Nehammer: Gas-Embargo ist "keine intelligente Maßnahme"
Nach dem Massaker im Kiewer Vorort Butscha spricht Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit PULS 24 erstmals über mögliche Konsequenzen: Es brauche eine Untersuchung des Vorfalls durch die Vereinten Nationen und "intelligente Sanktionen", so Nehammer.
"Die Verbrecher gehören zur Rechenschaft gezogen", fordert der Bundeskanzler. Er bekennt sich zu einem "klaren Miteinander" in der EU. Aber er spricht sich gegen ein Importverbot von russischem Gas aus. Das "kommt nicht in Frage", sagt Nehammer, das sei "keine intelligente Maßnahme".
Zwar sei es "furchtbar und eigentlich widerlich", dass man von russischem Gas abhängig sei - aber es sei nun einmal die Realität. Die langfristig geplante Unabhängigkeit vom russischen Gas sei aber auch eine "nachhaltige Konsequenz" für Russland. Kurzfristig sollte man aber keine Sanktionen verhängen, die einem selbst schaden, sagt der Kanzler.
EU-Vorschlag "ohne Substanz"
Auf Kritik aus Polen, wo man sich von russischem Gas schon unabhängig gemacht habe, entgegnet Nehammer, dass Polen neben einer Pipeline nach Norwegen auch auf Braunkohle und Atomkraft setzte. Das mache Österreich nicht. Industrie und Haushalte in Österreich würden eben Gas brauchen.
Die EU-Kommission kündigte die Unabhängigkeit von russischem Gas bis 2027 an. So lange es keine "Mengengerüste" gebe, sei das laut Nehammer aber "ohne Substanz". Es brauche Kompensation, die der Weltmarkt nicht hergeben würde.
Schon zuvor hatten sich auch andere österreichische Regierungsmitglieder gegen ein Gas-Embargo ausgesprochen. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht ein Embargo "skeptisch": "Österreich ist in überproportionalem Ausmaß abhängig von russischen Erdgaslieferungen." Der Anteil liege bei 80 Prozent, wobei dieser in der Vergangenheit nicht reduziert, sondern sogar erhöht worden sei. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach sich für Exportbeschränkungen und technologischen Importbeschränkungen für Russland aus.
Brunner für Sanktionen gegen Personen
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte im "Ö1-Mittagsjournal": "Wir haben immer gesagt bei Sanktionen, dass sie diejenigen treffen sollen, auf die man abzielt und nicht auf uns zurückfallen sollen als Bumerang". Bei Gaslieferungen wäre dies der Fall. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) äußerte sich ähnlich: Sanktionen seien nur sinnvoll, wenn sie einen selbst nicht mehr träfen als den zu Treffenden. Österreich sei genau wie Deutschland sehr von russischem Gas abhängig. Mittelfristig sei das Ziel, unabhängiger zu werden. "Aber es wäre unrealistisch zu sagen, dass wir von heute auf morgen umstellen könnten." Stattdessen schlug er vor, die Liste von sanktionierten Personen und Organisationen auszuweiten.
Zusammenfassung
- Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) spricht sich im PULS 24 Interview gegen ein Embargo für russisches Gas aus.
- Es brauche eine Untersuchung des Vorfalls in Butscha durch die Vereinten Nationen und "intelligente Sanktionen", so Nehammer.
- "Die Verbrecher gehören zur Rechenschaft gezogen", fordert der Bundeskanzler. Er bekennt sich zu einem "klaren Miteinander" in der EU.
- Aber er spricht sich gegen ein Importverbot von russischem Gas aus. Das "kommt nicht in Frage", sagt Nehammer, es sei "keine intelligente Maßnahme".
- Die EU-Kommission kündigte die Unabhängigkeit von russischem Gas bis 2027 an. So lange es keine "Mengengerüste" gebe, sei das laut Nehammer aber "ohne Substanz". Es brauche Kompensation, die der Weltmarkt nicht hergeben würde.