Kosovo: Washington und Berlin fordern Abzug serbischer Truppen
Es dürfe "keine weitere Eskalation" geben, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin am Samstag. Zuvor hatte schon die US-Regierung vor einer "großen serbischen Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo" gewarnt und eine "sofortiger Deeskalation" von Belgrad verlangt.
"Keine weitere Eskalation"
"Es darf zwischen Serbien und Kosovo keine weitere Eskalation geben. Der politische Prozess muss fortgesetzt werden. Und ich appelliere auch an dieser Stelle an Serbien, seine Truppen an der Grenze zu reduzieren", sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Sonntag auf dem kleinen Parteitag der Grünen in München.
Berlin stehe in intensivem Kontakt mit allen Seiten. "Der politische Prozess muss fortgesetzt werden", hieß es von Seiten des deutschen Außenministeriums.
Zuvor hatte bereits die US-Regierung Belgrad aufgefordert, seine an der Grenze zum Kosovo stationierten Truppen abzuziehen. An der Grenze zum Kosovo gebe es "eine noch nie dagewesene Stationierung von fortgeschrittener serbischer Artillerie, Panzern und mechanisierten Infanterieeinheiten", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die Entwicklung sei "sehr destabilisierend".
Der Zweck der serbischen Aufrüstung sei noch nicht klar, aber besorgniserregend. US-Außenminister Antony Blinken habe in einem Telefonat mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić die Notwendigkeit einer "sofortigen Deeskalation und einer Rückkehr zum Dialog" betont.
Konflikt nimmt bedrohliche Ausmaße an
Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo nimmt seit Tagen bedrohliche Ausmaße an. Pristina warf Belgrad vor, mit Militär in Richtung des Kosovos vorgerückt zu sein - und zwar "aus drei verschiedenen Richtungen". Das geht aus einer Mitteilung der kosovarischen Regierung vom Samstagabend hervor, die auch der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail vorliegt.
Das Vorrücken diene "einer möglichen militärischen Aggression gegen die Republik Kosovo".
Serbien habe am Freitag Militär und Polizei in 48 vorgeschobene Operationsbasen entlang der Grenze zum Kosovo geschickt, im serbischen Hoheitsgebiet, einige Kilometer von der kosovarischen Grenze entfernt. Dabei habe Serbien Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht. Kosovo sei in Abstimmung mit internationalen Partnern "entschlossener denn je, die territoriale Integrität zu schützen", hieß es in der Erklärung der Regierung.
Vučić: "Serbien will keinen Krieg"
Vučić dementierte am Samstag im Gespräch mit der "Financial Times" jede Absicht zu einem militärischen Schlag gegen das Kosovo. Er werde vielmehr den Befehl zum Rückzug serbischer Truppen geben, da eine Eskalation bei Belgrads EU-Aspirationen "kontraproduktiv" wäre. Serbien werde nicht seine eigenen jahrelangen Bemühungen zerstören. "Serbien will keinen Krieg", sagte er dem Blatt.
Auslöser der neuen Spannungen war am vergangenen Sonntag der Angriff eines 30-köpfigen, schwer bewaffneten serbischen Kommandotrupps in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica im Nordkosovo auf kosovarische Polizisten. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. Aus US-Sicht war der Angriff mit rund 20 Fahrzeugen, "militärischen" Waffen und Ausrüstung "sehr ausgeklügelt".
Es sehe "nicht so aus, als hätten sich einfach ein paar Leute zusammengetan, um das zu tun", sagte Sicherheitsberater Kirby.
Radoičić bekannte sich zu Angriff
Nach den Zusammenstößen nahm die kosovarische Polizei drei Verdächtige fest. Die Beamten beschlagnahmten zudem ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem nach Behördenangaben hunderte Menschen hätten ausgerüstet werden können.
Der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoičić bekannte sich zu diesem Überfall. Er teilte in einem offenen Brief mit, die Gruppe ohne das Wissen Belgrads organisiert zu haben. Er habe als Reaktion auf den "Terror" der kosovarischen Regierung gegen die örtliche serbische Gemeinschaft gehandelt, erklärte Milan Radoicic. Die Regierung in Prishtina hält einen Alleingang Radoičić' für ausgeschlossen.
Unterdessen durchsuchten am Freitag kosovarische Spezialeinheiten im Norden des Landes Grundstücke des mutmaßlichen Drahtziehers des Angriffs vom vergangenen Wochenende. Das serbische Regierungsbüro für den Kosovo bezeichnete den Einsatz "bis an die Zähne bewaffneter" Beamte als "brutale und exzessive Gewaltdemonstration".
KFOR-Truppe wird aufgestockt
In der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica im Norden fürchteten serbische Einwohner am Wochenende ein härteres Durchgreifen der Behörden. "Ich habe Angst vor Repressionen", sagte ein 38-jähriger serbischer Einwohner der Nachrichtenagentur AFP, der anonym bleiben wollte. Dies sei "kein normales Leben".
Angesichts der angespannten Lage kündigte die NATO an, ihre im Kosovo stationierte KFOR-Friedenstruppe aufzustocken. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigte am Freitag eine entsprechende Verstärkung der KFOR. Großbritannien teilte mit, ein Bataillon mit bis zu 650 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Österreich hat 273 Bundesheer-Soldaten bei der KFOR im Einsatz.
Die überwiegende Mehrheit der 1,8 Millionen Einwohner im Kosovo sind ethnische Albaner. Dazu kommen 120.000 Serben, die vor allem im Norden des Landes leben. 2008 hatte das Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, die von Belgrad jedoch nicht anerkannt wird.
Zusammenfassung
- Angesichts der Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo haben Berlin und Washington den sofortigen Abzug von serbischen Truppen von der Grenze zum Kosovo gefordert.
- Es dürfe "keine weitere Eskalation" geben, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin am Samstag.
- Zuvor hatte schon die US-Regierung vor einer "großen serbischen Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo" gewarnt und eine "sofortiger Deeskalation" von Belgrad verlangt.