Politikwissenschaftler: "Jede sechste Person hat keine Staatsbürgerschaft"
Diese Reformvorschläge gehen auf einen Antrag der Sozialistischen Jugend am SPÖ-Bundesparteitag 2018 zurück, der der Arbeitsgruppe Migration unter der Leitung des Kärntner Landeshauptmannes Peter Kaiser zugewiesen wurde. Von dieser wurden die nun vorliegenden Vorschläge ausgearbeitet und diese dann im Bundesparteivorstand einstimmig beschlossen. Heftige Kritik an den Plänen kommt von der FPÖ.
Nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich soll es demnach einen Rechtsanspruch auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft geben - sofern alle weiteren Kriterien erfüllt sind. Bei kurzfristigen Unterbrechungen des Aufenthalts - bis hin zu einem Auslandssemester - soll diese Zeit nachgeholt werden können und nicht dazu führen, dass die Frist von neuem zu laufen beginnt. Wenn ein positiver Asylbescheid erfolgt, ist der Zeitraum anzurechnen. Bei negativer Entscheidung des Asylverfahrens gibt es keine Möglichkeit zur Beantragung einer Staatsbürgerschaft, auch wenn sechs Jahre vergangen sind.
"Geburtsortprinzip" als Zusatz
Dem Staatsbürgerschaftsrecht will die SPÖ auch ein Element des "Geburtsortsprinzips" hinzufügen: Ein in Österreich geborenes Kind soll automatisch bei Geburt die Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Dass sich hier geborene und aufgewachsene Menschen mühsam ihren Weg zur Staatsbürgerschaft bahnen müssen, hält die SPÖ für "desintegrativ", es trenne in den Schulklassen und hemme die Teilhabe.
Senken will die SPÖ auch die finanziellen Hürden für den österreichischen Pass. Die Staatsbürgerschaft soll all jenen Personen offenstehen, die in den letzten sechs Jahren zumindest in 36 Monaten nicht zum überwiegenden Teil die Sozialhilfe bezogen haben. Die Bundesgebühren von derzeit 1.115 Euro für die Einbürgerung sollen ersatzlos gestrichen werden. Die Landesgebühren, die derzeit in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch sind, sollen auf entsprechend niedrigem Niveau vereinheitlicht werden.
SPÖ will Staatsbürgerschaftslehrgang
Statt der derzeitigen Prüfung in Multiple-Choice-Form zur Erlangung der Staatsbürgerschaft schlägt die SPÖ einen Staatsbürgerschaftslehrgang vor, "der partizipativ unsere Grundrechte und Demokratie erfahrbar macht". Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs, der liberalen Demokratie, sollen auf Basis dieses Lehrgangs vermittelt werden.
Kaiser spricht von einem "Paradigmenwechsel", die SPÖ wolle mit diesem neuen Staatsbürgerschaftsrecht den Zusammenhalt in Österreich stärken. "Damit sollen Antworten auf neue Lebensrealitäten gegeben, die Integration gefördert und Teilhabe ermöglicht werden. Im Vordergrund stehen nicht mehr Faktoren wie die Herkunft der Eltern oder finanzielle Hürden, sondern die persönliche Entscheidung. Die SPÖ tritt für ein Staatsbürgerschaftsrecht ein, das nicht mehr die Vergangenheit in den Fokus nimmt, sondern die gemeinsame Zukunft", erläuterte der Kärntner Landeshauptmann. Für Integrationssprecherin Nurten Yilmaz ist die Staatsbürgerschaft "nicht die Krone, sondern der Motor der Integration".
Österreich "eines der restriktivsten Lände"
Der Vorschlag der SPÖ könnte einen "positiven Effekt auf die Integration" haben, sagt der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik. Gegenüber PULS 24 erklärt er, dass Österreich im internationalen Vergleich "eines der restriktivsten Länder ist". Demnach sei es "sehr schwierig" eine Staatsbürgerschaft zu erhalten. Bereits "jede sechste Person hat keine Staatsbürgerschaft", sagt der Politikwissenschaftler. Für diese Personen "entspricht eine Staatsbürgerschaft der Lebenswirklichkeit", da sie dauerhaft in Österreich leben, erklärt Ennser-Jedenastik.
Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschaftler an der Uni Wien, spricht mit PULS 24 über den Vorschlag der SPÖ.
FPÖ kritisiert Pläne
Heftige Kritik an den Plänen kommt von der FPÖ. Der designierte Parteichef Herbert Kickl sieht darin das Motto: "Neue Wählerschaft durch Einbürgerungen quasi am Fließband." Seiner Ansicht nach sollte sich die SPÖ Migrationspartei Österreichs - kurz MPÖ - nennen. Für den künftigen FPÖ-Obmann ist das "nicht visionär für Österreich, das ist heimatzerstörend." Die SPÖ-Spitze wäre seiner Meinung nach "besser bei den Grünen aufgehoben". "Die Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen. Sie ist ein hohes Gut und kein beliebiger Fetzen Papier", sagte Kickl in einer Aussendung. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch begrüßt hingegen die SPÖ-Vorschläge und sieht darin eine Positionierung für faire Einbürgerungsbedingungen.
Zusammenfassung
- Die SPÖ fordert einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft.
- Demnach soll es einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt geben.
- Senken will die SPÖ auch die finanziellen Hürden für den österreichischen Pass.
- Kaiser spricht von einem "Paradigmenwechsel", die SPÖ wolle mit diesem neuen Staatsbürgerschaftsrecht den Zusammenhalt in Österreich stärken.