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Israel bombardiert Gazastreifen - Tote auf beiden Seiten

Das Sicherheitskabinett in Israel hat den Kriegszustand ausgerufen. Dies teilte am Sonntag das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit. Nach den schwersten Angriffen der radikal-islamischen Palästinenser-Gruppe Hamas nahm Israel den Gazastreifen massiv unter Beschuss. Dort kamen laut palästinensischen Behörden mindestens 413 Menschen ums Leben. Die Zahl der Todesopfer in Israel lag dortigen Medienangaben zufolge bei mindestens 700.

Am späten Sonntagabend gab es im Großraum Tel Aviv und anderen Städten des Landes erneut Raketenalarm gegeben. In der Küstenmetropole waren Explosionen zu hören, von denen die meisten vermutlich durch das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome ausgelöst wurden. Zuvor heulten unter anderem in südlich von Tel Aviv gelegenen Orten die Warnsirenen.

Brasilien hat als derzeitiger Vorsitzender des UNO-Sicherheitsrates eine Dringlichkeitssitzung für Sonntag einberufen. Die USA riefen den UNO-Sicherheitsrat zu einer geschlossenen Reaktion gegen den Hamas-Angriff auf Israel auf. "Ich erwarte von den anderen Ratsmitgliedern eine scharfe Verurteilung dieser abscheulichen Terrorakte gegen das israelische Volk und seine Regierung", sagte der stellvertretende US-Botschafter bei der UNO, Robert Wood, am Sonntag bei der Dringlichkeitssitzung des höchsten UNO-Gremiums. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen gestalteten sich die Verhandlungen über eine gemeinsame Erklärung des Sicherheitsrats schwierig. Peking zeigte sich offen für eine solche nicht bindende Stellungnahme.

Aktuell halten sich rund 8.300 Österreicherinnen und Österreicher in Israel auf, darunter "rund 250 Reiseregistrierte". Das hieß es am Sonntagabend auf APA-Anfrage aus dem Wiener Außenministerium (BMEIA). Diese würden aktiv bei Fragen zu einer möglichen Ausreise unterstützt, wurde betont. Zu den rund 8.300 genannten Personen würden aber auch in Israel ansässige Auslandsösterreicher zählen.

Es bestehe nach wie vor "die Möglichkeit, Israel per regulärem Linienflug zu verlassen", wurde zudem verlautet. "Der Krisenstab des Außenministeriums und die Botschaft in Tel Aviv beobachten die Entwicklung der Lage permanent und stehen in laufendem Austausch mit den lokalen Behörden sowie den europäischen Partnern."

Am Samstag hatte die im Gazastreifen herrschende Hamas überraschend einen Großangriff auf Israel aus der Luft, vom Boden und vom Meer aus begonnen. Sie feierte Tausende Raketen ab, Hunderte Kämpfer drangen durch die massiven Grenzbefestigungen vom Gazastreifen nach Israel ein. Sie töteten zahllose Zivilisten in grenznahen Ortschaften und entführten offenbar mehrere Dutzend Menschen in den Gazastreifen. Unter den Opfern sind auch zahlreiche Ausländer.

Das israelische Militär erklärte, es habe die Kontrolle über die meisten Infiltrationspunkte zurückgewonnen, Hunderte von Angreifern seien getötet und Dutzende weitere gefangen genommen. Mittlerweile seien Zehntausende von Soldaten in der Umgebung des Gazastreifens stationiert, in dem 2,3 Millionen Palästinenser leben. Israel hatte die Stromversorgung für das Küstengebiet bereits am Samstag unterbrochen. Israels Militär und der Geheimdienst stehen in der Kritik, weil sie den blutigsten Überfall seit Jahrzehnten nicht verhindern konnten. Der Angriff traf Israel offensichtlich völlig unvorbereitet.

Da Israel am Sonntag kurzzeitig auch von der Islamisten-Miliz Hisbollah aus dem Libanon angegriffen wurde, wuchs die Furcht vor einem Flächenbrand in der Region, vor dem etliche Staaten bereits gewarnt haben.

