Innsbruck-Wahl: NEOS-Seidl will Stadträtin werden
"Das geht sich nicht aus", sagte die pinke Spitzenkandidatin zu einer möglichen Koalition mit der FPÖ - und blieb damit ganz auf NEOS-Parteilinie. "Ich weiß ja nicht, wer die Wahlplakate von der FPÖ gesehen hat - aber was ist das nur für eine menschenverachtende Plakatierung?", fragte sie und sprach jenes Plakat an, auf dem geschrieben steht: "Es gibt viele Probleme, die gelöst werden müssen. Eines davon heißt Georg Willi."
Mit allen anderen Parteien gebe es "sicher Dinge, die man gemeinsam umsetzen kann" meinte Seidl und ortete auch bei den Wählergruppen Schnittmengen mit einigen Parteien. So sah sie etwa Potenzial bei "enttäuschten ÖVP-Wählerinnen und Wählern", die ob der beiden antretenden bürgerlichen Listen "das Neue Innsbruck" mit Bürgermeisterkandidat Florian Tursky und der Liste von ÖVP-Abspalter Johannes Anzengruber "JA - Jetzt Innsbruck" die NEOS als Alternative sehen würden. Konkurrenz sei den Pinken etwa durch das Antreten von Andrea Haselwanter-Schneider mit der Liste Fritz als "Bürgerbewegung" entstanden.
Bei der für sie wichtigeren Listenwahl hätte sie "auf jeden Fall gern ein drittes Mandat" und gab gleichzeitig das Ziel aus, zweistellig werden zu wollen, um damit den Sprung in den Stadtsenat zu schaffen. Auch wenn sie es "mittlerweile für schwer machbar" hält - angesichts der Vielzahl an antretenden Listen. "Aber man darf ja noch träumen", meinte Seidl, die bis vor kurzem NEOS-Nationalratsabgeordnete war. Derzeit sind die NEOS mit zwei Gemeinderätinnen im Stadtparlament vertreten, bei der Wahl im Jahr 2018 hatten sie mit Spitzenkandidatin Dagmar Klingler-Newesely 4,73 Prozent erreicht. Für die Bürgermeisterdirektwahl wünschte sich Seidl ein ähnliches Ergebnis wie bei der Listenwahl und hielt ihren Einzug in die Stichwahl für unwahrscheinlich: "In den Stadtsenat zu kommen wäre das größere und realistischere Ziel."
Als Stadträtin würde sie sich jedenfalls gerne den Ressorts Verkehr und Wirtschaft annehmen. "Vor allem beim Mobilitätsthema sind vorher immer alle ganz, ganz laut und ganz, ganz gescheit und dann will's keiner machen." Für Seidl stand indes fest, dass es künftig "weniger Durchzugsverkehr" geben muss und "weniger Park-Such-Verkehr". Sie kritisierte, dass es in Innsbruck immer noch kein Parkleitsystem gebe und forderte den Ausbau von Tiefgaragen, die unterirdisch noch besser verbunden werden müssten. Zudem sprach sie sich für gut an Öffis angebundene "Park-and-Ride-Anlagen" an den Toren zur Stadt aus. "Auf lange Sicht muss es weniger Autos in der Innenstadt geben", meinte die pinke Frontfrau und will - "dort, wo es möglich ist", den Individualverkehr aus der Stadt drängen. Auch werde es mehr Tempo 30er-Zonen geben müssen, vor allem im Bereich vor Schulen. Gegenüber dem immer wieder ventilierten Vorschlag von gratis Öffis zeigte sie sich "skeptisch" - das würde nämlich für die Stadt "enorme Ausgaben" bedeuten. Für bestimmte Bevölkerungsgruppen sollten öffentliche Verkehrsmittel jedoch günstiger sein, sagte Seidl und schlug ein "Schnupperticket" vor.
Aufgrund der starken Pendlerbewegungen aus dem Umland Innsbrucks gelte es, die Zusammenarbeit mit dem Planungsverband zu intensivieren. Dies betreffe auch das Thema Wohnen. Nach Seidls Vorstellungen müsse nach dem Bedarf der gesamten Stadtregion Wohnraum geschaffen werden - und nicht nur nach jenem der Umlandgemeinden bzw. der Stadt. Die Pink-Politikerin will dem Wahlvolk bei diesem in Innsbruck politisch so heißen Eisen aber reinen Wein einschenken: "Jeder verspricht leistbaren Wohnraum. So einfach ist es aber nicht." Besonders bei Familien sei die Situation problematisch: "Eine leistbare Vier-Zimmer-Wohnung zu finden, ist unmöglich."
Obwohl die NEOS-Gemeinderätin einräumte, dass beim Wohnen "der Markt nicht mehr funktioniert", wolle sie dennoch die Stadt nicht zu sehr in den freien Markt eingreifend wissen - sondern mit "Anreizmodellen" arbeiten. Vermieten müsse "attraktiver" werden, sprach sie den "enormen Leerstand" unter anderem aufgrund von Anlegerwohnungen in der Stadt an. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) habe Investitionen in Betongold stark begünstigt, argumentierte sei. Zudem gehöre der Eigenbedarf im Österreichischen Mietrechtsgesetz gestärkt. Durch vermehrte Widmung von "Mischgebieten" und nicht mehr reinen "Gewerbegebieten" sollen Verdichtungen ermöglicht werden. Eine "Wohnungsbörse" nach Wiener Vorbild soll zudem den Tausch von Stadtwohnungen ermöglichen.
Um Innsbruck wirtschaftlich zu stärken, möchte Seidl den Kongresstourismus forcieren. "Kongressgäste bleiben länger", sprach sie die Problematik der oftmals kurzen Aufenthaltsdauer von Gästen an. Außerdem würden diese Touristen mehr Geld in der Stadt ausgeben. Durch den Kongresstourismus würde ein "Ganzjahrestourismus" ermöglicht, sah die ehemalige pinke Tourismussprecherin im Nationalrat Potenzial. Doch in das Innsbrucker Kongresszentrum müsse investiert werden, denn das Haus am Rennweg sei "nicht mehr up to date". Schließlich ortete sie Nachholbedarf bei jungen Gästen und wollte eine neue Jugendherberge umgesetzt wissen.
Zur Belebung der Innenstadt - die sich mancherorts in bester Lage durch Leerstände wenig attraktiv präsentiert - will die Spitzenkandidatin ein "Citymanagement" gründen, wobei auch die Eigentümerinnen und Eigentümer der Immobilien an den Tisch geholt werden sollen. Es brauche auch hier mehr Flexibilität seitens der Stadt bei Genehmigungsverfahren sowie "Förderpakete" für Gründerinnen und Gründer.
Angesprochen auf ihre politische Zukunft abseits von Innsbruck meinte die 42-Jährige: "Ich gehe mal über die Brücke, die vor mir ist" - eine künftige Tätigkeit im Landtag oder eine Rückkehr in die Bundespolitik wollte sie jedoch nicht ausschließen. In den kommenden Jahren werde ihr Fokus jedenfalls auf der Landeshauptstadt liegen, aber: "Was sonst noch passiert, werden wir sehen."
Zusammenfassung
- NEOS-Kandidatin Julia Seidl strebt bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl ein Stadtratsamt an und möchte die Bereiche Verkehr und Wirtschaft leiten.
- Seidl lehnt eine Koalition mit der FPÖ ab und sieht Überschneidungen mit anderen Parteien und Wählergruppen, insbesondere enttäuschten ÖVP-Wählern.
- Ziel ist es, bei der Listenwahl zweistellig zu werden und ein drittes Mandat zu erreichen, um in den Stadtsenat zu kommen, trotz der Herausforderung durch viele konkurrierende Listen.
- Im Bereich Verkehr fordert Seidl weniger Durchzugsverkehr in Innsbruck, die Einführung eines Parkleitsystems und den Ausbau von Park-and-Ride-Anlagen.
- Seidl will im Wohnungsmarkt mit Anreizmodellen arbeiten, um leistbaren Wohnraum zu schaffen und den Leerstand zu bekämpfen.