Rot-Grün präsentierte Regierungsprogramm fürs Burgenland
Auf über 130 Seiten haben SPÖ und Grüne ihre Vorhaben in den verschiedensten Bereichen zusammengefasst. Bei der Pflege soll etwa das bisherige Modell der Pflegestützpunkte weiter ausgerollt werden und bei der Asylpolitik habe man sich darauf geeinigt, dass die Bezahlkarte für Asylwerber im Burgenland nicht eingeführt wird, sagte Doskozil. Auch in Sachen Transparenz seien Maßnahmen geplant: Im Fall einer strafrechtlichen Anklage gegen Regierungsmitglieder oder Abgeordnete soll landesgesetzlich festgelegt werden, dass die Betroffenen automatisch ihre Funktionen ruhend stellen müssen.
Doskozil bedankte sich bei den Grünen für Koalitionsverhandlungen "auf Augenhöhe", wie er sie in seiner politischen Laufbahn bisher "in dieser Art und Weise noch nicht erlebt habe". Entstanden sei eine "Zukunftskoalition", bei der es "nicht um Positionen geht, sondern ausschließlich um die Positionierung unseres Heimatlandes".
Bei der Verteilung der Ressorts unter den Regierungsmitgliedern wird es zu keinen großen Veränderungen kommen. Die drei bisherigen Landesräte Heinrich Dorner, Leonhard Schneemann und Daniela Winkler (alle SPÖ) behalten ihre Zuständigkeiten. Winkler bekommt zur Bildung neu die Frauenagenden sowie die Staatsbürgerschaften dazu, Schneemann übernimmt neben Wirtschaft und Sozialem künftig auch Gemeinden und Wahlen. Bei Dorner bleibt es bei Bau, Raumplanung, Verkehr und Wohnbauförderung. Haider-Wallner als Stellvertreterin übernimmt Umwelt, Naturschutz, Energie und Landwirtschaft sowie den Konsumentenschutz.
"Pragmatischer Zugang" bei Asyl und Migration
Thematisch ist dem Landeshauptmann etwa wichtig die Fortführung des Pflegemodells mit der Realisierung der 71 Pflegestützpunkte und der Erweiterung auf alle Gemeinden. Beim Thema Asyl und Migration gebe es einen "pragmatischen Zugang", der SPÖ-Landesparteichef räumte ein, dass es Toleranz und gegenseitiges Verständnis brauche. Speziell bei diesem "schwierigen Thema" könne das burgenländische Modell beispielgebend sein. Neben der Obergrenze von maximal 330 Plätzen in der Grundversorgung und der gemeinnützigen Arbeit für Asylwerber mit einer symbolischen Abgeltung von 1,30 Euro werde im Burgenland keine Bezahlkarte eingeführt. "Ein teures System für 40 Euro im Monat an Taschengeld einzuführen, das ist skurril und polemische Politik. Diese Politik wollen wir beide nicht." Solche "Spinnereien" wie die Bezahlkarte werden daher im Burgenland als einziges Bundesland nicht eingeführt, man distanziere sich von der Ausschreibung, betonte Doskozil.
Geplant ist von der neuen Landesregierung, wie bereits bekannt wurde, die Etablierung von drei Lehrwerkstätten mit der Positionierung Tourismus, Elektrotechnik und Metalltechnik. Diese sollen in Kooperation mit der Wirtschaftskammer umgesetzt werden. Überhaupt soll die Hand in Richtung Wirtschaft und auch Landwirtschaft ausgestreckt werden und auch im Landtag hofft Doskozil, dass zwar diskutiert, aber nicht polarisiert werde. Ähnlich wie zur Suspendierung im Öffentlichen Dienst, soll ein Politiker, gegen den eine rechtskräftige Anklage vorliegt, seine politische Funktion ruhend stellen müssen, kündigte Doskozil ein entsprechendes Landesgesetz an. Im Falle eines Freispruchs führe der Weg zurück in die Funktion.
"Zukunftsplan als Gegenmodell"
Erarbeitet wird auch ein burgenländisches Klimaschutzgesetz, im Südburgenland kommt ein Tierschutzhaus und beim Bodenschutz sind Leerstandsabgaben für größere Gewerbeimmobilien sowie eine Entsiegelungsprämie und ein Entsiegelungswettbewerb geplant, kündigte Haider-Wallner an. "Wenn ich nach Wien schaue, was FPÖ und ÖVP an Sozialabbau und Rückschritten bei der Klimapolitik planen, das tut mir für unsere Jugend leid. Da liegen fünf dunkle Jahre vor uns. Das Burgenland ist anders, wir präsentieren den Zukunftsplan 2030 und er ist ein Gegenmodell zum rechtspopulistischen Getöse." "Zusammenhalt, Sicherheit und Nachhaltigkeit" heißt das Programm - "das klingt ein bisschen unspektakulär", dahinter stehe aber eine positive Zukunftserzählung, so die neue Landeshauptmann-Stellvertreterin. "Wir stehen hier, weil wir Verantwortung übernehmen wollen für das Burgenland und seine Menschen. Wie diese Verantwortung aussehen kann, haben wir in intensiven Diskussionen erarbeitet." Manches davon habe den Grünen Schmerzen bereitet, manches den Roten, räumte auch sie ein.
