Christian Stocker betonte einen Preisrückgang bei Eiern und Rohmilch, dem Anstiege in Europa gegenüberstünden.
Grünen-Sozialsprecher Martin Koza breitete eine Analyse des parlamentarischen Budgetdiensts aus, um Erfolge der Regierungspolitik zu illustrieren. 70 Prozent der Unterstützungsmaßnahmen seien dauerhaft wirksam gewesen und die finanziell am schwächsten da stehenden 20 Prozent hätten am stärksten profitiert: "Ganz daneben waren wir offenbar nicht."
FPÖ und NEOS gegen SPÖ und Regierung
Die Freiheitliche Petra Steger und Gerald Loacker von den NEOS attackierten sowohl Sozialdemokraten als auch Regierung. Steger wies auf Gebühren-Erhöhungen im rot-regierten Wien hin und machte "die neutralitätswidrige Beteiligung" am "Wirtschaftskrieg" gegen Russland ebenso für die hohen Preise verantwortlich wie die "Verteufelung von Öl und Gas". Loacker wiederum sah die Teuerung durch ungezielte Hilfen der Regierung angeheizt und meinte in Richtung der nach mehr rufenden SPÖ: "Es wäre noch schlimmer, wenn Sie regieren." Die Regierung sei am Ende, aber leider sei eine mögliche alternative Regierungspartei auch fertig mit allem.
Hitzige Debatte auch über Kinderbetreuung
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach am Vormittag - schon vor der "Europastunde" außerdem vom Zünden des "vollen Turbo" bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, für den es einen nationalen Schulterschluss, aber auch die Kooperation von Bund und Bundesländern benötige. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe höchste Priorität. Männern und Frauen müsse es möglich sein, auch mit Kindern Vollzeitjobs auszuüben, so Raab - wobei sie nicht vergaß, hier einer "echten und ehrlichen Wahlfreiheit" das Wort zu reden.
Die SPÖ reagierte mit Misstrauen. Vize-Klubobfrau Eva Maria Holzleitner erinnerte an Ex-Kanzler Sebastian Kurz, der Bundesländer gegen einen Ausbau der Kinderbetreuung aufhetzen habe wollen, sowie oberösterreichische ÖVP-Wortmeldungen über "Zwangsarbeit für Mütter". "Kann man der ÖVP wirklich trauen? Ich bin nicht sicher", sagte Holzleitner.
FPÖ sieht "Zerstörung österreichischer Familien"
Fundamentalwiderstand äußerte die FPÖ. Wolfgang Zanger warnte vor der "Zerstörung österreichischer Familien", Rosa Ecker verlangte ebenso viel Geld für Frauen, die ihre Kinder selbst zu Hause betreuten.
Am späten Nachmittag wird der Gewerkschaftsbund ÖGB zudem eine Aktion vor dem Parlament starten: Eine Woche vor Beginn der Lohnverhandlungen wird eine knapp vier Kilometer lange Menschenkette um das Parlament gebildet - mit dem Ziel, dass die Regierung mehr Maßnahmen gegen die Teuerung setzt.
Zusammenfassung
- Bei der ersten Plenarsitzung des Nationalrats nach der Sommerpause ging es gleich hitzig zur Sache.
- Die SPÖ machte vor allem die Teuerung zum Thema und hat der Regierung mit der FPÖ das Misstrauen ausgesprochen.
- Bundeskanzker Nehammer verteidigte die Maßnahmen der Regierung.
- "Österreich ist viel stärker und besser, als die SPÖ es immer wieder gerne darstellt", so der Kanzler. Er warf der SPÖ eine "toxische, giftige Schlechtrederei" vor.
- Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach am Vormittag - schon vor der "Europastunde" außerdem vom Zünden des "vollen Turbo" bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, für den es einen nationalen Schulterschluss brauche.
- Fundamentalwiderstand äußerte die FPÖ. Wolfgang Zanger warnte vor der "Zerstörung österreichischer Familien", Rosa Ecker verlangte ebenso viel Geld für Frauen, die ihre Kinder selbst zu Hause betreuten.