Nehammer sieht bei Cobra-Affäre "rote Linie" überschritten
Am Freitag wurde bekannt, dass Beamte der Spezialeinheit Cobra, die zum Personenschutz der Familie von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) angestellt waren, betrunken einen Autounfall verursacht haben sollen.
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Die Affäre weitete sich durch eine parlamentarische Anfrage der SPÖ aus. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner brachte die Anfrage ein und zitiert darin aus Anschuldigungen eines angeblichen Cobra-Beamten, der anonym bleibt. Der Beamte wirft der Familie des Kanzlers vor, die Personenschützer für persönliche Botengänge oder als "Kindersitter" benutzt worden.
In parlamentarischen Anfragen an Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wollen die Oppositionsparteien - basierend auf den anonymen Anschuldigungen - etwa wissen, ob es nach dem Vorfall aus Regierungskreisen eine Kontaktaufnahme mit Cobra-Chef Bernhard Treibenreif gegeben hat. Das Innenministerium kündigte Anzeigen an.
Nehammers "rote Linie"
"Es hat sich etwas massiv verschoben in der Frage des politischen Umgangs miteinander", so Nehammer. Er habe es nicht für möglich gehalten, dass dies in dieser Form geschehen könne. Wenn die parlamentarische Auseinandersetzung auf Kosten der Sicherheit seiner Familie geführt werde, halte er dies für einen "Tiefpunkt".
Das habe er auch der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner gesagt, betonte Nehammer. Durch die Veröffentlichung von Details des Sicherheitskonzepts für seine Familie könnten etwaige Lücken aufgezeigt werden. "Ich finde es traurig, dramatisch und unehrenhaft, nicht den politischen Gegner anzugreifen, sondern meine Kinder und meine Frau und das noch dazu zum Thema Sicherheit." Er lasse sich jedenfalls nicht von seinem Kurs abbringen. "Alles weitere wird der Rechtsstaat klären." Derzeit werde geprüft, ob man Anzeigen einbringe.
Kanzler Nehammer zu Personenschützer-Affäre: Das Statement in voller Länge
Interventionsvorwürfe "niederträchtig"
Die in der Anfrage geschilderten Vorwürfe wies Nehammer zurück bzw. sah sie durch das System des Personenschutzes als unsinnig an. Natürlich würden die Personenschützer etwa seine Kinder zu privaten Terminen begleiten - das sei der Sinn davon. Etwaige Manipulationen bei der Untersuchung der Vorwürfe gegen die Personenschützer habe es nicht gegeben. "Mir zu unterstellen, dass ich interveniert hätte, ist niederträchtig." Die Vorwürfe gegen die Personenschützer selbst müssten im Disziplinarverfahren geklärt werden.
Die FPÖ-Mandatare Hannes Amesbauer und Christian Hafenecker orteten am Montag in einer Aussendung Indizien, "dass der gesamte Vorfall unter den Teppich gekehrt werden sollte". Der Vorfall sei "höchst aufklärungswürdig", hatte zuvor schon der SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner per Aussendung in den Raum gestellt.
Innenministerium kündigt Anzeige an
Am späten Montagnachmittag meldete sich das Innenministerium per Aussendung zu Wort und kündigte an, dass die Direktion für Spezialeinheiten aufgrund "der vorliegenden falschen Behauptungen und der dadurch entstehenden Sicherheitsgefährdungen" Strafanzeigen einbringen werde. Ohne auf die konkreten Vorwürfe einzugehen, wurde betont, dass Personenschutz "eine ernste Notwendigkeit" sei - "niemand kann sich Personenschutz aussuchen".
Vogl zu Personenschützer-Affäre: "Was aufgetaucht ist hat Substanz"
Erich Vogl, "Kronen Zeitung", spricht über die Personenschützer-Affäre.
Dieser basiere ausschließlich auf einer Gefährdungseinschätzung der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und werde zudem "regelmäßig evaluiert und entsprechend der Ergebnisse adaptiert". "Personenschutz ist kein Privileg, sondern eine das Familienleben stark beeinträchtigende Maßnahme", hieß es in der Aussendung.
"Falsche Behauptungen in Kombination mit der Veröffentlichung von Sicherheitskonzepten stellen eine Gefahr für die persönliche Sicherheit betroffener Personen und die generelle Sicherheit in unserem Land dar", meinte das Innenministerium. "Im Sinne der öffentlichen Sicherheit wird dringend an das Verantwortungsbewusstsein aller Entscheidungsträger appelliert, Derartiges zu unterlassen."
Seit Sommer 2020 permanenter Personenschutz
Bei Nehammer seien im Jänner 2020 temporäre Personenschutzmaßnahmen erforderlich geworden, die ab dem Sommer 2020 infolge mehrerer Bedrohungslagen in permanente Maßnahmen adaptiert worden seien. Im November 2020 seien diese Schutzmaßnahmen aufgrund von Bedrohungen auf Nehammers Ehefrau und Kinder ausgeweitet worden.
Die Gefährdungseinschätzung sei auch im Falle des Bundeskanzlers "permanent und lageabhängig aktualisiert" worden. Nach der aktuell vorliegenden Gefährdungseinschätzung vom März 2022 seien sowohl für den Bundeskanzler als auch für dessen Familienmitglieder permanente Personenschutzmaßnahmen erforderlich, hieß es. Der Personenschutz sei "auf ausdrücklichen Wunsch der Familie mit einer geringeren Anzahl an Bediensteten durchgeführt" worden, als dies eigentlich den internen Vorgaben entspreche.
Zusammenfassung
- Kanzler Nehammer hat am Montag in einer etwas skurrilen Pressekonferenz zu Vorwürfen rund um einen Unfall, der von alkoholisierten Personenschützern seiner Familie verursacht worden sei soll, Stellung bezogen.
- Er sah in der parlamentarischen Anfrage der SPÖ eine "rote Linien" überschritten.
- SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner brachte die Anfrage ein und zitiert darin aus Anschuldigungen eines angeblichen Cobra-Beamten, der anonym bleibt.
- Der Beamte wirft der Familie des Kanzlers vor, die Personenschützer für persönliche Botengänge oder als "Kindersitter" benutzt worden.