Protest Slowakei 2024 21.02.2024PULS 24/Franziska Schwarz

Slowakei - Frustrierter Protest 6 Jahre nach Journalisten-Mord

2018 wurden der Journalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová erschossen. Die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico brach zusammen, im Herbst wurde er wiedergewählt. Ein Lokalaugenschein beim Gedenken anlässlich des Todestags.

"Von Anfang an wurden die Ermittlungen behindert", sagt Jozef Kuciak. Sein Sohn wurde vor sechs Jahren ermordet. Der Hauptverdächtige Auftraggeber wurde 2023 freigesprochen. "Ich frage mich, wo ist die Gerechtigkeit?"

Es ist Mittwochnachmittag in Bratislava und der 6. Jahrestags der Ermordung des Investigativ-Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová. Ein Auftragsmörder hat die beiden 27-Jährigen ermordet. Der Grund waren Kuciaks Recherchen über die Verbindung der damaligen Regierung zur italienischen Mafia. Am sogenannten Freiheitsplatz findet dazu eine Kundgebung statt. 

Auch die Mutter von Kušnírová spricht: "Vor 6 Jahren um diese Zeit hatte ich Kontakt mit meiner Tochter, aber sie antwortete nicht mehr, weil der Mörder schon bei ihnen war". Sie ist sicher, dass der Hauptbeschuldigte und freigesprochene Unternehmer hinter dem Mord steckt. Die Menge johlt, gerufen wird "Genug von Fico".

"Unglaublich, was Fico geschafft hat"

Am 15. März wird die slowakische Regierung unter Premierminister Robert Fico (Smer) die Staatsanwaltschaft für Korruption abschaffen. Der Vorwurf lautet, dass diese korrumpiert sei. Das unterstreicht auch der Justizminister Boris Susko (Smer). Bei der Kundgebung im Zentrum Bratislavas wirft man hingegen Fico vor, durch den Wahlsieg selbst der Strafverfolgung entkommen zu sein.

Die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft am 15. März ist eigentlich beschlossene Sache. Justizminister Boris Susko betont, dass man die Reform mit der EU schon geprüft habe und sie rechtsstaatlich sei. Nur die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová hat angekündigt, die Reform vor dem Verfassungsgericht prüfen zu lassen.

"Es ist unglaublich, was Fico geschafft hat“, sagt Erich. Er arbeitet als Koch in Bratislava, normalerweise hat er keine Zeit, um zu den Protesten zu gehen. Heute hat er aber sogar seine Kamera dabei, weil er die Geschichte dokumentieren will. Eigentlich interessiert er sich nicht für Politik, erzählt er.

Nach dem Mord am Investigativ-Journalisten im Jahr 2018 trat Fico zurück. Peter Pellegrini, auch ein Sozialdemokrat, übernahm, führte die folgende Regierung. Er sei Ficos "Taschenhalter", sagt Erich.

Nur vorerst blieb nach dem Mord in der Slowakei kein Stein auf dem anderen: Die Regierung brach zusammen, der Generalstaatsanwalt verlor sein Amt, wegen vermutetem Amtsmissbrauchs, Polizeipräsidenten traten zurück, 13 Richter wurden festgenommen. Verurteilt wurde aber niemand. 

Viele Menschen hatten damals Hoffnung, dass die Korruption in der Slowakei bekämpft würde. In ihren Augen hat sich aber zu wenig geändert. Seit sechs Jahren wird jährlich anlässlich des Todestages demonstriert, dieses Jahr sind die Teilnehmer besonders entrüsten: Fico wurde wiedergewählt.  

"Viel schlimmer" als 2018

"Das Leben ist jetzt viel schlimmer als vor sechs Jahren“, erzählt Pensionist Milan, kommende Woche wird er 70. "Weil unser Premierminister ist eine wirklich arrogante Person", schimpft er. Auf die Frage, ob er Hoffnung hat, dass sich etwas verändert, lacht er müde. "Das ist nichts, was schnell passieren wird. Die aktuelle Regierung ist so korrupt, es sind korrupte Menschen, die zusammenarbeiten."

