Quarantäne-Verkürzung für Hacker "gesundheitsbehördliche Selbstaufgabe"
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verwies neben medizinischen auch auf rechtliche Bedenken. "Dieses verantwortungslose Handeln wird dazu führen, dass wir die Hochinzidenzphase unnötig in die Länge ziehen. Das kommt nahezu einer gesundheitsbehördlichen Selbstaufgabe gleich", so Hacker zur APA.
Fix ist für Hacker jedenfalls, dass im Wiener Gesundheitssektor keine positiv Getesteten tätig sein werden, wiederholte er in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA einmal mehr: "Infiziertes medizinisches Personal wird in Wien unter keinen Umständen arbeiten gehen."
"Wissenschaftliche Evidenz nicht erwiesen"
Die neue Empfehlung von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sieht vor, dass symptomlos Infizierte sowie jene mit leichtem Krankheitsverlauf (ohne Sauerstoffbedürftigkeit) unter Auflagen nach fünf Tagen auch ohne Test aus der Absonderung entlassen werden können. Neben dem Nein aus Wien kam dazu auch aus dem Burgenland Ablehnung, Kärnten äußerste sich ebenfalls kritisch. Umsetzen will man die Vorgaben jedenfalls in Tirol, der Steiermark und in Salzburg.
Aus dem Burgenland heißt es dazu: Man werde bei der Empfehlung nicht mitgehen - eine solche Regelung sei weder kontrollierbar noch argumentierbar. Personen mit einem CT-Wert unter 30 wieder arbeiten zu lassen, halte man für fahrlässig. Stattdessen können sich die Burgenländer wie bisher ab dem fünften Tag freitesten - entweder in den Apotheken, Zuhause per Gurgeltest oder in den Testzentren. Wer einen CT-Wert unter 30 hat, bleibt abgesondert, kann sich aber immer wieder testen. Kärnten äußerste sich ebenfalls kritisch.
Umfassende Begründung aus Wien
Hackers Büro lieferte am Donnerstag eine umfassende Begründung für die Haltung der Stadt. "Ein Automatismus zur Beendigung der Absonderung nach fünf Tagen ohne vorheriges Testen ist eine deutliche Abkehr von der bisherigen Präzision der Gesundheitsbehörden, deren wissenschaftliche Evidenz im Dokument nicht ausreichend begründet ist", hieß es in dem Schreiben.
Auch wird u.a. die komplexe Regelung der "Verkehrsbeschränkung" kritisiert und darüber hinaus auch die mögliche Tätigkeit der Betroffenen in "vulnerablen Bereichen". Die verschiedenen Optionen von Absonderung, Verkehrsbeschränkung bis hin zur Freitestmöglichkeit aus ebendiesen seien "kaum kommunizierbar" und würden einen "dramatischen Mehraufwand" bei den Gesundheitsbehörden verursachen. "Auch die Kontrolle dieser vielfältigen Maßnahmen wird in Österreich durch die Bezirkshauptmannschaften kaum mehr möglich sein", hieß es.
Wien kritisiert schwere Überwachbarkeit
Auch zeige die Erfahrung in Wien, dass nur knapp die Hälfte aller positiven Fälle mit so geringen Symptomen belastet sei, dass sie einen Freitestversuch unternehmen. Nur zehn Prozent der positiven Fälle schaffen es demnach tatsächlich, sich am fünften Tag freizutesten - weitere 20 Prozent in den Tagen sechs bis neun. "Die Regulierungen zu Freitestungen betreffen daher grundsätzlich 70 Prozent der positiven Fälle nicht." Es sei auch "zu vermuten", dass viele Personen auf die Variante der Verkehrsbeschränkungen zurückgreifen werden (und sich nicht freitesten lassen, auch wegen der geplanten Reduzierung der Tests). Daher sei davon auszugehen, dass die Vorgaben der Verkehrsbeschränkung von den Betroffenen "mangels Überwachbarkeit nicht eingehalten werden". Dadurch werde eine "unnötige Verlängerung der Hochinzidenzphase" riskiert.