Nach dem Großangriff fanden Einsatzkräfte allein auf einem Festival-Gelände in Israel bisher mindestens 260 Leichen. Das berichtete die Nachrichten-Website Ynet unter Berufung auf den Rettungsdienst Zaka am Sonntagabend. Hamas-Kämpfer attackierten am Samstag die Teilnehmer eines Musikfestivals nahe der Grenze zum Gazastreifen und verschleppten auch zahlreiche Menschen von dort in den Gazastreifen.

Israel erhielt von Staaten wie den USA und aus Europa Rückendeckung. US-Präsident Joe Biden bekräftigte, sein Land werde Israel immer den Rücken stärken. Der britische Premierminister Rishi Sunak sagte Israel Solidarität zu. Die Türkei will laut Präsident Recep Tayyip Erdoğan ihre diplomatischen Bemühungen für ein Ende der Kämpfe verstärken.

Die USA verlegen als Reaktion auf den Großangriff auf Israel durch die islamistische Hamas einen Flugzeugträger und weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer. Dazu zählten der Flugzeugträger "USS Gerald R. Ford", der Luftwaffenkreuzer "USS Normandy" und vier Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, teilte das US-Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Die USA werden zudem den israelischen Streitkräften zusätzliche Ausrüstung und Munition zur Verfügung stellen.

Etliche arabische Staaten gaben Israel wegen der Siedlungspolitik vor allem im Westjordanland die Verantwortung für die Eskalation. Die Überwachung israelischer Einrichtungen in Österreich und anderen Ländern Europas wurde verstärkt. In Ägypten wurden zwei israelische Touristen erschossen.

"Wir werden mächtige Rache für diesen schwarzen Tag nehmen", sagte Ministerpräsident Netanyahu. "Unser Feind wird einen Preis zahlen, wie er ihn noch nie erlebt hat." Ein Militärsprecher sagte, Israel könne Hunderttausende Reservisten mobilisieren und sei auch auf einen Krieg an seiner Nordfront gegen die Hisbollah vorbereitet, die wie auch die Hamas bereits mehrere Kriege gegen Israel geführt hat.

Hamas-Chef Ismail Haniyeh sagte, der Angriff werde sich auf das Westjordanland und Jerusalem ausweiten. "Dies war der Morgen der Niederlage und der Demütigung für unseren Feind, seine Soldaten und seine Siedler." Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sagte laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken, dass die "Ungerechtigkeit", die den Palästinensern widerfahre, den Konflikt mit Israel zu einer "Explosion" treibe.

Der Iran bezeichnete die Angriffe als Selbstverteidigung der Palästinenser und rief muslimische Länder auf, sich auf deren Seite zu stellen. Im Nahen Osten gab es Demonstrationen zur Unterstützung der Hamas. Dabei wurden israelische und US-Flaggen verbrannt.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, reiste zu Gesprächen über die Eskalation im Nahost-Konflikt nach Moskau. Russland hatte dem Westen nach dem Hamas-Angriff auf Israel vorgeworfen, die Verhandlungen für eine Friedenslösung im Rahmen des sogenannten Nahost-Quartetts zu blockieren. Es seien angemessene Verhandlungen nötig, um die Schaffung eines unabhängigen Palästinenser-Staates in den Grenzen von 1967 mit einer Hauptstadt in Ost-Jerusalem zu ermöglichen. Zu den Vermittlern im Nahost-Quartett gehören die USA, Russland, die Europäische Union und die Vereinten Nationen.

ribbon Zusammenfassung
  • Das Sicherheitskabinett in Israel hat den Kriegszustand ausgerufen.
  • Dies teilte am Sonntag das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit.
  • Am späten Sonntagabend gab es im Großraum Tel Aviv und anderen Städten des Landes erneut Raketenalarm gegeben.
  • Der Iran bezeichnete die Angriffe als Selbstverteidigung der Palästinenser und rief muslimische Länder auf, sich auf deren Seite zu stellen.
  • Dabei wurden israelische und US-Flaggen verbrannt.