IS-Prozess in Wien: Hassprediger Mirsad O. legt Geständnis ab
Der mitangeklagte einstige "Hassprediger" Mirsad O. alias Ebu Tejma, der eine rechtskräftige 20-jährige Freiheitsstrafe verbüßt, legte ein reumütiges Geständnis ab. Er bekenne sich zum Großteil der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen schuldig, sagte der 39-Jährige.
"Ich hab' Fehler gemacht, ich geb's zu", gab der gelernte Stahlbauschlosser und spätere Islam-Gelehrte und radikale Prediger zu Protokoll. Bezogen auf die bereits gerichtlich abgetanen strafbaren Handlungen meinte Mirsad O., seine radikalislamistischen Vorträge, deretwegen er vom Landesgericht Graz abgeurteilt wurde, seien inzwischen zehn Jahre alt und hätten ihn 2014 ins Gefängnis gebracht: "Meine Vorträge haben viel Unheil bewirkt." Und weiter: "Es tut mir leid, ich kann es nicht ungeschehen machen."
Mirsad O. bestätigt Anklage gegen ihn
Zur jetzigen Anklage bemerkte Mirsad O., die gegen ihn gerichteten Vorwürfe seien großteils korrekt. Er habe den Hauptangeklagten Turpal I. und einen Mitangeklagten dazu bewogen, für den IS nach Syrien zu gehen und zu kämpfen. Von den Gräueltaten, an denen Turpal I. laut Anklage dort beteiligt gewesen sein soll, habe er aber nichts gewusst. Darüber hinaus machte der 39-Jährige von seinem Schweigerecht Gebrauch. Er wolle im gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen und keine Fragen beantworten: "Ich möchte nicht respektlos sein, aber ich habe so etwas schon alles mitgemacht."
Der Verteidger des 39-Jährigen, Leonhard Kregcjk, hatte das unerwartete Geständnis in seinem Eingangsplädoyer angekündigt. Bei Mirsad O. laufe ein Läuterungsprozess ab, ausgelöst durch den Terroranschlag in Wien vom 2. November. Seither sei beim einstigen Prediger "ein Umdenkprozess im Gange", erläuterte Kregcjk. Mirsad O. sehe ein, dass er "in der Vergangenheit Fehler gemacht hat".
Hauptangeklagter aus formalen Gründen auf freiem Fuß
Um den Hauptangeklagten Turpal I. gab es zuletzt Schlagzeilen, weil er nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft Anfang Mai enthaftet werden musste. Er erschien auf freiem Fuß zur Verhandlung. Der 32-Jährige wird vom Verfassungsschutz rund um die Uhr überwacht.
Der gebürtige Tschetschene soll mit seiner mitangeklagten, um drei Jahre jüngeren Ehefrau und einer gemeinsamen Tochter Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien gereist sein und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Bürgerkrieg für den IS gegen das Assad-Regime gekämpft haben.
In der nordsyrischen Stadt Hraytan soll Turpal I. die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben, in einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen.
Verteidiger weist Vorwürfe zurück
Sein Verteidiger hat das bisher zurückgewiesen. Turpal I. habe sich zwar in Syrien aufgehalten, sei aber an keinen terroristischen Straftaten beteiligt gewesen, betonte Kreiner zuletzt. Die bis Ende Juli anberaumte Verhandlung wird unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen abgewickelt. Zuhörer wurden zwei Mal - zum einen beim Betreten des Gerichts, ein zweites Mal in Form einer mobilen Sicherheitsschleuse vor dem Großen Schwurgerichtssaal - kontrolliert, zehn bewaffnete und maskierte Spezialkräfte der Justizwache postierten sich im Saal, in dem ein absolutes Fotografier- und Filmverbot gilt, mehrere Beamte vom Verfassungsschutz sind für das Verfahren abgestellt.
Angeklagter war Kampfportler und Staatsmeister
In einem mehrstündigen Eröffnungsvortrag legte Winklhofer seine Anklage dar, deren schriftliche Ausfertigung 200 Seiten umfasst. Es gehe "um radikalislamistische Umtriebe, nicht um Religion", betonte der Staatsanwalt. Turpal I. sei "ein sehr, sehr erfolgreicher Kampfsportler" gewesen und habe sich infolgedessen für die junge tschetschenische Community als Identitätsfigur geeignet. Mirsad O. habe bei IS-Sympathisanten mit Turpal I. geworben. Der Staatsanwalt billigte Mirsad O. zu, ein "brillanter Rhetoriker" zu sein, der "geschickt" zu argumentieren verstehe.
In Syrien habe sich Turpal I. Kampfeinheiten angeschlossen, die "Massenmord" zu verantworten und "Hinrichtungen" unter Zivilisten durchgeführt habe, legte Winklhofer dar. Die Zivilisten wären nach Geschlechtern separiert, Männer enthauptet, Frauen erstochen worden.
Zusammenfassung
- Mit einer Überraschung hat am Mittwoch am Wiener Landesgericht ein Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen, die sich für die radikalislamistische Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) betätigt haben sollen.
- Der mitangeklagte einstige "Hassprediger" Mirsad O. alias Ebu Tejma, der eine rechtskräftige 20-jährige Freiheitsstrafe verbüßt, legte ein reumütiges Geständnis ab. Er bekenne sich zum Großteil schuldig.
- Um den Hauptangeklagten Turpal I. gab es zuletzt Schlagzeilen, weil er nach Ablauf der auf zwei Jahre begrenzten U-Haft Anfang Mai enthaftet werden musste. Er erschien auf freiem Fuß zur Verhandlung.
- Der 32-Jährige wird vom Verfassungsschutz rund um die Uhr überwacht. Der gebürtige Tschetschene soll mit seiner mitangeklagten, um drei Jahre jüngeren Ehefrau und einer gemeinsamen Tochter Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien zum IS gereist sein.
- In der nordsyrischen Stadt Hraytan soll Turpal I. die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben.
- In einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen.