IV-Präsident Knill auf Kuschel-Kurs mit der FPÖ
Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS dürften auch am mächtigen Industrie- und Wirtschaftsflügel der Volkspartei gescheitert sein.
Hört man dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Knill, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag zu, wird klar: Hier liegen die Präferenzen klar bei Blau-Türkis.
Zunächst wird jedoch noch einmal verdeutlicht, wie schlecht es nach zwei Jahren Rezession um die Wirtschaft stehe. Laut Knill entstehe "oftmals den Eindruck, dass der Ernst der Lage, die wirtschaftliche Realität, nicht angekommen ist". Die Lohnstückkosten müssten runter, die Energiepreise auch, Bürokratie und Überregulierung gehörten abgebaut. Eine "Deindustrialisierung findet statt", mahnt er.
Sparen ohne neuen Steuern "nicht zu viel verlangt"
Nun müssen die leeren Staatskassen irgendwie gefüllt werden. Ein Konsolidierungspfad müsse aber "intelligent und nachhaltig" sein und "ausschließlich ausgabenseitig erfolgen", so Knill. Neue Steuern und Abgaben kommen also nicht in Frage, man könne die Wirtschaft nicht stärker belasten.
Es sei "nicht zu viel verlangt von einer Bundesregierung, drei Prozent zu sparen, ohne über neue Einnahmen nachdenken zu müssen", meinte der Präsident der IV. In der Wirtschaft sei das "bei einer üblichen Rechnung ein Skonto-Beitrag".
Video: Stocker nennt Bedingungen für Blau-Türkis
Wie Kickl Kanzler macht, "werden wir hoffentlich sehr bald alle sehen"
Sorgen um Herbert Kickl als Kanzler macht sich Knill nicht. Ihm gehe es um Inhalte, nicht Personen. Auch mögliche Sanktionen aus der EU, wie bei der ersten Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000, befürchtet er nicht: "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben."
"Wir allesamt kennen Herbert Kickl nur aus einer Oppositionsrolle heraus. Er ist jetzt in einer Verantwortungsrolle für dieses Land. Wie er diese Rolle anlegen wird, werden wir hoffentlich sehr bald alle sehen", meinte Knill, der seit 2020 Präsident der IV ist.
Zur Erinnerung: Von Dezember 2017 bis Mai 2019 war Herbert Kickl Innenminister unter der türkis-blauen Regierung von Sebastian Kurz.
Mit Blick auf die Wirtschaft nennt Knill auch ein Vorbild aus der europäischen Nachbarschaft. "Wir schauen auf unser Nachbarland Italien, wo es mit Meloni einen Rechtsruck gegeben hat, aber die wirtschaftliche Positionierung Italiens hat sich eigentlich durchaus deutlich verbessert", sagte er.
Knills "rote Linien" mit der FPÖ
"Rote Linien" zieht Knill bei der EU. Er sei für eine "starke Europäische Union mit einem starken Österreich". Ebenso positioniert er sich "gegen diesen Ausdruck 'Festung Österreich'", weil man "qualifizierten Zuzug" brauche. Hier sieht Knill aber "Änderungen" in der FPÖ, die sich hier schon angenähert habe.
"Österreich lebt vom Export, das muss sich auch im Koalitionsprogramm der neuen Regierung ganz klar widerspiegeln", so Knill. Weltoffenheit sei für eine offene Volkswirtschaft, die insgesamt jeden sechsten Euro im Export verdient, von grundlegender Bedeutung. "Wir müssen weiterhin an das Zukunftsprojekt Europa glauben."
PULS 24 Anchor Thomas Mohr sieht die Position der IV nun "180 Grad in der Gegenrichtung". Angefangen vom "Durchforsten" des Förderdschungels über keine neuen Steuern und die Senkung der Lohnnebenkosten – "das, was die Industriellenvereinigung aufgezählt hat, das deckt sich mit dem FPÖ-Wirtschaftsprogramm 1:1", so Mohr.
Die ganze Pressekonferenz zum Nachschauen:
Zusammenfassung
- Hauptsache, der Wirtschaft geht's gut. So in etwa lässt sich der Medientermin der Industriellenvereinigung (IV) am Donnerstag zusammenfassen.
- Neue Steuern und Abgaben kommen also nicht in Frage, man könne die Wirtschaft nicht stärker belasten.
- Als Beispiel, warum man sich vor einem Kanzler Kickl nicht fürchten müsse, nennt Präsident Georg Knill Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Georgia Meloni.
- "Rote Linien" zieht Knill bei der EU. Er sei für eine "starke Europäische Union mit einem starken Österreich".