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Letzter Tag der Regionalwahlen in Russland

Unter dem Eindruck des Angriffskrieges gegen die Ukraine haben Millionen Russen über neue Gouverneure, Regionalparlamente und Bürgermeister abgestimmt. Unabhängige Beobachter der vom Kreml als "ausländischer Agent" geächteten Organisation "Golos" registrierten auch am letzten der drei Tage eine Vielzahl von Wahlrechtsverstößen. Arbeitgeber hätten ihre Mitarbeiter zur Stimmabgabe gedrängt, diese bis an die Urne verfolgt. Es habe wie immer auch Mehrfachabstimmungen gegeben.

Die Abstimmung galt als Stimmungstest für den Kreml, der besonders auch durch die ukrainische Offensive auf russischem Gebiet im Raum Kursk und durch den Beschuss von Grenzgebieten unter Druck steht. Bisweilen lag die Wahlbeteiligung aber unter 50 Prozent. Vollständige Ergebnisse werden am Montag erwartet.

"Golos" hatte schon im Voraus erklärt, dass der Machtapparat alles daran setze, vor allem den Vertretern der Kremlpartei Geeintes Russland in politische Ämter zu verhelfen. Kremlchef Wladimir Putin, der selbst online über den neuen Moskauer Stadtrat abstimmte, sagte in einem Video des Kreml, die Wahlen hätten immer "eine große Bedeutung für die politische Stabilität im Land, und heute ist das besonders wichtig".

Insgesamt liefen seit Freitag im flächenmäßig größten Land der Erde rund 4.000 verschiedene Abstimmungen. Mehr als 57 Millionen Menschen waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Eine echte Opposition war bei den Wahlen nicht zugelassen.

Während die für die Einhaltung der Wählerrechte eintretende Organisation "Golos" an den Abstimmungstagen Hunderte Verstöße auflistete, gab die von Putin eingesetzte Wahlleiterin Ella Pamfilowa in Moskau bekannt, dass es keine relevanten Vorfälle gegeben habe. Zugleich kritisierte sie, dass Vertreter anderer Parteien so oft wie nie zuvor durch "unwürdiges" Verhalten aufgefallen seien.

Die Parteimitglieder hätten teils auch die Arbeit der örtlichen Wahlkommissionen gestört, behauptete Pamfilowa. Im Gebiet Brjansk gerieten etwa die Kommunisten wegen "destruktiven" Verhaltens in die Kritik. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow wies die Vorwürfe der Wahlleitung als falsch zurück. Die Partei hatte wie andere zuvor auch beklagt, dass ihren Kandidaten teils die Registrierung verwehrt worden sei.

In 21 Regionen waren Gouverneurswahlen angesetzt, darunter auch in St. Petersburg, der Heimatstadt Putins, wo der wegen Misswirtschaft umstrittene Politiker Alexander Beglow dank der Unterstützung des Kreml mit einer neuen Amtszeit rechnet. Dort wurden besonders viele Manipulationsversuche gemeldet.

Die liberale Oppositionspartei Jabloko, die anders als andere kremlkritische Kräfte nicht verboten ist, kritisierte schon im Vorfeld Druck auf Kandidaten. Die Partei beklagte, dass "Hunderte von unseren Kandidaten auf verschiedenen Ebenen mit Hilfe willfähriger Wahlleitungen und Gerichte nicht zugelassen wurden zu den Abstimmungen unter absurden und ausgedachten Vorwänden". Jabloko hatte dazu aufgerufen, für Frieden und Freiheit sowie für eine Feuerpause in der Ukraine zu stimmen. Insgesamt hatte die Partei nach eigenen Angaben 59 Kandidaten im Land im Rennen.

Das ukrainische Außenministerium kritisierte in einer Mitteilung die auch auf der schon 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim abgehaltenen Wahlen. Der Urnengang sei eine Farce, ein Verstoß gegen internationales Recht. Er habe nichts mit dem Wählerwillen zu tun und sei daher nichtig, teilte das Ministerium mit. Die zur Abstimmung stehenden Politiker seien von ukrainischer Seite in keiner Weise legitimiert. Das Außenministerium kündigte auch eine strafrechtliche Verfolgung jener an, die an der Organisation der Wahlen beteiligt waren.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Wahlen gelten als Stimmungstest für den Kreml, der durch die ukrainische Offensive und den Beschuss von Grenzgebieten unter Druck steht. Die Wahlbeteiligung lag in einigen Regionen unter 50 Prozent.
  • Insgesamt fanden rund 4.000 Abstimmungen statt, zu denen mehr als 57 Millionen Menschen aufgerufen waren. Die liberale Oppositionspartei Jabloko kritisierte Druck auf ihre Kandidaten und rief zur Abstimmung für Frieden und Freiheit auf.