Ungar Várhelyi zunächst nicht als EU-Kommissar angenommen
Várhelyi hat nun 24 Stunden Zeit, weitere Fragen schriftlich zu beantworten. Am kommenden Montag soll seine Anhörung dann erneut bewertet werden. Der Ungar soll im Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Ressort für Gesundheit und Tierschutz übernehmen. Die Abgeordneten der zuständigen Parlamentsausschüsse für Umwelt und Landwirtschaft konnte er am Mittwochabend allerdings nicht davon überzeugen, dass er die nötigen Kenntnisse im Bereich der Gesundheitspolitik mitbringt. Sie äußerten zudem Bedenken wegen seiner Position zum Abtreibungsrecht, das Ungarn unter Regierungschef Viktor Orban eingeschränkt hatte.
Er habe nicht überzeugt, "in seinen Antworten macht Kommissarsanwärter Várhelyi klar, dass Wettbewerbsfähigkeit für Massentierhaltung Priorität vor Tierschutzmaßnahmen hat. Er geht sogar so weit, vorzuschlagen, die EU-Tierschutzstandards an Drittstaaten anzupassen und damit das Tierschutzniveau in der EU de facto zu verringern", so der österreichische Europaparlamentarier Thomas Waitz (Grüne) in einem der APA übermittelten Statement. Seine Bilanz der vergangenen fünf Jahre sei "zweifelhaft" und auch seine Ansichten zu Abtreibung ließen "ernsthafte Zweifel" an der Eignung Várhelyis aufkommen.
Im Parlament hat sich Várhelyi auch in seiner bisherigen Amtszeit als Kommissar für die EU-Erweiterung Feinde gemacht, als er die Abgeordneten 2023 vor eingeschaltetem Mikrofon als "Idioten" beleidigte. "Ich kann nur wiederholen, dass das nicht für das Europäische Parlament bestimmt war", sagte er in seiner Anhörung. "Ich bereue, was passiert ist, aber ich kann nur eine Entschuldigung anbieten. Ich hoffe, Sie können sie annehmen", fügte er hinzu.
Halten sie auch Várhelyis schriftliche Antworten nicht für ausreichend, können die Abgeordneten seine Kandidatur stoppen. In diesem Fall müsste Ungarns Regierungschef Orban einen Ersatz nominieren, was den Amtsantritt der gesamten neuen Kommission verzögern könnte, denn zuvor muss das Parlament das neue Team von Ursula von der Leyen im Ganzen bestätigen. Die Abstimmung im Plenum ist derzeit für den 27. November geplant.
Die Hearings der Kommissarsanwärter wurden am Donnerstag fortgesetzt, den Auftakt machte der niederländische EU-Kommissarsanwärter Wopke Hoekstra im Wirtschafts- und Währungsausschuss sowie im Umweltausschuss. Die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner äußerte bereits im Vorfeld Kritik an dessen Haltung bezüglich der Besteuerung von Unternehmen sowie seiner strengen Budgetdisziplin und Ablehnung von Maßnahmen zur gemeinsamen Schuldenaufnahme in der EU.
Im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stand die Slowenin Marta Kos, Anwärterin für das Amt der Erweiterungskommissarin, Rede und Antwort. Sowohl ÖVP als auch SPÖ betonten in dem Zusammenhang die Wichtigkeit des Westbalkan für die Europäische Union. Kos müsse "alles tun, um nach Jahren des De-facto-Stillstands wieder greifbare Fortschritte zu erzielen", so Reinhold Lopatka, Delegationsleiter der ÖVP im Europaparlament in einem Statement für die APA. Europa sei ohne den Westbalkan nicht vollständig und "wir riskieren, dass sich andere Einflüsse wie aus Russland, China und der Türkei verstärken und die Demokratie und unsere europäischen Werte in der unmittelbaren Nachbarschaft zurückdrängen". SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder forderte von Kos eine objektive Bewertung von Kandidatenländern wie Albanien. Kos müsse unter Beweis stellen, dass sie sich "nicht wie ihr Vorgänger von den Interessen einzelner Länder leiten lassen wird".
Den Abschluss der heutigen Hearings macht der nominierte Kommissar aus Lettland, Valdis Dombrovskis. Das bisherige Kommissionsschwergewicht erhält mit Produktivität und Wirtschaft erneut ein Schlüsselressort. Regner erwartete sich von ihm unter anderem ein Bekenntnis für mehr öffentliche Investitionen, ließ sie im Vorfeld wissen.
Die EU-Kommission schlägt Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung des EU-Rechts. Alle 27 EU-Staaten durften für die Neuaufstellung der Brüsseler Behörde mindestens eine Kandidatin und einen Kandidaten nominieren. Die designierten Kommissare werden von den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört, bevor das Plenum über das gesamte Personalpaket abstimmt.
Zusammenfassung
- Olivér Várhelyi, der ungarische Kandidat für die EU-Kommission, muss nach einer dreistündigen Anhörung eine zweite Runde durchlaufen, da er nicht die nötige Zustimmung erhielt.
- Várhelyi hat 24 Stunden Zeit, um weitere Fragen schriftlich zu beantworten, da seine bisherigen Antworten in den Bereichen Gesundheitspolitik und Tierschutz nicht überzeugten.
- Sollten die Abgeordneten seine schriftlichen Antworten nicht für ausreichend halten, könnte seine Kandidatur gestoppt werden, was den Amtsantritt der neuen Kommission verzögern könnte.