Anschober: "Wenn alle Stricke reißen, wird es die Impfpflicht sein"

Der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Autor Herbert Lackner sprechen im Interview mit Corinna Milborn über Impfverweigerer und darüber, wie sie überzeugt werden können.

Wenn Rudolf Anschober heute an seine Zeit als Gesundheitsminister denkt, dann sagt er, man habe in der Pandemie erlebt, "wie Politik funktionieren sollte und wie sie nicht funktionieren kann". Am Beginn der Pandemie habe es schnelle Entscheidungen und Einigkeit gegeben. Das sei aber zerfallen. Und daran seien auch jene Menschen beteiligt, "die in Wirklichkeit völlig jenseits von wissenschaftlichen Erkenntnissen sich ihre Wirklichkeit bauen". Er meint damit Maßnahmen-Gegner und Impfverweigerer.

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Druck aus den Ländern und Populismus

Warum auch die ÖVP vom vorsichtigen Kurs in der Pandemie abgerückt sei, weiß Anschober "bis heute nicht". Es könne mit Populismus, mit Umfragedaten oder mit der stärkeren Einbringung der Länder zu tun haben, mutmaßt er. Der ehemalige Minister verweist auch auf Wahlen in Oberösterreich und Waidhofen an der Ybbs, die Druck auf die Politik ausgeübt hätten. Nun würde man in ganz Europa vor dem Virus resignieren, aber auch vor jenen, "für die Wissenschaft nichts ist". Denn, wenn zehntausende demonstrieren und Parteien Umfragen sehen, dass da auch Leute "aus dem eigenen Milieu" dabei sind, würde das etwas auslösen, so Anschober.

Autor Herbert Lackner erklärt die Ursprünge der Impfskeptiker - zur Zeit der Pocken-Impfpflicht im Deutschen Kaiserreich seien vor allem Völkische, heute Rechtsradikale, und die "Lebenskulturbewegung", die auf ein "starkes Immunsystem setzt, dagegen gewesen. Er warnt davor, dass die heutige Gruppe "groß" sei und verweist auf Umfragen, wonach ein Viertel der Bevölkerung den Inhalten der Corona-Demonstranten zustimmen würde. Das würde mit der starken Wissenschaftsfeindlichkeit und der starken Rolle des Hausverstands in Österreich zu tun haben, so Lackner. 

"Absurdität ohne Gleichen"

Anschober vermutet hinter den Impfverweigerern auch einen Kotrollverlust: Der Tod sei plötzlich präsent gewesen und man habe vieles nicht mehr tun können. Das habe dazu geführt, dass sich viele gegen die gewendet haben, die sie schützen wollen. "Absurdität ohne Gleichen", nennt der ehemalige Politiker das heute. 

Aus diesem Milieu seien auch die ersten Morddrohungen gegen ihn gekommen - und später auch gegen Wolfgang Mückstein, sagt Anschober. Er habe sich von den Bürgern abschotten müssen. Dennoch würde er noch heute auf Dialog setzen, um Menschen von der Impfung zu überzeugen. Außerdem würde er sich europaweite Maßnahmen wünschen. 

Vom heutigen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) erwartet er, dass im Mai ein "gutes strategisches Konzept" für den Herbst vorgelegt werden wird. Eine hohe Impfquote werde darin eine Schlüsselrolle spielen, so Anschober. Wenn Dialog nicht reiche und alle Stricke reißen, "wird es die Impfpflicht sein", so Anschober. Er selbst habe aber einen neuen "Lebensabschnitt" gestartet, will nicht mehr in die Politik und hofft, dass sein aktuelles Buch "nicht das letzte" war.

Die ganze Sendung sehen Sie um 21.15 Uhr auf PULS 24 oder im Livestream.

ribbon Zusammenfassung
  • Wenn Rudolf Anschober heute an seine Zeit als Gesundheitsminister denkt, dann sagt er, man habe in der Pandemie erlebt, "wie Politik funktionieren sollte und wie sie nicht funktionieren kann".
  • Am Beginn der Pandemie habe es schnelle Entscheidungen und Einigkeit gegeben. Das sei aber zerfallen.
  • Und daran seien auch jene Menschen beteiligt, "die in Wirklichkeit völlig jenseits von wissenschaftlichen Erkenntnissen sich ihre Wirklichkeit bauen". Er meint damit Maßnahmen-Gegner und Impfverweigerer.
  • Warum auch die ÖVP vom vorsichtigen Kurs in der Pandemie abgerückt sei, weiß Anschober "bis heute nicht". Es könne mit Populismus, mit Umfragedaten oder mit der stärkeren Einbringung der Länder zu tun haben, mutmaßt er.
  • Vom heutigen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) erwartet er, dass im Mai ein "gutes strategisches Konzept" für den Herbst vorgelegt werden wird. Eine hohe Impfquote werde darin eine Schlüsselrolle spielen, so Anschober.
  • Wenn Dialog nicht reiche und alle Stricke reißen, "wird es die Impfpflicht sein", so Anschober.