Rund 60 Gesetze im Nationalrat: Was die Regierung liegen lässt
Rund 60 Gesetze passieren Mittwoch, Donnerstag und Freitag den Nationalrat. Es sind die letzten Sitzungen des Arbeitsjahres - der vorletzte Sitzungsreigen vor der Nationalratswahl.
Ein neues Hilfspaket für Gemeinden, das COFAG-Aus, ein Digitalisierungspaket für Schulen, eine Cooling-Off-Phase für angehende Verfassungsrichter:innen, ein Kostenersatz für Strafverteidigung, die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Familien- und Studienbeihilfe sowie eine Podcast-Förderung und das Verbot von Qualzucht bei Haustieren werden beispielsweise beschlossen.
Ob das Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG) kommt, zeigt sich erst am Donnerstagabend. Mit ihm soll der Biogasanteil nach festgelegten Quoten steigen. Die Regierung braucht Zustimmung von SPÖ oder FPÖ - die Blauen lehnten bereits ab, die Roten hatten Donnerstagmittag noch Bedenken.
Video: Fehlende Gesetze
Ebenfalls vertagt wurde die Handy-Sicherstellung, die die Regierung laut Verfassungsgerichtshof neu regeln muss. Justizministerin Alma Zadić verlängerte nach Einwänden die Begutachtungsfrist - sehr zum Missfallen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
Fehlende Gesetze
Zwar kein Gesetz, aber weiter offen ist weiterhin die Personalentscheidung über das Direktorium der Österreichischen Nationalbank (OeNB) und liegen geblieben sind auch groß angekündigte Projekte wie ein weisungsfreier Bundesstaatsanwalt, ein bundesländerübergreifendes Klimaschutzgesetz oder ein fixer Zeitplan für den Ausstieg aus russischem Gas. Vor der Wahl geht sich das wohl nicht mehr aus.
Die Opposition ist sich einig: Die Regierung habe "quer durch alle Bereiche wirklich ausgelassen", urteilte Philip Kucher (SPÖ). Susanne Fürst (FPÖ) zeigte sich auch enttäuscht, fände es aber ohnehin besser, "wenn diese Regierung nichts mehr beschließt". Und Douglas Hoyos (NEOS) verwies unlängst schon in seiner Bilanz über Schwarz-Grün auf angeblichen Reformschau und Schuldenquote.
Video: Parlament im Endspurt
Im Wahlkampf wird die Regierung an ihrer Bilanz gemessen werden. Aber wie sieht es da mit jenen Vorhaben aus, die sich die Regierung von Anfang an vorgenommen hatte?
Die "Kleine Zeitung" hat sich die Mühe gemacht, die Wahlprogramme aus dem Jahr 2019 zu durchforsten und abzugleichen, welche Vorhaben es ins Regierungsprogramm geschafft haben und welche dann gar als Gesetze beschlossen wurden.
Welche Versprechen wurden nicht gehalten?
Die Bilanz der Zeitung: Im Koalitionsvertrag konnte die ÖVP (82 Prozent) mehr ihrer Forderungen unterbringen als die Grünen (42 Prozent). Aber: Die Grünen konnten von ihren Punkten, die es in den Vertrag schafften, dann mehr umsetzen. Was die Grünen ins Regierungsprogramm verhandelt haben, konnten sie demnach zu 78 Prozent umsetzen (ÖVP: 55 Prozent).
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Die "Kleine Zeitung" merkt allerdings an, dass der angestellte Vergleich nur bedingt zulässig ist. Die Grünen sind Juniorpartner - insofern ist es logisch, dass sie weniger einbringen und umsetzen können.
Andererseits ist die Ausgangslage eine andere: Während die Grünen ein Wahlprogramm mit 246 Forderungen präsentiert hatten, legte sich die ÖVP damals auf "100 Projekte für Österreich" fest. Einige Projekte umfassten mehrere Ideen. Die Grünen waren zudem vorher noch nie in einer Bundesregierung - die ÖVP sitzt bekanntlich seit Jahrzehnten immer wieder auf der Regierungsbank und verließ diese seit 1986 nicht mehr.
Umwelt und Klima vs. Arbeit und Wirtschaft
Betrachtet man die Inhalte der Vorhaben, so haben die Grünen in den Bereichen Umwelt und Klima viel vom Geforderten erreicht. Die "Kleine" zählt etwa Energieeffizienz, Klimaticket, Erneuerbaren- und Radweg-Ausbau, Heizungstausch, Rücknahme von Tempo 140, Erhöhung der Nova sowie die CO₂-Steuer auf. Wegen diverser Chat-Affären konnten die Grünen bei Parteifinanzen und Transparenz ihr Programm übererfüllen. In den Kapiteln Arbeit und Wirtschaft haben sich die Grünen hingegen kaum durchsetzen können.
Generell waren die Parteien in jenen Bereichen erfolgreicher, in denen sie auch Ressortverantwortung haben - also Minister:innen stellen. Die ÖVP hat aus ihrem 100-Punkte-Programm eine Steuersenkung, Maßnahmen im Bereich der Pflege, außertourliche Pensionserhöhungen, Erleichterungen der Rot-Weiß-Rot-Karte, vereinfachte Unternehmensgründungen, KöSt-Senkung, höhere Forschungsausgaben und eine steuerfreie Mitarbeiterbeteiligung umgesetzt. Die ÖVP konnte auch die Abschaffung der kalten Progression durchbringen, die vereinbart war, aber immer auf wackeligen Beinen stand.
Beide Parteien wollten auch eine Ökologisierung des Pendlerpauschales - es kam aber nicht. Das Verbot des Entsorgens von Lebensmitteln für Supermärkt kam nur als Meldepflicht.
Ist Selbstlob glaubhaft?
"Diese Bundesregierung hat in diesen fast fünf Jahren so viele weitreichende Maßnahmen gesetzt wie fast keine davor", lobte sich ÖVP-Klubobmann August Wöginger zuletzt selbst. "Wir arbeiten gut zusammen, das hat einen großen Wert", sagte er über Sigrid Maurer von den Grünen.
Ob die Wähler:innen die Bilanz der Regierungsparteien ebenfalls so positiv beurteilen, oder ob sie sich der Kritik der Opposition anschließen, wird sich im Herbst zeigen. Vor allem die Grün-Wähler:innen stellen an die eigene Partei traditionell hohe Ansprüche.
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Zusammenfassung
- Im Nationalrat wird an den letzten Tagen vor dem Jahresfinale noch ein regelrechter Gesetzesreigen beschlossen.
- Dennoch bleiben einige Versprechen und Ankündigungen von ÖVP und Grünen bis zur Wahl wohl auf der Strecke.
- Wer hat mehr umgesetzt?