IStGH-Chefankläger fordert Haftbefehl gegen Taliban-Anführer
Chefankläger Khan erklärte, sein Büro zeige mit der Beantragung der Haftbefehle sein Engagement, geschlechtsspezifische Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Die Auslegung der Scharia durch die Taliban könne keine Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen oder Verbrechen sein. Frauen, Mädchen und LGBTQ-Menschen seien in Afghanistan einer "beispiellosen, skrupellosen und andauernden Verfolgung durch die Taliban" ausgesetzt, fügte Khan hinzu. "Unser Vorgehen macht deutlich, dass der Status Quo für Frauen und Mädchen in Afghanistan nicht hinnehmbar ist." Khan kündigte zudem weitere Maßnahmen gegen weitere Vertreter der Taliban an.
Die Richter am IStGH müssen nun prüfen, ob auf Khans Antrag hin Haftbefehle ausgestellt werden - bis zur Entscheidung können Wochen oder Monate vergehen. Sollten Haftbefehle ausgestellt werden, müssten die 125 Mitgliedsstaaten des Gerichts diese im Prinzip vollstrecken, sollte einer der Betroffenen in eines der Länder reisen.
Die Taliban hatten 2021 wieder die Macht übernommen, nachdem die Truppen der USA und ihrer Verbündeten überstürzt das Land verlassen hatten. Sie haben umgehend eine lange Liste von Regeln erlassen, die im Einklang mit der Scharia, dem streng islamischen Gesetz, stehen. Die Bestimmungen werden vom sogenannten Moralministerium durchgesetzt. Es hat nach eigenen Angaben bereits Tausende Menschen wegen Verstößen gegen die Regeln festgenommen. Die Rechte von Frauen und Mädchen wurden drastisch eingeschränkt. So ist Mädchen der Besuch der Schule nur bis zur sechsten Klasse erlaubt. Frauen dürfen in der Öffentlichkeit nicht sprechen, nicht singen, nicht ihr Gesicht zeigen. Zuletzt erließen die Taliban ein Dekret, das den Einbau von Fenstern in Wohnhäusern verbietet, durch die von Frauen genutzte Bereich einsehbar sein könnten.
Oberster Führer Akhundzada tritt kaum öffentlich in Erscheinung
Akhundzada ist seit 2016 oberster Führer der Taliban. Seit der Machtübernahme der Islamisten soll er sich nicht in der Hauptstadt Kabul, sondern vor allem in der südlichen Stadt Kandahar aufhalten. Er tritt äußerst selten öffentlich in Erscheinung, und wenn, sind Bild-Aufnahmen von ihm verboten. Haqqani ist seit Oktober 2021 oberster Richter des Landes und soll als die einflussreichste religiöse Führungsfigur bei den Islamisten gelten.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist ein ständiges internationales Strafgericht außerhalb der Vereinten Nationen (UNO) und hat seinen Sitz im niederländischen Den Haag. Seine juristische Grundlage ist das multilaterale Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Der IStGH nahm seine Tätigkeit am 1. Juli 2002 auf und ist für mehr als 120 Staaten zuständig - etwa 60 Prozent aller Staaten weltweit.
Zusammenfassung
- Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs fordert Haftbefehle gegen die Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada und Abdul Haqim Haqqani wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere geschlechtsspezifischer Verfolgung.
- Frauen, Mädchen und LGBTQ-Menschen sind in Afghanistan laut dem IStGH einer beispiellosen Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt, was der Chefankläger als nicht hinnehmbar bezeichnet.
- Sollten die Haftbefehle ausgestellt werden, müssen 125 Mitgliedsstaaten des IStGH diese vollstrecken, falls die Betroffenen in eines dieser Länder reisen.