Péter Magyar: Ungarn haben genug von Regierungskorruption
"Bei den Aktionen geht es nicht um Péter Magyar. Es geht vielmehr darum, dass die Ungarn genug haben von der Korruption der Regierung, der Lügenpropaganda, der kreierten Spaltung des Landes", erklärte der 43-Jährige in einem schriftlichen Interview gegenüber der APA. Dabei hätten die Protestaktionen gezeigt, dass "die Menschen in Ungarn bereit sind, sich für ein neues, demokratisches, friedliches und modernes europäisches Ungarn einzusetzen".
Mit ihrer Teilnahme an den Demonstrationen bringen viele Menschen ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass Magyar etwas bewirken könne - und bezeichnen ihn als "Messias", der Ungarn retten werde. Optimistisch war seine Antwort auf die Frage nach Ängsten, diese Erwartungen nicht erfüllen zu können: "Für den Einzelnen ist alles schwer, für viele ist nichts unmöglich", betonte Magyar und zitierte damit den bekannten ungarischen Reformer des 19. Jahrhunderts, Graf István Széchenyi.
"Wir werden unsere Heimat zurückerobern, Schritt für Schritt, und Stein um Stein ein neues Ungarn errichten." Laut Magyar werde das "ein langer und schwerer Kampf, doch wir werden siegen".
Der aktuell gefährlichste Gegner Orbáns bereist seit Mittwoch das Land, um die Menschen für seine neue Partei "Respekt und Freiheit" (TISZA) zu gewinnen. Auf der Agenda des Roadtrips stehen Versprechen vor allem für die Menschen in der Provinz. "Wir wollen die künstlich aufrechterhaltene Spaltung zwischen Budapest und der Provinz abschaffen und für eine lebenswerte ungarische Provinz arbeiten." Dafür stünde seine neue Partei "Respekt und Freiheit", die ein umfassendes Programm für die Rehabilitation der Dörfern verkündet. "Wir werden dafür arbeiten, dass auch den Menschen in den kleinsten Dörfern hinsichtlich Unterricht, Gesundheitswesen und sonstigen Dienstleistungen ein Niveau garantiert wird, das jenem in Budapest ähnlich ist", betonte Magyar.
Der Oppositionspolitiker hatte den Kampf gegen Orbán und seine rechtsnationale Regierungspartei Fidesz, gegen Korruption und Günstlingswirtschaft verkündet. Jüngste Meinungsumfragen attestieren ihm dabei Zuspruch, der auf dem Niveau der größten Oppositionspartei Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány sein soll. Laut den Untersuchungen kommen seine Anhänger zunächst vor allem aus den Reihen der Oppositionsparteien. "Wir sind von Woche zu Woche immer mehr, und ich glaube, dass im entscheidenden Moment die Mehrheit der Ungarn auf unserer und der Seite eines neuen Ungarn stehen wird."
Hinsichtlich der Wahlen scheint die Eigendynamik von Magyar und seiner Partei erfolgreich. Damit scheinen die durchaus kostspieligen Angriffe des Machtapparates und der Opposition der Popularität von Magyar bis dato keinen Abbruch zu tun. Die Werbekampagnen und Äußerungen der Regierungspartei stellen ihn immer wieder als "Verräter" und "gewalttätig" in der Familie dar. Auf die Frage, ob der Machtapparat noch schwerere Geschütze gegen ihn auffahren werde oder er noch "Munition" für einen Gegenangriff besäße, unterstrich Magyar: "Die TISZA-Partei wird nicht an dem mit gemeiner Lügenpropaganda geführten Kampf teilnehmen. Wir bieten den Menschen vielmehr eine Alternative, die eines glücklichen, friedlichen, lebenswerten Ungarn."
Mit seiner Partei "Respekt und Freiheit", die laut Magyar weder links noch rechts ist, tritt er bei den EU-Wahlen an. Er ist optimistisch hinsichtlich der Chancen auf Stimmen, auf Mandate. "Laut jüngsten Meinungsumfragen kann sich TISZA 20 Prozent der Stimmen holen, und das nach nur einer Woche nach Eintragung der Partei in die Wahlliste, wobei die wahre Wahlkampagne erst jetzt beginnt." Nach einem Wahlerfolg wolle TISZA um Aufnahme in die Europäische Volkspartei (EVP) ersuchen. Meinungsumfragen sagen der Partei aktuell drei der Ungarn zustehenden 21 Mandate voraus. Kritiker werfen allerdings Magyar, der jahrelang in Brüssel als Diplomat tätig war, auch "Aversionen" gegen die Europäische Union vor. "Wir bereiten uns auf eine konstruktive, jedoch kritische Beziehung vor. Wir würden uns umgehend der Europäischen Staatsanwaltschaft anschließen (dies hatte Orbáns Regierung bisher abgelehnt, Anm.), glauben aber zugleich an ein auf starken Mitgliedsstaaten basierendes starkes Europa."
Mit Blick auf die Parlamentswahlen 2026 möchte Magyar eine dritte Kraft schaffen, damit keine Partei allein regieren könne und zu einer Koalition gezwungen würde. Aktuell erklärte der Jurist: "Wir denken nicht an eine Koalition. Denn die TISZA-Partei wird die wahre Alternative zur Orbán-Regierung sein."
(Das Gespräch führte Harriett Ferenczi/APA)
ZUR PERSON:
Der Jurist Péter Magyar (43) war lange im Umkreis der rechtsnationalen Regierungspartei Fidesz von Premier Viktor Orbán tätig, bekleidete hohe Posten in regierungsnahen Unternehmen. Bis er im heurigen Februar begann, Orbán und seine Regierung massiv zu attackieren. Magyar ist der Ex-Mann von Orbáns ehemaliger Justizministerin Judit Varga, die wegen eines Skandals rund um die Begnadigung des Helfershelfers eines Pädophilen zurücktreten musste. Magyar hatte jüngst eine Tonaufnahme von einem privaten Gespräch mit Varga veröffentlicht, mit brisanten Informationen über Interna des Machtapparates. Bei Demonstrationen konnte der aufstrebende Oppositionspolitiker Hunderttausende Menschen mobilisieren. Magyar tritt mit seiner eigenen Partei "Respekt und Freiheit" (TISZA) bei den Europa- und Kommunalwahlen am 9. Juni an. Er ist Vater von drei Kindern und stammt aus einer bekannten Politiker- und Juristenfamilie. Sein Großonkel war der frühere Staatspräsident Ferenc Mádl.
Zusammenfassung
- Péter Magyar, der ehemalige Fidesz-Insider und Ex-Ehemann der Justizministerin, hat sich mit seiner Partei 'Respekt und Freiheit' (TISZA) gegen die Regierung Orbán gestellt.
- Bei landesweiten Demonstrationen mobilisierte er Hunderttausende und verspricht, die Spaltung zwischen Budapest und der Provinz zu überwinden.
- Meinungsumfragen zeigen für TISZA einen starken Zuspruch, der auf dem Niveau der größten Oppositionspartei liegt, und prophezeien drei der 21 ungarischen EU-Mandate.
- Magyar plant, seine Partei nach einem Erfolg bei den EU-Wahlen in die Europäische Volkspartei (EVP) zu führen.
- Trotz Kritik an seiner EU-kritischen Vergangenheit bekennt sich Magyar zu einem starken Europa und möchte Ungarn der Europäischen Staatsanwaltschaft anschließen.