"Ja, es sind Kompromisse enthalten", das Programm enthalte aber zahlreiche Punkte, bei denen die beiden Parteien ohnehin einig seien. Daher seien die Verhandlungen auch so schnell abgeschlossen gewesen, denn schon die Wahlprogramme hätten Überlappungen gezeigt, stellte Haider-Wallner fest. Für die Bevölkerung bringe das Regierungsprogramm "spürbare Verbesserungen", etwa in der Wirtschaftspolitik, in der Digitalisierung, der Gesundheit und Pflege oder bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
Kompromiss bei Krankenhaus Gols
An "alle, die sich Sorgen gemacht haben", dass die Grünen über den Tisch gezogen werden oder "der billigere Partner sind", richtete sie: "Die kann ich beruhigen, es gibt durchgängig einen grünen Faden." Die Verhandlungen seien fair verlaufen und von Respekt getragen gewesen. "Vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist gelungen." "Schmerzen" gemacht habe etwa der Kompromiss beim Krankenhaus Gols und in der Asylpolitik werden die Grünen darauf achten, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Was den geplanten Spitalsbau in Gols (Bezirk Neusiedl am See) betrifft, sei vereinbart worden, dass Ersatzflächen in der doppelten Größe neu als Naturschutzgebiet gewidmet oder renaturiert werden. Die Flächenversiegelung werde begrenzt und der Bau wird an den öffentlichen Verkehr angebunden. Beim Thema Asyl habe es "längere Diskussionen" gegeben, es sei aber eine Lösung gefunden worden, "die für beide passt". Selbst sei sie erst vor einem guten halben Jahr im Landtag angelobt worden, im Wahlkampf war nicht sicher, ob es die Grünen wieder ins Landesparlament schaffen und am Donnerstag werde sie als Landeshauptmann-Stellvertreterin angelobt: "Ich nehme die Aufgabe mit großem Respekt an."
Dem Thema Landesbudget habe man in den Verhandlungen mehrere Stunden gewidmet, so Haider-Wallner. Im Wahlkampf sprach sie über die Landesholding von einer "Black Box", nun rechnet sie damit, dass das neue Informationsfreiheitsgesetz - auf Bundesebene - hier für mehr Transparenz sorgen wird. Auch bei den Förderungen werde festgehalten, dass diese transparent und nachvollziehbar vergeben werden.
Ehrnhöfer Büroleiter bei Haider-Wallner
Neu ist die Funktion der Regierungskoordinatoren, auf roter Seite wird dies der nun abgelöste Landtagspräsident Robert Hergovich. Wer die Rolle auf Grüner Seite übernimmt, entscheide der Klub in den nächsten Tagen, so Haider-Wallner. Sie räumte ein, dass die grünen Büros noch nicht voll besetzt starten werden. Klar ist aber bereits, dass der bisherige Kabinettschef von Ministerin Leonore Gewessler Felix Ehrnhöfer ihr Büroleiter wird.
Was die finanziell prekäre Situation der Gemeinden betrifft, kündigte Doskozil weiterhin Gesprächsbereitschaft an, indem der Müllverband an das Land geht und im Gegenzug das Kindergartenpersonal finanziert wird. Haider-Wallner verwies hier auf die dazu notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag, die Rot und Grün alleine nicht zuwege bringen.
Mit Blick auf die blau-türkisen Verhandlungen auf Bundesebene meinte Doskozil: "Es geht um Ämter, persönliche Befindlichkeiten, Macht. Nicht um unser Heimatland oder unsere Bevölkerung." Am besten gefiel ihm an den burgenländischen Verhandlungen, dass auch bei den anstehenden schwierigen Rahmenbedingungen immer "das Bestmögliche für die Bevölkerung" im Mittelpunkt gestanden sei.
FPÖ und ÖVP üben Kritik
Kritik am rot-grünen Regierungsprogramm kam von FPÖ und ÖVP. Der designierte freiheitliche Klubobmann Norbert Hofer störte sich, wie schon im Wahlkampf, an der Finanzpolitik und dem Umgang mit Steuergeld. "Die Grünen sind in dieser Koalition nicht die Bremse, sondern ein Beschleuniger, wenn es darum geht, das Land weiterhin finanziell über Gebühr zu belasten", meinte Hofer. Ein "Korrektiv" will er deshalb selbst als Vorsitzender des Rechnungshofausschusses werden. In der konstituierenden Landtagssitzung am Donnerstag werde er sich der Wahl stellen und anschließend "alle Möglichkeiten der Geschäftsordnung ausschöpfen".
ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz hielt in einer Aussendung ebenfalls fest, dass Doskozil seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs sowie seinen Umgang mit den Gemeinden auch in einer rot-grünen Koalition weiter fortsetzen werde. Es werde sich zeigen, ob die Regierung "eine echte Partnerschaft oder ein taktisches Zweckbündnis" sei. Die ÖVP werde sich jedenfalls als "starke und konstruktive Opposition" positionieren, so Sagartz.
Zusammenfassung
- Die rot-grüne Landesregierung im Burgenland präsentiert ein 130-seitiges Regierungsprogramm mit Schwerpunkten auf Gesundheit, Pflege, Asyl und Migration sowie einem Klimaschutzgesetz.
- Das Pflegemodell wird mit 71 Pflegestützpunkten auf alle Gemeinden erweitert, während im Asylbereich keine Bezahlkarte eingeführt wird und die Obergrenze bei 330 Plätzen liegt.
- Ein neues Klimaschutzgesetz, Leerstandsabgaben und Entsiegelungsprämien sind Teil der Umweltmaßnahmen, die die Regierung plant.
- Kritik kommt von FPÖ und ÖVP, die die Finanzpolitik und den Umgang mit Steuergeld kritisieren.
- Neue Lehrwerkstätten in Tourismus, Elektrotechnik und Metalltechnik sollen in Kooperation mit der Wirtschaftskammer entstehen.