Rufe nach mehr Inklusion für Menschen mit Behinderung
Österreich hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung 2008 ratifiziert. Dennoch sind die damit verbrieften Rechte von Menschen mit Behinderung in mehreren Bereichen nicht umgesetzt, so die einhellige Kritik. "Gesetzliche Regelungen allein reichen nicht aus. Entscheidend ist, dass diese auch tatsächlich umgesetzt werden - national wie international", betonte die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr am Dienstag laut Aussendung und forderte dringend einen Ausbau von barrierefreiem Wohnraum, bessere Assistenzangebote und eine Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, die Inklusion konsequent vorantreibt. Auch die NEOS drängen auf eine bundesweit einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz. "Es darf nicht davon abhängen, wo jemand lebt oder welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, ob die notwendige Unterstützung gewährt wird", so die pinke Behindertensprecherin Fiona Fiedler. Großen Handlungsbedarf orten die NEOS auch in der inklusiven Bildung.
Die Grünen, die bisher das Sozialministerium geführt haben, verwiesen auf das bestehende Pilotprojekt zum Ausbau der persönlichen Assistenz und sahen die Bundesländer in der Verantwortung, sich daran zu beteiligen. "Die notwendigen Budgetmittel zur Persönlichen Assistenz stehen zur Verfügung, werden jedoch von vielen Bundesländern nicht abgerufen", kritisierte der Grüne Abgeordnete Ralph Schallmeiner. Während Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Salzburg und das Burgenland erfolgreich gestartet bzw. die Gespräche weit fortgeschritten seien, würden andere Bundesländer die Bundesmittel nicht abholen, bemängelte Schallmeiner und nannte Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark und insbesondere Wien - das Bundesland mit den meisten Bezieherinnen und Beziehern von Persönlicher Assistenz.
Der bereits vom Behindertenrat geäußerten Kritik an der Wiener Stadtregierung schloss sich am Dienstag auch der Blinden- und Sehbehindertenverband Wien, Niederösterreich und Burgenland an. Durch die Nicht-Unterzeichnung des Vertrags sei der von der Verwaltung minutiös vorbereitete Beitritt Wiens mit 1. Jänner 2025 verhindert worden, kritisierte der Verband. Dadurch hätten in Wien weiterhin nur Personen mit physischen Behinderungen einen Anspruch auf Persönliche Assistenz, Menschen mit Lernschwierigkeiten, psychischen Erkrankungen oder Sinnesbehinderungen seien aber ausgeschlossen.
Die Volksanwaltschaft betonte die Wichtigkeit eines barrierefreien Zugangs zu Behörden und deren Informationen. "Immer wieder beklagen Menschen mit Behinderungen, dass sie über wichtige Leistungen und Angebote der Behörden nichts erfahren, weil diese keine barrierefreien Informationen anbieten - also etwa in einfacher Sprache", erklärten die Volksanwältinnen Elisabeth Schwetz und Gabriela Schwarz sowie Volksanwalt Bernhard Achitz in einer gemeinsamen Aussendung. Kritik übte die Volksanwaltschaft einmal mehr auch an den gesetzlichen Höchstgrenzen beim Pflichtschulbesuch für Kinder mit Behinderung.
Der Kriegsopfer- und Behindertenverband (KOBV) kritisierte, dass unzureichende Rehabilitationsangebote oft die Rückkehr ins Erwerbsleben verhindern würden. Die Folgen seien unter anderem hohe Arbeitslosigkeit und psychische Belastungen. Die Lebenshilfe forderte ein Recht auf Persönliche Assistenz auch für Personen mit intellektuellen Behinderungen, die Schaffung eines entsprechenden Berufsbilds sowie die Auszahlung eines einkommensunabhängigen persönlichen Assistenz-Budgets. Der ÖGB plädierte dafür, dass die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Behinderung "unbedingt auch Teil des nächsten Regierungsprogramms" sein sollte. Zudem sprach sich die Gewerkschaft für eine Stärkung des Ausgleichstaxfonds um mehr barrierefreie Arbeitsplätze und bessere Integrationsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt zu schaffen.
Zusammenfassung
- Die Grünen kritisieren, dass viele Bundesländer die bereitgestellten Budgetmittel für persönliche Assistenz nicht abrufen, während die NEOS eine bundesweit einheitliche Regelung verlangen, um Ungleichheiten zu vermeiden.
- Der Blinden- und Sehbehindertenverband kritisiert die Wiener Stadtregierung, da durch die Nicht-Unterzeichnung eines Vertrags Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychischen Erkrankungen weiterhin von persönlicher Assistenz ausgeschlossen sind.