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Rot-weiß-roter Pass für fast 5.000 Nachfahren von NS-Opfern

Tausende Nachfahren von NS-Opfern in aller Welt haben seit vergangenem Herbst die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen. Wie die zuständige Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien der APA auf Anfrage mittelte, seien mit Ende April 4.621 Verfahren "positiv abgeschlossen" worden. Davon hätten 1.241 Personen die Staatsbürgerschaft formal erhalten. Es habe lediglich elf negative Bescheide gegeben. Der Großteil der Anträge kam aus Israel, den USA und Großbritannien.

Insgesamt seien bis Ende April 10.178 Anzeigen eingelangt, mehr als drei Viertel davon aus Israel (3.747), den USA (2.315) und Großbritannien (1.878), hieß es aus dem Büro des zuständigen Wiener Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr (NEOS). Der Rest beziehe sich auf Länder wie Argentinien oder Australien.

Bei der Staatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern handle es sich nicht nur um eine "symbolische Geste", betonte der Wiener Integrations-Stadtrat. Es solle damit auch aufgezeigt werden, "dass dieses Kapitel in Österreichs Geschichte nicht vergessen werden darf". Es sei ihm wichtig, "so den Vertriebenen und ihren Nachkommen jenen Respekt zu zollen, den sie verdienen und ihnen den Schritt zurück in ihre leider gewaltvoll geraubte Heimat zu erleichtern."

Seit September können Nachkommen von NS-Opfern per Anzeige die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben. Zuvor waren nur die NS-Opfer selbst anspruchsberechtigt gewesen. Nun können auch ihre direkten Nachfahren, also Kinder, Enkel, Urenkel, usw. den rot-weiß-roten Pass bekommen. Auch Personen, die als Minderjährige adoptiert wurden, sind anspruchsberechtigt. Österreich toleriert in diesem Fall auch ausdrücklich die Doppelstaatsbürgerschaft.

Das Außenministerium berichtete gegenüber der APA von bisher fast 14.700 Anfragen über den vom Ressort in Zusammenarbeit mit der Wiener Landesregierung erstellten Online-Fragebogen. An den österreichischen Vertretungsbehörden seien nahezu 9.000 Anzeigen eingegangen, hieß es weiter. Die Nachkommen von NS-Verfolgten hätten sich in erster Linie bei Botschaften und Generalkonsulaten in Israel, Großbritannien, den USA und anderen Ländern in Nord- und Südamerika gemeldet. Interessentinnen und Interessenten gebe es aber weltweit.

Opfer des NS-Regimes ist laut dem Staatsbürgerschaftsgesetz eine Person, "die sich als österreichischer Staatsbürger oder Staatsangehöriger eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder Staatenloser jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vor dem 15. Mai 1955 in das Ausland begeben hat, weil sie Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hatte oder weil sie wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte".

Der Nationalrat hatte die Gesetzesnovelle im September 2019 unter Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein gemeinsam von ÖVP, SPÖ und FPÖ beschlossen worden. Kurz vor der Nationalratswahl wurde damit ein Anliegen umgesetzt, auf das sich die türkis-blaue Bundesregierung verständigt hatte. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) stellte den Beschluss Ende 2020 in einem APA-Interview in den Kontext der Politik Österreichs, seine historische Verantwortung stärker wahrzunehmen. "Wir verfolgen hier eine Politik, die sehr viel stärker als bisher unsere geschichtliche Verantwortung wahrnimmt. Wir haben die österreichische Staatsbürgerschaft geöffnet für die Nachkommen der Opfer der Shoah", sagte er.

ribbon Zusammenfassung
  • Tausende Nachfahren von NS-Opfern in aller Welt haben seit vergangenem Herbst die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen.
  • Davon hätten 1.241 Personen die Staatsbürgerschaft formal erhalten.
  • Der Großteil der Anträge kam aus Israel, den USA und Großbritannien.
  • Bei der Staatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern handle es sich nicht nur um eine "symbolische Geste", betonte der Wiener Integrations-Stadtrat.