Auch verwies Hacker auf die rechtliche Problematik: "Speziell in vulnerablen Bereichen wie Krankenanstalten und Pflegewohneinrichtungen kann nicht verlangt werden, ein zusätzliches Haftungsrisiko einzugehen." Denn aus dem Behandlungsvertrag bzw. Betreuungsvertrag bzw. dem Arbeitsrecht würden sich auch "Schutzpflichten" gegenüber den Patienten, Betreuten und Mitarbeitern ergeben. Darüber hinaus wären bei einem bewussten Einsatz von positiven Mitarbeitern krankenanstaltenrechtliche, berufsrechtliche aber auch strafrechtliche Folgen zu befürchten, so Hackers Büro.
Kärnten informiert am Abend
Vom Kärntner Landespressedienst hieß es am Donnerstag auf APA-Anfrage, Quarantäne und Teststrategie werden am Nachmittag Thema bei einer Sitzung des Corona-Koordinationsgremiums sein. Erst danach könne man genauere Auskünfte erteilen, für 18.00 Uhr war eine Medieninformation anberaumt. Kärntens Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) hatte aber bereits am Mittwoch Kritik an der verkürzten Quarantäne-Dauer anklingen lassen: Sie sehe diese Möglichkeit "sehr kritisch". Kärnten werde das "äußert restriktiv handhaben - nur in absoluten Ausnahmefällen und mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Das wird sicher nicht zum Regelfall werden". In Niederösterreich wird ebenfalls am Donnerstag über das Vorgehen beraten, am Vortag zeigte man sich bereits skeptisch.
Seitens der steirischen Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hieß es gegenüber der APA zunächst, dass die Verordnung des Bundes in Sachen Absonderung "eins zu eins" umgesetzt werden wird. Am Abend wurden dann aber eigenständige Änderungen bei den Quarantäneregeln verkündet: Demnach kann bei Symptomlosigkeit die Quarantäne ab dem sechsten Tag auf Initiative der infizierten Person zur Verkehrsbeschränkung umgewandelt werden. Diese beinhaltet eine FFP2-Maskenpflicht und ein Fernhalten von vulnerablen Personen, Großveranstaltungen und der Gastronomie,
Salzburg werde Empfehlung umsetzen
Aus dem Bundesland Salzburg hieß es, man werde die Empfehlungen des Bundes umsetzen, wie Oberst Peter Schinnerl, Leiter des Corona-Managements des Landes, gegenüber der APA erklärte. Konkret wird das Land die abgesonderten Personen am fünften Tag mit einem SMS kontaktieren und darauf hinweisen, dass man in die Verkehrsbeschränkung wechseln kann, wenn man 48 Stunden symptomfrei ist. Sollte das zutreffen, muss der Betroffene ein SMS mit der Bestätigung zurückschicken. Sollte man aber beispielsweise erst am siebenten Tag der Quarantäne die zwei symptomfreien Tage hinter sich haben, könne man auch dann die SMS abschicken.
Für den Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hingegen ist es "schockierend", die Quarantäne zu verkürzen. "Niemand möchte, dass seine Mutter oder sein Vater in einem Krankenhaus von jemandem, der möglicherweise nach fünf Tagen noch ansteckend ist, betreut wird." Er kritisierte in einer Videobotschaft auch, dass man in der Schule nicht die Maskenpflicht wieder einführe.
Zusammenfassung
- Die Bundeshauptstadt Wien lehnt die neuen Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zur verkürzten Absonderung von Corona-Infizierten ohne Test klar ab.
- Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verwies neben medizinischen Bedenken auch auf mögliche rechtliche Auswirkungen.
- Hackers Büro lieferte am Donnerstag eine umfassende Begründung für die Haltung der Stadt.
- Umsetzen will man die Vorgaben jedenfalls in Tirol, der Steiermark und in Salzburg.