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Radikalisierung durch TikTok-Influencer

19. Feb. 2025 · Lesedauer 4 min

Der Attentäter, der am Wochenende in Villach einen 14-Jährigen tötete und fünf Menschen verletzte, reiht sich ebenso wie der im Februar in Wien festgenommene 14-Jährige in eine Gruppe von Einzeltätern ein, die sich auf TikTok radikalisiert hat. Social Media und Influencer sorgen seit längerem für die Radikalisierung von Nutzern, in Reaktion auf die Tat in Villach wurden bereits Rufe nach einem TikTok-Verbot laut.

Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger tritt hingegen für einen verstärkten Fokus auf radikalisierende Influencer ein. Auf Apps wie TikTok, Instagram, sowie Discord, Steam und der Website 4chan finden sich potenziell radikalisierende Inhalte zuhauf. Die Algorithmen, die auf Apps wie TikTok agieren, lernen, welche Videos lange angesehen werden. Wird ein Video in den Feed eingespielt und länger damit interagiert, folgen in Zukunft ähnliche Videos. Damit Videos von der Plattform genommen werden, müssen diese gegen die Community-Richtlinien verstoßen. Inhalte werden entweder von der TikTok-eigenen Technologie von der Plattform entfernt oder von menschlichen Moderatorinnen und Moderatoren.

Seit 7. Juni 2022 gilt in der Europäischen Union die Vorschrift, dass Internetplattformen terroristische Inhalte zum Zweck der Radikalisierung bis maximal eine Stunde nach deren Identifikation löschen müssen. Anordnungen zur Entfernung können auch von nationalen Behörden gestellt werden.

Wird systematisch gegen die Vorschriften verstoßen, kann es dazu kommen, dass die Internet-Plattformen bis zu vier Prozent ihres Umsatzes Strafe zahlen müssen. Die Kurzvideoplattform TikTok hat gemäß der EU Terrorist Online Regulation eine Richtlinie gegen gewaltbereiten Extremismus erstellt. Extreme Inhalte werden dennoch verbreitet. Im Falle des 23-jährigen Syrers in Villach wird davon ausgegangen, dass sein Videokonsum zu dem Attentat führte. Auch der 14-Jährige, der am 10-Februar in Wien-Währing wegen seiner Anschlagspläne am Westbahnhof festgenommen wurde, dürfte sich in sehr kurzer Zeit - seit August 2024 - radikalisiert haben.

Ruf nach Druck auf Anbieter

Das soziale Medium Facebook hätte, so Schmidinger gegenüber der APA, nach 2014 gute Maßnahmen gesetzt, um extremistische Inhalte nicht weiter zu verbreiten. "Das ist offenbar bei TikTok nicht so ganz so bis jetzt. Also da kann man sich natürlich Maßnahmen auch überlegen, indem man halt Druck auf diese Netzwerke ausübt, dass sie gewisse extremistische Inhalte nicht mehr weiter verbreiten", fügt Schmidinger hinzu.

Der stellvertretende Direktor der Dokumentationsstelle Politischer Islam, Ferdinand Haberl, äußerte sich nach Villach in einem offiziellen Statement: "Islamistische Influencer und Gruppen agieren vermehrt über Staatsgrenzen hinweg, insbesondere im Online-Bereich und in den sozialen Medien, wo oftmals höhere Reichweiten möglich sind. Vor allem Jugendliche werden damit auf eine niederschwellige Art und Weise mit extremistischem Gedankengut in Berührung gebracht und schlimmstenfalls radikalisiert. Islamistische Inhalte sind potenziell auf jedem Handy oder Laptop mit Internet ortsunabhängig abrufbar und in ihrer Bildsprache auf die junge Generation zugeschnitten. Es handelt sich um ein transnationales Phänomen, welches über Online-Kanäle in unterschiedlichen Sprachen auch in Österreich ankommt."

Krisen und Kriege als Nährboden für Radikalisierung

Einschneidende Ereignisse wie die Coronapandemie oder die Kriege in der Ukraine und in Gaza können zu einer verstärkten Radikalisierung führen. Julia Ebner schreibt in ihrem Werk "Massenradikalisierung", dass die Frage gestellt werden sollte, wer durch die psychischen und ökonomischen Krisen der vergangenen Jahre besonders gefährdet sei, von radikalen Inhalten angesprochen zu werden. So könne einer übermäßigen Polarisierung entgegengewirkt werden.

Auch Terrorismusforscherin Daniela Pisoiu betonte die Rolle von Krisen im Interview mit dem Morgenjournal vom Montag. In einem Research Report aus dem Jahr 2021 schrieb sie dazu: "Die Pandemie hat extremistischen AkteurInnen eine Gelegenheit geboten, die die Situation zu nutzen, um ihre Ziele zu erreichen, Staaten und Gesellschaften im Westen zu destabilisieren und vor allem das Vertrauen in die Regierungen zu erschüttern." Der 7. Oktober 2023, der Tag des Hamas-Angriffs auf Israel, führte in Österreich zu einem Anstieg an antisemitischen und antimuslimischen Vorfällen. Auch bei rechtsextremen Straftaten gab es im Jahr 2023 ein Rekordhoch. Die Bildungsstätte Anne Frank warnte davor, dass TikTok in kurzer Zeit Menschen mit antisemitischen Posts radikalisieren könne.

Zusammenfassung
  • Der Attentäter in Villach und ein 14-Jähriger in Wien radikalisierten sich über TikTok, was zu Forderungen nach einem Verbot der Plattform führte.
  • Seit dem 7. Juni 2022 verlangt die EU von Internetplattformen, terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde zu löschen, andernfalls drohen Strafen von bis zu vier Prozent des Umsatzes.
  • Krisen wie die Coronapandemie und Konflikte in der Ukraine und Gaza fördern die Radikalisierung, was sich in einem Anstieg antisemitischer und antimuslimischer Vorfälle in Österreich zeigt.