Israels Regierung treibt Nationalgarde voran
Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte die Regierungsentscheidung am Sonntag als "lächerlich und verabscheuungswürdig". Die Minister hätten für "eine private Armee von Schlägern" gestimmt - zulasten von anderen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Medienberichten zufolge sollen sich mehrere Minister während der Sitzung dagegen ausgesprochen haben. Letztendlich hätten sie auf Drängen von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu jedoch dafür gestimmt.
Mit der Einrichtung einer Nationalgarde machte Netanjahu Ben-Gvir ein Zugeständnis. Der 46-Jährige hatte zuvor mit seinem Rücktritt gedroht, sollte die umstrittene Justizreform trotz aller Proteste ausgesetzt werden. Nach seinen Plänen soll die Einheit parallel zu Polizei und Militär arbeiten und sich um "zivile Unruhen" landesweit kümmern. Kritiker warnen davor, dass er die Truppe mit rund 2.000 Einsatzkräften gezielt gegen die arabische Bevölkerung oder regierungskritische Demonstranten einsetzen könnte.
Der wegen rassistischer Hetze verurteilte Ben-Gvir gilt als politischer Brandstifter. Das Vorgehen der Polizei gegen regierungskritische Demonstranten kritisierte der verurteilte Rechtsanwalt zuletzt mehrfach als "zu schwach". Immer wieder heizte er in der Vergangenheit den Konflikt mit den Palästinensern gezielt an. Rufe wie "Tod den Arabern" und "verbrennt ihre Dörfer" sind auf Veranstaltungen von seinen Anhängern keine Seltenheit. Er selbst gibt an, solche Ausdrücke "seit Jahren" nicht mehr verwendet zu haben.
Polizeichef Jaakov Schabtai sprach von "dramatischen Folgen" für die innere Sicherheit Israels, sollte die Nationalgarde direkt Ben-Gvir unterstellt werden. Die Einheit soll sich Berichten zufolge aus Wehrpflichtigen, Reservisten und Freiwilligen zusammensetzen. Ein Ausschuss soll in den kommenden drei Monaten über die genaue Besetzung beraten und auch die Zuständigkeiten klären, hieß es aus dem Büro des Ministerpräsidenten. Demnach ist noch nicht geklärt, wer die Befehlshoheit haben wird. Experten gehen davon aus, dass es mehrere Monate dauern könnte, bis die Pläne umgesetzt werden.
"Es ist eine Schande für Israel, dass ein verurteilter Rassist eine private Miliz bekommen soll", sagt die Politikwissenschaftlerin Gail Talschir. Ben-Gvir habe bereits radikale Anhänger, die sich über dem Gesetz fühlen - nun bekämen diese noch Waffen.
Die Idee einer Nationalgarde ist bereits seit Jahren im Gespräch. Die Vorgängerregierung hatte nach massiven Unruhen in arabisch-israelischen Städten ähnliche Pläne. "Neu ist jedoch, dass die Truppe nicht der Polizei, sondern dem Ministerium für Nationale Sicherheit unterstellt werden könnte", sagt Talschir. Zudem sollen der Umfang und die finanziellen Mittel deutlich erhöht werden.
Trotz des vorläufigen Stopps der Justizreform demonstrierten am Samstag erneut rund eine Viertelmillion Menschen gegen die Pläne der rechts-religiösen Regierung. "Netanyahus Versuch, die Demonstranten zum Schweigen zu bringen, ist gescheitert", hieß es von den Organisatoren. Lapid schrieb auf Twitter: "Wir sind auf der Hut. Die Gefahr ist noch nicht vorbei." Er hatte zuletzt mehrfach an der Ernsthaftigkeit Netanyahus gezweifelt, einen Kompromiss erreichen zu wollen. Derzeit laufen Gespräche zwischen Koalition und Opposition zu dem umstrittenen Gesetzesvorhaben.
Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist weiter angespannt. Ein Palästinenser fuhr am Wochenende mit seinem Auto drei israelische Soldaten an und verletzte einen davon schwer, wie die Armee mitteilte. Der 23-jährige Fahrer wurde von einem weiteren Soldaten getötet.
Keine 24 Stunden vorher erschoss ein israelischer Polizist einen 26-jährigen arabischen Israeli in der Jerusalemer Altstadt. Nach Angaben der Polizei soll er bei einer Befragung nach der Waffe eines Beamten gegriffen und zwei Schüsse abgegeben haben. Augenzeugen berichteten jedoch, dass der Medizinstudent einer Frau bei einem Streit mit der Polizei zur Hilfe geeilt sei und "grundlos" erschossen worden sei. Die Familie des 26-Jährigen forderte Aufklärung. Die Polizei wies die Berichte mehrfach als "falsch" zurück und betonte, es gebe keine Videoaufnahmen von den Vorfall.
Zusammenfassung
- Am Sonntag ebnete die Regierung den Weg zur Gründung einer Nationalgarde, die dem rechtsextremen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir unterstellt werden könnte.
- Zur Finanzierung des umstrittenen Vorhabens genehmigte die Regierung, die Budgets aller Ministerien zu kürzen.
- Polizeichef Jaakov Schabtai sprach von "dramatischen Folgen" für die innere Sicherheit Israels, sollte die Nationalgarde direkt Ben-Gvir unterstellt werden.