Politikerinnen kämpfen mit männlichen Strukturen
Fünf weibliche stehen derzeit neun männlichen Regierungsmitgliedern gegenüber, im Jahr 2022 wurden Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) durch Männer ersetzt. Und auch die vorderste Front der SPÖ gab in Sachen weiblicher Repräsentation zuletzt kein gutes Bild ab, werden doch mit der Vorsitzübernahme Andreas Bablers von Pamela Rendi-Wagner Bundespartei, Parlamentsklub und alle neun Landesparteien von Männern geführt.
Einen generellen Rückschritt sieht die an der Universität Wien tätige Politikwissenschafterin aber nicht. Vielmehr spiele der Zufall bei der Besetzung sowohl der Regierung als auch der sozialdemokratischen Führungspositionen eine Rolle - wenn man auch sehen könne, dass sowohl Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) als auch Babler in einer Zeit, in der es darum ging, die Parteien zusammenzuhalten, auf Männer gesetzt hätten. Während sie die ÖVP als konservativ und "schwankend, was Frauen angeht" bezeichnet, zeigt sich Sauer überzeugt, dass die SPÖ bei einer eventuellen erneuten Regierungsbeteiligung einen großen Frauenanteil aufweisen würde.
Im Allgemeinen bleibe es für Frauen schwer, in Parteien Fuß zu fassen. Notwendig sei ein Blick auf die Geschichte, seien die Parteifamilien doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, als Frauen kein Wahlrecht besaßen. So hätten sie sich als Männerdomänen entwickelt, männliche Seilschaften entstanden zwischen Länder- und nationaler Ebene sowie in der Sozialpartnerschaft.
Bevorzugt werden bei der Postenvergabe schließlich jene, die am längsten dabei sind, rund um die Uhr verfügbar sind und am Abend noch mit Kollegen ein Bier trinken gehen, so Sauer. Für Frauen, die zu Hause oft Sorgepflichten übernehmen müssen, sei das schwierig. Frauen würden schließlich wissen, was sie in Parteien erwartet, wenn sie etwa ein Mandat anstreben. Gebe es männliche Strukturen und eine gläserne Decke, so seien sie weniger geneigt, Zeit, Energie und Geld zu investieren. Beispielsweise bei den Grünen, wo Frauen eine fifty-fifty Chance hätten, sei das anders.
Aber auch Frauen, die bereits an der Spitze sind, sind vor geschlechtsspezifischen Problemen nicht gefeit: Ein Beispiel ist die nach einer von ihrem Kritiker Hans Peter Doskozil angestoßenen internen Wahl an der SPÖ-Spitze abgelöste Rendi-Wagner - mit ihr habe nur so umgegangen werden können, weil sie eine Frau sei, nahm Sauer u.a. auf die Zwischenrufe während ihrer Zeit als Vorsitzende Bezug. Die SPÖ müsse viel innerparteiliche Arbeit leisten, um eine Frau als Vorsitzende zu akzeptieren.
Rendi-Wagner hätte es wiederum verabsäumt, sich eine "Hausmacht" aufzubauen, was etwa Angela Merkel in Deutschland gelungen sei. Diese hätte Angriffe auf sie abwehren können. Gefehlt hat Sauer aber auch eine laute Stimme der Frauenorganisation der SPÖ: Schon viel früher hätte man sagen können: "So geht das nicht, so kann nicht man mit einer Parteivorsitzenden umgehen."
Doch auch bei der Bevölkerung haben es Politikerinnen schwerer: Einem Bericht der UN-Entwicklungsagentur UNDP vom Juni zufolge glaubt weltweit die Hälfte der Menschen, dass Männer die besseren Politiker seien. Eine Ansicht, die laut Sauer auch in Österreich verbreitet sei. Frauen würde etwa unterstellt, nicht machtbewusst genug zu sein, auch erhalten sie bei Wahlen weniger Vorzugsstimmen als Männer.
Seit Mitte der 1980er-Jahre bemerkt die Politikwissenschafterin aber auch positive Veränderungen - vor allem durch freiwillige Quoten, die sich einige Parteien auferlegten. Das hätte unter anderem den Frauenanteil des Parlaments nachhaltig gesteigert. Dieser lag bis 1986 immer unter 10, jetzt bei rund 40 Prozent. Positiv sieht sie etwa das Reißverschlusssystem der Grünen. Sie plädiert dafür, nicht auf "Mann, Frau, Mann, Frau" sondern auf "Frau, Mann, Frau, Mann" zu setzen.
Quoten könnten auch weiterhin Veränderung schaffen, ist Sauer überzeugt. Sie plädiert für eine gesetzliche Quote, auf deren Nichteinhaltung eine Strafe folgt. Diese könne als Reißverschluss Form annehmen und festlegen, "dass die erste Position auf Wahllisten eine Frau haben muss." Auch alle Parteiämter sollen quotiert besetzt werden, denkt sie etwa eine Doppelspitze aus einem Mann und einer Frau an. Parteien könnten für einen hohen Frauenanteil außerdem belohnt werden. Quotenregelungen brauche es aber nicht nur in der Politik, sondern auch in der Sozialpartnerschaft.
Neben der Einführung von Quoten müsse der Staat auch gegen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vorgehen und etwa Väter davon überzeugen, "dass es sehr schön sein kann, sich um sein Kind zu kümmern". Sorgearbeit müsse gesellschaftlich anerkannt und geschlechterparitätisch aufgeteilt werden. Dann werde es einfacher, "dass Frauen nicht mehr automatisch aus dem Beruf aussteigen."
Blickt man auf die Sonntagsfragen der letzten Wochen, so liegt die Vermutung nahe, dass eine Förderung von Frauen in der Politik auf diese Weise eher unpopulär ist - liegt doch die FPÖ, die sich gegen Quoten ausspricht und in deren Nationalratsteam vier von 30 Mandaten mit Frauen besetzt sind, deutlich auf Platz eins. "Rechte Parteien sprechen nun auch viel mehr Frauen an", sagt Sauer. Dass der Grund dafür die Beliebtheit eines traditionellen Frauenbildes sei, glaubt die Politikwissenschafterin aber nicht. Vielmehr würde die Partei mit simplen Erklärungen in Krisenzeiten Wählerinnen und Wähler gewinnen.
Zusammenfassung
- Im Allgemeinen bleibe es für Frauen schwer, in Parteien Fuß zu fassen.
- Eine Ansicht, die laut Sauer auch in Österreich verbreitet sei.
- Positiv sieht sie etwa das Reißverschlusssystem der Grünen.
- Sie plädiert dafür, nicht auf "Mann, Frau, Mann, Frau" sondern auf "Frau, Mann, Frau, Mann" zu setzen.
- Quoten könnten auch weiterhin Veränderung schaffen, ist Sauer überzeugt.
- "Rechte Parteien sprechen nun auch viel mehr Frauen an", sagt Sauer.