Das sind die Vorzugsstimmen-Abräumer
Was Vorzugsstimmen angeht, ging es wohl am heißesten in Wien her. Der SPÖ-Rebell Nikolaus Kowall, der SPÖ-Chef werden wollte, dann aber für Andreas Babler Platz machte, führte einen expliziten Vorzugsstimmen-Wahlkampf.
"System nicht zu knacken"
Er erzielte damit einen Achtungserfolg, in den Nationalrat wird er nicht einziehen. Wie Kowall selbst auf "X" schrieb, bestand seine "Kampagne" aus Interviews, Lesungen, Veranstaltungen und "extrem motivierten Freiwilligen". 7.589 "hart erkämpfte" Vorzugsstimmen hat er auf der Landesliste gesammelt - mehr als doppelt so viele wie die SPÖ-Wien-Spitzenkandidatin Doris Bures.
https://twitter.com/nikowall_/status/1840701859880714483
Er landete auf Platz 1 in der SPÖ und insgesamt auf Platz 2 hinter der Grünen-Spitzenkandidatin in Wien, Alma Zadić, die auf Landesliste 8.085 und im Regionalwahlkreis 7.090 und damit die meisten Vorzugsstimmen in der Hauptstadt holte.
Im Regionalwahlkreis hätten Kowall 2.978 Menschen angekreuzt, "16 Prozent aller Leute, die dort SPÖ gewählt haben", wie Kowall schrieb. Gereicht hat das alles nicht: "Ich glaube nicht, dass das System zu knacken ist", so Kowall. Im Land startete er von Platz 20, im Bund von Platz 27.
Seine Parteikollegin und zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, gegen die Kowall seinen Wahlkampf auch führte, punktete dafür in ihrem Regionalwahlkreis. 6.151 Vorzugsstimmen konnte sie dort ohne Wahlkarten holen. Damit hätte sie die 14-Prozent-Hürde geschafft - sie zieht aber ohnehin in den Nationalrat ein, war sie doch in Wien Listenerste.
Für ein Vorreihung sind grundsätzlich sieben Prozent der Wählerstimmen auf der Bundespartei-, zehn Prozent auf der Landes- und 14 Prozent auf der Regionalparteiliste nötig.
- Mehr lesen: Wie funktioniert eine Vorzugsstimme?
Im Regionalwahlkreis "Wien Nord" versuchte SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar eine Vorzugsstimmen-Kampagne, blieb mit 2.405 Stimmen aber hinter der dort erstgereihten Pia Maria Wieninger.
Sachslehner und Lugner scheitern wohl
Ebenfalls einen expliziten Vorzugsstimmenwahl in Wien führte die ehemalige ÖVP-Generalsekretärin und Laura Sachslehner. Sie setzte sich für einen harten Rechtskurs ihrer Partei ein, konnte damit aber offenbar nicht überzeugen. Die 30-Jährige sammelte auf Landesebene nur 709 Stimmen, auf Regionalebene 1.039.
https://twitter.com/l_sachslehner/status/1840721734795718914
Bei der ÖVP-Wien war der Nationalratsabgeordnete Nico Marchetti mit 1.186 Stimmen am erfolgreichsten, der aber ohnehin Landeslistenplatz 2 belegte.
Gescheitert sein dürfte FPÖ-Kandidat Leo Lugner (ehemals Kohlbauer). Er schaffte über die Wiener Landesliste nur 2.037 Vorzugsstimmen, im Regionalwahlkreis kam er auf 3.853. Der Politiker, der heuer die Tochter des kürzlich verstorbenen Richard Lugner heiratete, steht aber auf der FPÖ-Bundesliste auf Platz 25. Wegen des starken Abschneidens der Blauen hat er dort noch kleine Chancen auf den Platz im Nationalrat.
Überraschung in Salzburg
Eine Überraschung gelang hingegen in Salzburg: Erstmals seit 1992 holte dort eine Kandidatin auf der Regionalwahlkreisliste die notwendigen 14 Prozent an Parteistimmen für eine Vorreihung auf Platz 1. Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek von der FPÖ, die 6.222 Vorzugsstimmen sammelte, hätte damit Anspruch auf das FPÖ-Grundmandat. Sie wird es aber nicht annehmen. Auf der Ebene der Landeslisten schaffte keine Kandidatin bzw. kein Kandidat ein vierstelliges Ergebnis an Vorzugsstimmen.
Hörl ist wütend
In Tirol hatte vor allem der ÖVP-Kandidat Franz Hörl für Aufsehen gesorgt. Der bisherige Nationalrat und Sprecher der Seilbahnwirtschaft zeigte sich schon vor der Wahl frustriert, dass er nur auf Platz 21 der Bundesliste gereiht wurde. Das sind immerhin mehr als sein Bundesparteiobmann Karl Nehammer mit 3.128. Hörl dürfte vorrücken, aber dennoch vor dem Nationalrats-Aus stehen.
Gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" teilte er auch gleich gegen die eigene Partei aus: Die Tiroler ÖVP sei "längst nicht mehr bei unseren Leuten und deren Sorgen", wurde er zitiert. Im Wahlkampf habe er wenig Einsatz gespürt. "Vielleicht ist jetzt endlich der richtige Zeitpunkt da, sich auch über die getroffenen Entscheidungen Gedanken zu machen", richtete er dem Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle aus. Ansonsten punkteten in Tirol Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) und der FPÖ-Kandidat Christoph Steiner.
NÖ: Tanner vor Karner
Auch interessant: In Niederösterreich hat Klaudia Tanner ihren ÖVP-Parteikollegen Innenminister Gerhard Karner auf der Landesliste in Sachen Vorzugsstimmen überflügelt. Bei den Grünen deklassierte Umweltministerin Leonore Gewessler auf der Bundesliste ihren Parteichef Vizekanzler Werner Kogler.
Aus den restlichen Bundesländern liegen derzeit noch keine Vorzugsstimmenergebnisse vor oder es kam zu keinen nennenswerten Aufälligkeiten. Das endgültige bundesweite Vorzugsstimmenergebnis wird am Donnerstag feststehen.
Viele Verlierer: Parteichefs angezählt
Zusammenfassung
- Noch sind nicht alle Vorzugsstimmen ausgezählt, doch schon jetzt zeichnet sich ab: Alle, die explizit einen Vorzugsstimmenwahlkampf führten, werden wohl scheitern.
- Überraschen konnte die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek. Sie erreicht als erste Kandidatin seit 1992 ein Direktmandat, wird es aber nicht annehmen.
- Nikolaus Kowall (SPÖ), Laura Sachslehner (ÖVP), Franz Hörl (ÖVP) und Leo Lugner (FPÖ) werden eher nicht in den Nationalrat kommen.
- Aus den restlichen Bundesländern liegen derzeit noch keine Vorzugsstimmenergebnisse vor. Das endgültige bundesweite Vorzugsstimmenergebnis wird am Donnerstag feststehen.