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Mehr als 50.000 Armenier aus Berg-Karabach geflohen

Seit der militärischen Eroberung des Gebiets Berg-Karabach sind über 50.000 Menschen aus der Region geflüchtet.

Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien in der Region Berg-Karabach ist militärisch entschieden.

Die armenische Bevölkerung flüchtet aus der Region. Beobachter:innen rechneten schon kurz nach der Eskalation in Berg-Karabach mit einem "Massen-Exodus". Viele befürchten aber weiterhin Gewalt bis hin zum Genozid. In den Sozialen Medien gibt es Berichte über Gewalt der Truppen Aserbaidschans an der armenischen Bevölkerung.

Bevölkerung flüchtet aus Angst

Die Straßen, die sich in Serpentinen von Berg-Karabach nach Armenien schlängeln, sind voller Menschen. Viele verbringen die Nächte entlang des sogenannten Latschin-Korridors in ihren Autos und in Bussen. Andere suchen am Straßenrand Holz, um ein Feuer zu machen und sich aufzuwärmen. "Ich habe alles zurückgelassen. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Ich habe nichts", sagte Vera Petrosjan, eine 70-jährige pensionierte Lehrerin.

Die meisten Vertriebenen Karabach-Armenier treffen in der armenischen Stadt Goris ein, der ersten Anlaufstelle hinter der Grenze. In der 20.000-Einwohnerstadt bildeten sich lange Schlagen vor Geschäften mit Telefonkarten. Unter den Flüchtlingen befanden sich vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen.

In Goris bereiten sich Teams von Ärzte ohne Grenzen darauf vor, Geflüchtete psychologisch zu betreuen, und sind bereit, die Hilfe anzupassen, wenn mehr Menschen kommen und sich der Bedarf ändert. "Die Menschen in dieser Region waren neun Monate lang isoliert und von lebenswichtigen Gütern, Nahrungsmitteln sowie medizinischer und humanitärer Hilfe abgeschnitten", erklärte Franking Frias, Einsatzleiter in Armenien, in einer Aussendung. "Sie saßen inmitten von Bombardements und Schüssen in der Falle und waren gezwungen, eine herzzerreißende Entscheidung zu treffen: entweder ihr Leben zu riskieren und zu Hause zu bleiben oder auf der Suche nach Sicherheit alles zurückzulassen." 

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Andauernder gewaltsamer Konflikt

In Berg-Karabach, das international als Teil Aserbaidschans anerkannt wird, lebten bisher knapp 120.000 ethnische Armenier, sie stellten klar die Bevölkerungsmehrheit. Seit Jahrzehnten war die Region zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten.

Nach einem Krieg Anfang der 90er Jahre hatten die Armenier die Kontrolle. Nach einem weiteren Krieg 2020 hatte Aserbaidschan Teile Berg-Karabachs und besetzte aserbaidschanische Gebiete zurückerobert. Jerewan wirft Baku vor, nun eine "ethnische Säuberung" zu planen, nachdem Aserbaidschan dort vergangene Woche eine großangelegte Militäroffensive gestartet hatte.

Aserbaidschan lässt keine Beobachter in Region

In Brüssel beraten aktuell Vertreter:innen beider Länder zu dem Konflikt. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und auch US-Außenminister Antony Blinken forderten den Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Aliyev, auf, Beobachter in der Region zuzulassen. 

Ein Sprecher des Außenministeriums sagte im Anschluss, dass Aliyev eine Mission akzeptieren würde. Die USA erwarteten, dass er sich daran sowie an die Zusage halte, keine weiteren militärischen Maßnahmen zu ergreifen. 

Bei der Militäroffensive Aserbaidschans wurden nach Angaben aus Baku vom Mittwoch 192 aserbaidschanische Soldaten und ein Zivilist getötet. Mehr als 500 weitere aserbaidschanische Soldaten seien zudem verletzt worden, erklärte das Gesundheitsministerium. Die pro-armenische Seite hatte 213 Tote der Kämpfe vermeldet. Somit wurden bei der Militäroffensive insgesamt mehr als 400 Menschen getötet.

"Staatsminister" festgenommen

Wie der aserbaidschanische Grenzschutz mitteilte, ist ein Ex-Angehöriger der separatistischen Führung von Berg-Karabach auf dem Weg nach Armenien festgenommen worden. Der frühere "Staatsminister" Ruben Wardanjan sei festgesetzt, worden als er die Region verlassen wollte, hieß es. Wardanjan, ein Milliardär und Investmentbanker, war von November 2022 bis Februar 2023 Teil der Führung Berg-Karabachs ("Republik Arzach") gewesen.

Er sei in die Hauptstadt Baku gebracht worden, wo die Behörden über das weitere Vorgehen entschieden, so der Grenzschutz der staatlichen Nachrichtenagentur Azertac zufolge. In der Mitteilung des Grenzschutzes wird Wardanjan die illegale Einreise nach Aserbaidschan vorgeworfen. Ob es weitere Anschuldigungen gegen den 55-Jährigen gibt, ist unbekannt. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus aserbaidschanischen Regierungskreisen erfuhr, suchen Grenzbeamte nach Verdächtigen, die für "Kriegsverbrechen" verantwortlich gemacht werden und die strafrechtlich verfolgt werden müssten.

ribbon Zusammenfassung
  • Seit der militärischen Eroberung des Gebiets Berg-Karabach sind über 50.000 Menschen aus der Region geflüchtet.
  • Deutschland und die USA appellieren an Aserbaidschan, Beobachter in der Region zuzulassen.
  • Wie der aserbaidschanische Grenzschutz mitteilte, ist ein Ex-Angehöriger der separatistischen Führung von Berg-Karabach auf dem Weg nach Armenien festgenommen worden.