Andere sind nicht überrascht, dass Fico wiedergewählt wurde, wieder Premierminister wurde. Olek, Vivien und Mathilda helfen als Freiwillige beim Protest. "Es ist wichtig zu erinnern", sagt Viven, sie ist 22 Jahre alt und studiert Internationale Beziehungen. Olek und Mathilda erinnern sich an den Mord – da waren sie 10. Sie hätten damals gelernt, was Korruption bedeutet, das sei schwer zu vergessen. "Unsere einzige Chance ist es, auf das Bessere zu hoffen", sagt Viven – "und deshalb sind wir hier", ergänzt Olek.

Auf einer Bühne, unter EU- und slowakischen Fahnen, sprechen die Eltern der zwei Ermordeten, sowie ein Zusammenschluss der slowakischen Medien und Prominente. Die Wut über die Pläne der Regierung ist groß. Sprechchöre rufen immer wieder "Schande" und "Fico ins Gefängnis". 

Video: Putin-Freund Robert Fico siegte mit 22 Prozent der Stimmen

Populistischer Ukraine-Bluff

Auch der Krieg in der Ukraine bleibt nicht unkommentiert. Fico gilt als pro-russischer Linkspopulist. Im Wahlkampf hatte er begonnen, sich gegen Unterstützung für die Ukraine zu stellen. Allerdings hat er dieses Versprechen auf EU-Ebene nicht wahrgemacht

Fico habe alles getan, um wieder Premier zu werden und so die Strafverfolgung zu beenden, meint Miroslav auf der Demo. Der 36-Jährige arbeitet in der IT-Branche.

Neben seiner angedrohten Blockaden der Ukraine-Hilfe ließ Fico im Wahlkampf auch mit seinen Drohungen gegen Journalist:innen aufhören. Denn die sind seine dezidierten Feinde, allen voran die  ausländische Presse.

Pavla Holcova ist eine der renommiertesten Journalistinnen Europas und arbeitete gemeinsam mit Ján Kuciak. Sie sagt, die Slowakei sei in puncto Korruption in einer noch schlechteren Verfassung als vor den Morden 2018. Die Regierung würde mit der Abschaffung der Korruptionsstaatsanwaltschaft Rache ausüben. Wer der aktuellen Regierung loyal blieb, der würde nun belohnt werden. Die Reform sieht sie kritisch, trotz Beteuerungen der aktuellen Regierung. Es ist die Slowakei, radikale Interventionen in die Justiz seitens der Politik seien ein Warnsignal.

Der investigative Journalismus in Europa sei stark, man kämpfe den "guten Kampf", sagt Pavla Holcova. Aber es gebe zu wenig Geld, Politiker greifen die Journalist:innen an und man werde täglich bedroht. 

Täglicher Kampf um Demokratie

Mit dieser Ansicht ist sie nicht alleine: Karolina Farska ist die Organisatorin des Protests "Iniative for a decent Slovakia". Die 25-Jährige ist sozusagen der Star der Proteste rund um den Journalistenmord. Noch als Schülerin organisierte sie 2018 die erste Kundgebung. Es sei ein Prozess – die Slowakei lerne aktuell, wie man ein demokratischer Staat sei.

Dabei gibt es für sie aber doch Hoffnungsschimmer: "Es ist sehr einfach, nur frustriert zu sein und nichts zu tun. Aber man kann einfach morgen aufwachen und versuchen, es besser zu machen. Manchmal sind es zwei Schritte vorwärts und ein er zurück, aber meistens geht es langfristig nur vorwärts", sagt sie.

Neben den Slowakei-Fahnen werden auch die Europa-Flaggen hochgehalten. Für Miroslav steht die blaue Fahne mit den gelben Sternen Fahne für ein System, von dem Slowakei gerne Teil wäre. Gegen Russland, für Zusammenhalt und Wohlstand, sagt er. Das fühle sich aber anders an, wenn man in der EU geboren wurde, glaubt er. Die Slowakei trat der EU 2004 bei, dass man das Land so reformieren konnte, sei eine große Leistung gewesen.

Mehr zum Thema Slowakei:

ribbon Zusammenfassung
  • 2018 wurden der Journalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová erschossen.
  • Die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico brach zusammen, im Herbst wurde er wiedergewählt.
  • Ein Lokalaugenschein beim Gedenken anlässlich des Todestags.