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Machtkampf in Russland: "Putin verzeiht Verrätern nicht"

Was geschieht mit Prigoschin, was bedeutet der Marsch auf Moskau für Putin? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den aktuellen Entwicklungen in Russland.

Es waren bemerkenswerte anderthalb Tage in Russland. Präsident Wladimir Putin sah sich mit der Bedrohung eines bewaffneten Aufstands in der Hauptstadt konfrontiert. Erst ein überraschendes Abkommen mit Belarus stoppte die Meuterei und entschärfte die Krise so schnell, wie sie begann. Putin ist laut Experten dennoch geschwächt wie nie zuvor. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was gibt es Neues?

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin erklärte am Samstag, Russland zu verlassen und nach Belarus zu gehen – offenbar auf Vermittlung von Präsident Alexander Lukaschenko. Die Vereinbarung beinhaltet, dass die Truppen umdrehen und an die Front zurückkehren.

Weder Prigoschin noch die Soldaten sollen – entgegen Putins anfänglicher Drohung – nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Wie geht es mit Prigoschin weiter?

"Putin verzeiht Verrätern nicht. Selbst wenn Putin sagt: 'Prigoschin, du gehst nach Belarus, ist er immer noch ein Verräter, und ich denke, Putin wird ihm das nie verzeihen", erklärt Jill Dougherty, ehemalige Chefin des Moskauer Büros von CNN und langjährige Expertin für russische Angelegenheiten.

Es ist möglich, dass Prigoschin "in Belarus getötet wird", ergänzt sie. Aber es sei ein schwieriges Dilemma für Moskau, denn solange Prigoschin "irgendeine Art von Unterstützung hat, ist er eine Bedrohung, egal wo er ist".

Dem stimmt auch Russland-Experte Gerhard Mangott im PULS 24-Interview zu. Putin könne nicht akzeptieren, dass Prigoschin von Belarus aus weiterhin die russische Führung angreife. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass am Ende dieses Stückes Prigoschin noch am Leben oder Putin noch Präsident ist", erklärt Mangott am Sonntagvormittag.

Hat Prigoschin Unterstützung?

Innerhalb der Wagner-Gruppe sehr wahrscheinlich ja. Der pensionierte US-Army-Major Mike Lyons erklärte am Samstag, dass die Gruppe "eine unabhängige Kampfkompanie" mit anderen Bedingungen als das russische Militär sei. Eine vollständige Einbindung in die regulären Truppen sei schwierig.

"Vielleicht werden sich einige abspalten", erklärt Lyons. "Diese Leute sind dem Mann, Prigoschin, treu. Nicht dem Land oder der Mission.“

Was bedeutet das für Putin?

Auch der russische Präsident steht vor Problemen. Mehrere Experten erklärten, dass Putin zwar die Pattsituation überstanden habe, nun aber schwach wirke – nicht nur gegenüber dem Ausland, sondern besonders gegenüber seinem Volk und dem Militär. Auch Mangott sieht Putin sehr geschwächt. Alleine, dass er am Samstagvormittag mit harten Strafen drohte und am Abend alles zurückzog, habe ihn gegenüber der Bevölkerung und dem Militär schwach wirken lassen. Mehr noch, es sei eine Demütigung gewesen.

"Wenn ich Putin wäre, würde ich mir Sorgen über die Menschen auf den Straßen von Rostow machen, die den Wagner-Leuten bei ihrer Abreise zujubeln", erklärt beispielsweise Dougherty gegenüber CNN.

"Warum jubeln Durchschnittsrussen auf der Straße Leuten zu, die gerade versucht haben, einen Putsch durchzuführen?", fragt sich die Expertin. "Das bedeutet, dass sie sie vielleicht unterstützen oder sie mögen. Was auch immer es ist, es ist eine wirklich schlechte Nachricht für Putin."

Was ändert Putin?

Das ist eine Frage, die derzeit nicht final beantwortet werden kann. Personelle Veränderungen im Verteidigungsministerium scheinen laut Kremlsprecher Dmitri Peskow nicht dazuzugehören - es sei nicht Teil der Vereinbarung mit Prigoschin gewesen. Der Wagner-Chef hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow Unfähigkeit vorgeworfen. Mit ihnen sei der Krieg nicht zu gewinnen. Im Zuge der Meuterei forderte er die Übergabe der beiden Herren an ihn.

Die aktuellen Entwicklungen gibt es hier im PULS 24 Liveblog

ribbon Zusammenfassung
  • Es waren bemerkenswerte anderthalb Tage in Russland.
  • Präsident Wladimir Putin sah sich mit der Bedrohung eines bewaffneten Aufstands in der Hauptstadt konfrontiert.
  • Erst ein überraschendes Abkommen mit Belarus stoppte die Meuterei und entschärfte die Krise so schnell, wie sie begann.
  • Putin ist laut Experten dennoch geschwächt wie nie zuvor. Die wichtigsten Fragen und Antworten.