Metsola will Österreich von Schengen-Erweiterung überzeugen
"Vor elf Jahren haben EU-Kommission und EU-Parlament die Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens im Schengen-Raum begrüßt", sagte Metsola in einem Interview im Vorfeld ihres Besuchs am Donnerstag und Freitag. "Ich verstehe, dass Österreich Bedenken hat, aber ich möchte überzeugen, dass wir einen Ausweg finden können."
Regierung fürchtet illegale Migration
Die Auswirkungen auf die Bürger der beiden Länder seien enorm, betonte die konservative Politikerin, die wie die ÖVP der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört. Österreich und die Niederlande hatten den Beitritt Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum blockiert. Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) argumentierten mit einer hohen Anzahl an illegalen Grenzübertritten.
In der Migrationsfrage zeigt sich Metsola zuversichtlich, bald eine Einigung auf den von der EU-Kommission vorgelegten Asyl- und Migrationspakt zu erzielen. "Ich würde sagen, wir haben die bestmöglichen Fakten auf dem Tisch", sagte die 44-jährige Malteserin.
"Was ich nicht will, ist, dass wir scheitern und die Länder dann keine andere Möglichkeit haben, als die Binnengrenzkontrollen wieder einzuführen." Dass Österreich derzeit Grenzkontrollen zu Slowenien durchführt, wollte sie nicht kommentieren.
Ohne Einigung ein "schwieriger Sommer"
Es sei zwar "rechtlich und politisch" nachvollziehbar, allerdings müsse man versuchen "ein Gleichgewicht" zu finden, wen man ins Land lasse, betonte Metsola mit Blick auf Schutzbedürftige und fehlende Arbeitskräfte in Europa.
Falls es keine Einigung - zumindest in den "großen Dossiers" des Pakts - gebe, "dann haben wir einen sehr schwierigen Sommer vor uns und eine sehr emotionale Debatte" in Bezug auf die Europawahlen im Juni 2024, sagte die EU-Parlamentspräsidentin.
Migration ist ein Thema, das besonders von rechten Parteien forciert wird. Auf die Frage nach einem möglichen Rechtsruck bei den kommenden EU-Wahlen, bekräftigte Metsola: "Ich denke, wir haben Fehler in der Vergangenheit gemacht, wir haben den Aufstieg der Extreme ignoriert."
Sie plädierte für eine "konstruktive pro-europäische Mitte", die auch die "schwierige Diskussion" über Migration führt, und schloss indirekt auch die Zusammenarbeit mit den Rechten aus.
Metsola gegen rechte oder linke Mehrheit
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte eine Allianz der EVP mit der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR) in Hinblick auf die EU-Wahl ins Spiel gebracht. Der EKR-Fraktion im EU-Parlament gehören unter anderem die postfaschistische Partei Fratelli d ́Italia (FdI) der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, die polnische Regierungspartei PiS sowie die spanische Vox-Partei an.
Metsola betonte zwar, sie wolle "nicht über interne Parteipolitik oder Allianzen spekulieren", erklärte aber gleichzeitig: "Wenn wir eine Mehrheit haben, die sich zwischen EVP, der SD (Sozialdemokraten) und den Liberalen halten kann, dann wäre das der richtige Weg."
Was nicht funktionieren würde, so die EU-Parlamentspräsidentin weiter, wäre eine rechte oder linke Mehrheit. Sie erwähnte zudem die türkis-grüne Regierung in Österreich als Bündnis, das sich auch andere Länder anschauen sollten.
Kritik an der EVP
Auf EU-Ebene sorgte zuletzt jedoch die EVP mit ihrer teilweisen Abkehr vom "Green Deal" für Spannungen - vor allem mit den Grünen. Ob sie die Position ihrer europäischen Parteikollegen unterstütze? "Es war bereits eine ziemliche Herausforderung, Mehrheiten für das Emissionshandelssystem und für den zivilen und sozialen Klimafonds zu finden ... aber es wurden Kompromisse gefunden."
Die EVP wehrt sich vor allem gegen eine neue Pestizidverordnung und das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. "Österreicher haben mich schon vor Monaten darauf aufmerksam gemacht", dass das ein Problem sein könnte, so Metsola. Die Ablehnung in diversen EP-Ausschüssen sei "ein Weckruf für uns alle, zu schauen, was wir auf dem Tisch haben, was verbessert werden kann, was repariert werden kann".
Debatte um Beitrittsgespräche der Ukraine
Ebenfalls umstritten ist die rasche Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Ukraine. Metsola hofft, dass dies noch heuer geschehen wird. Natürlich müssten die einzelnen Länder ihre Hausaufgaben machen, aber das Tempo der Ukraine sei hoch, so die EU-Parlamentspräsidentin. "Wir müssen dieses Tempo mitgehen. Wir müssen zeigen, dass wir dieser Aufgabe gewachsen sind." Über den Zeitplan wolle sie nicht spekulieren, ihr Heimatland Malta habe über ein Jahrzehnt für den EU-Beitritt gebraucht.
Malta ist wie Österreich neutral. "Die Debatte hat sich geändert", so Metsola. Sie betonte den Unterschied zwischen militärischer und ethischer Neutralität. Österreich habe seine Türen für ukrainische Flüchtlinge geöffnet und unterstütze die Sanktionen gegen Russland.
Reaktion auf Bestechungsskandal
Metsola reist Donnerstag und Freitag nach Österreich, wo sie unter anderem mit Bundespräsident Alexander van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zusammentreffen wird. Ihr Besuch diene auch dazu, "die Wähler zu bitten, uns danach zu beurteilen, wie wir auf diesen sehr schwerwiegenden und schockierenden" Korruptionsskandal reagiert haben, sagte die EU-Parlamentschefin.
In dem Ende 2022 öffentlich gewordenen Bestechungsskandal geht es um mutmaßliche Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch die Regierungen von Katar und Marokko. Den Beschuldigten wird von der Staatsanwaltschaft Korruption und Geldwäsche vorgeworfen.
Der Skandal sei ein "Weckruf, dass dieses Parlament viele Jahre lang verwundbar war und diese Verwundbarkeit missbraucht wurde". Sie könne nicht sagen, dass das nie wieder passieren werde, aber "wir haben Firewalls eingerichtet, damit die Alarmglocken früher läuten".
Zusammenfassung
- EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola will Österreich von der Erweiterung des grenzkontrollfreien Schengen-Raums überzeugen.
- "Vor elf Jahren haben EU-Kommission und EU-Parlament die Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens im Schengen-Raum begrüßt", sagte Metsola in einem APA-Interview im Vorfeld ihres Besuchs am Donnerstag und Freitag.
- "Ich verstehe, dass Österreich Bedenken hat, aber ich möchte überzeugen, dass wir einen Ausweg finden können."