Schallenberg bekräftigt in Skopje Westbalkan-Unterstützung
Den gemeinsamen Auftritt mit Slowenien und Tschechien bezeichnete Schallenberg als eine "starke zentraleuropäische Initiative. Wir brauchen einen Deal und wir wollen einen Deal." Der Westbalkan dürfe keine "vergessene Region" werden", warnte Schallenberg auch in Bezug auf Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Kosovo und Montenegro. Gemeinsam mit Logar und Kulhánek führte er zudem Gespräche mit Staatspräsident Stevo Pendarovski, Regierungschef Zoran Zaev sowie Vizepremier und Europaminister Nikola Dimitrov.
Die gemeinsame Visite sei "ein klares Signal, dass Nordmazedonien und Albanien auf unsere Unterstützung zählen können", betonte Schallenberg bereits am Hinflug. Österreich gilt als Verfechter einer EU-Erweiterung am Westbalkan. "Wir brauchen in der EU nicht über geopolitische Strategien reden, wenn wir das in der unmittelbaren Nachbarschaft nicht auf die Reihe kriegen. Das ist politisch, wirtschaftlich und kulturell unsere Nachbarschaft", meinte der Außenminister. Zudem gebe es auch eine "menschlichen Brücke", weil rund 500.000 Menschen aus dieser Region etwa in Österreich leben würden.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben vor gut einem Jahr Grünes Licht für den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und auch Albanien erteilt. Wann die Verhandlungen nun aber tatsächlich starten, ist unklar, denn Bulgarien hat ein Veto gegen die Verhandlungen mit Nordmazedonien eingelegt. Dadurch ist auch der Start der Verhandlungen mit Albanien blockiert. Nun gelte es zu zeigen, dass "unser Wort gilt" formulierte Schallenberg.
Auch Logar ließ wissen, dass die EU-Erweiterung am Westbalkan eine Priorität des slowenischen EU-Vorsitzes ab 1. Juli sein wird. Es werde dazu während des Vorsitzes im Herbst einen eigenen Gipfel geben. Ziel seien zudem regelmäßige Westbalkan-Gipfel in der Zukunft. "Es geht ja nicht nur um den Westbalkan, sondern um Europa." Schallenberg erklärte, er setze diesbezüglich "große Hoffnungen" in den slowenischen Vorsitz. Der Außenminister lobte aber auch den aktuellen portugiesischen Vorsitz. Dieser strebt bis Ende Juni noch bedeutsame Fortschritte an, möglicherweise sogar einen Beschluss zum Start offizieller Beitrittsgespräche.
Dabei hat Skopje den Status eines EU-Beitrittskandidaten schon seit Ende 2005, Albanien kam 2014 dazu. Fortschritte im EU-Annäherungsprozess waren aber jahrelang durch den ungelösten Namensstreit mit Griechenland blockiert. Die "Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien" (FYROM) einigte sich 2018 mit Griechenland auf die Änderung des Staatsnamens in Nordmazedonien. Die Lösung wurde von beiden Parlamenten und per Referendum in Mazedonien ratifiziert.
Jetzt blockiert aber Bulgarien die EU-Verhandlungen mit seinem Nachbarland wegen eines Streits um die teils gemeinsame Geschichte. Es weigert sich unter anderem, die mazedonische Sprache als eigenständig anzuerkennen. Außerdem besteht Sofia darauf, dass der neue Name "Republik Nordmazedonien" in voller Länge benutzt wird, weil Nordmazedonien als Teil des geografischen Gebiets Mazedonien zu Bulgarien gehöre.
Für Außenstehende könnten solche Zwistigkeiten erstaunlich anmuten, meinte Schallenberg. "Europa ist aber eine historisch dichte Region. Da kannst Du keinen Meter gehen, ohne dass du auf einen Grabstein, eine Verwundung, eine Verletzung, eine kulturelle Hinterlassenschaft stößt." Auch Österreich und Tschechien hätten lange gebraucht, bis es in der Frage der "Benes-Dekrete", die unter anderem die Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen und mancher "Altösterreicher" nach dem Zweiten Weltkrieg nach sich zogen, zu einer gemeinsamen Historikerkommission gekommen sei. "Ich glaube nur, dass Europa ein unglaubliches Heilmittel für solche Wunden ist." Es gelte aber, solche bilaterale Fragen nicht zu "europäischen" machen, forderte Schallenberg, der im Hinblivk auf potenzielle weitere Beitrittsbestrebungen am Westbalkan warnte: In der Region gebe es Dutzende heikle bilaterale Fragen.
Zudem hätten alle Mitgliedstaaten auch nach dem offiziellen Beginn von Beitrittsgesprächen noch alle Möglichkeiten, sich in kritischen Punkten zu Wort zu melden. Schallenberg regte daher an: "Emotionen und Rhetorik runter, wir brauchen einen Deal, wir wollen einen Deal." Kulhánek sekundierte: "Wir müssen den Ball im Spiel halten, sonst verliert ganz Europa."
Zwar habe Skopje in der Vergangenheit vielleicht den einen anderen "roten Knopf" gedrückt, erinnerte Schallenberg als Beispiel daran, dass der Flughafen in der Hauptstadt einige Jahre zum Ärger Griechenlands nach "Alexander, dem Großen" benannt gewesen sei. Zuletzt habe sich Nordmazedonien jedoch als "Musterschüler" gezeigt. "Sie haben doch sogar den Namen des Staates geändert."
Osmani bedankte sich für die Unterstützung, auch bezüglich der Versorgung mit Covid-Impfstoffen. Er selbst stehe im Dialog mit dem bulgarischen Außenminister. Zudem werde es in der kommenden Woche eine gemeinsame Reise von Präsident Pendarovksi mit Bulgariens Staatschef Rumen Radew nach Rom geben, bei der das Thema behandelt werde. Leider hätten die Corona-Pandemie, aber auch Ereignisse wie Wahlen im vergangenen Jahr den Dialog zwischen den beiden Ländern etwas gebremst. Er erinnerte aber auch daran, dass Nordmazedonien beispielsweise vor dem nunmehrigen EU-Mitglied Kroatien Gespräche mit der Europäischen Union aufgenommen habe.
Als problematisch wird die Blockade Bulgariens gesehen, weil die Balkanstaaten auch von Ländern wie Russland, China und der Türkei umworben werden. Schallenberg: "Wenn die EU nicht endlich Wort hält, dann werden andere Staaten dieses Vakuum füllen." Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi hatte jüngst eine Diskussion darüber losgetreten, ob die EU bei anhaltender Blockade der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien nur Gespräche mit dem Kandidatenland Albanien aufnehmen soll. Österreich lehnt dies ab, wie auch Schallenberg in Skopje bestätigte. Am Sonntag sollen in Tirana Gespräche mit Staatsoberhaupt Ilir Meta, Ministerpräsident Edi Rama und Außenministerin Olta Xhaçka stattfinden.
Zusammenfassung
- Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und seine Amtskollegen aus Slowenien, Anže Logar, und Tschechien, Jakub Kulhánek, haben am Samstag bei einem Besuch in Skopje ein Bekenntnis zur EU-Erweiterung am Westbalkan abgelegt.
- "Die europäische Integration ist ohne die sechs Westbalkanländer nicht komplett", sagte Schallenberg nach einem Treffen mit dem nordmazedonischen Außenminister Bujar Osmani.
- Am Sonntag sind Gespräche in Albanien geplant.