Illegale Freizeitwohnsitze: Millionäre kaufen Kitzbühel auf
Die "Gamsstadt" Kitzbühel ist nicht nur fürs Hahnenkammrennen bekannt. Auch sonst zieht die Tiroler Stadt nicht nur reiche Urlauber, sondern auch Investoren aus dem In- und Ausland an.
Luxus-Apartments, Chalets und private Riesenanwesen prägen den Nobelskiort. Durchschnittlich kostet der Quadratmeter mittlerweile rund 10.000 Euro, in Bestlagen sogar bis zu 25.000 Euro. Damit ist die Stadt österreichweit unter den Spitzenreitern. Für Einheimische sind diese Preise kaum noch zu bezahlen.
Damit Orte wie Kitzbühel nicht komplett zu Spekulationsobjekten verkommen und doch noch leistbare Fläche bleibt, gibt es unter anderem die Freizeitwohnsitz-Regelung. Seit 1998 gibt es die Regelung, die Grenze wurde damals vom Land Tirol bei acht Prozent festgelegt. Kitzbühel hatte schon damals schon fast doppelt so viele Freizeitwohnsitze, heute liegt die Quote bei 17,4 Prozent.
Die Regelung besagt, dass wer ein Haus kauft, dort auch seinen Hauptwohnsitz angemeldet haben muss.
Hohe Dunkelziffer befürchtet
Doch es gibt einen Haken: Die Dunkelziffer könnte noch viel höher sein. Das befürchtet zumindest Reinhardt Wohlfahrtstätter, SPÖ-Gemeinderat in Kitzbühel. "Alle Gebäude, Häuser und Wohnungen, die gebaut wurden, werden offiziell als Hauptwohnsitz genutzt und inoffiziell und illegal als Freizeitwohnsitz. Und ich glaube, die Zahl ist in etwa noch einmal so hoch", sagt er im Gespräch mit PULS 24.
Laut dem SPÖ-Gemeinderat werde auch kaum kontrolliert - zumindest nicht, wenn nicht eine Anzeige von Nachbar:innen erfolgte. Denn nur dann kann überhaupt kontrolliert werden. Eine Beamtin gibt es dafür in Kitzbühel - Häuser müssen dann über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Oft folgen langwierige Rechtsstreitigkeiten.
Anwesen um 40 Millionen
Gleich vier Anwesen in der Gamsstadt kaufte in den vergangenen Jahren etwa der Mitbegründer eines großen Sportwetten-Anbieters. Wie PULS 24 vorliegende Kaufverträge zeigen, zahlte der Millionär insgesamt über 40 Millionen Euro dafür. Das sorgt für Kritik, denn es wird angezweifelt, ob sich in den Villen wirklich Firmensitze befinden - wie behördlich angegeben - oder sie alle bewohnt werden.
Kitzbühels Bürgermeister Klaus Winkler (ÖVP) weist die Verantwortung für solche Fälle von sich. Über 700 Kontrollen seien in den vergangenen zwei bis drei Jahren durchgeführt worden. Doch der Stadt seien die Hände gebunden. "Genau diese Auswüchse, die massive Investitionstätigkeit können wir nur sehenden Auges verfolgen, weil einfach die gesetzlichen Rahmenbedingungen hier fehlen", sagt er gegenüber PULS 24.
Dass der Bürgermeister nichts für die oftmals ungenützten Freizeitwohnobjekte könne, kauft ihm die Opposition allerdings nicht ab. Grund für das Misstrauen: Der Bürgermeister ist auch noch Steuerberater.
"Wir verquicken hier zwei Funktionen - auf der einen Seite ist er beratend tätig, für Leute, die hier investieren. Auf der anderen Seite ist er die oberste Baubehörde und als oberste Baubehörde hat er natürlich enorm viel Macht", kritisiert etwa Stadtrat Andreas Fuchs-Martschitz von der Liste Unabhängige Kitzbüheler:innen (Liste UK).
"Ich trenne das ganz strikt"
In einem der Kaufverträge des oben erwähnten Millionärs scheint der Bürgermeister tatsächlich als Steuerberater auf. Der Bürgermeister will dennoch keine schiefe Optik erkennen - und bestreitet auf PULS 24 Anfrage, den Wettanbieter-Gründer zu kennen. "Ich trenne das ganz strikt - also zwischen meiner Tätigkeit als Steuerberater und meiner Tätigkeit als Bürgermeister", sagt er.
In einem Punkt sind sich in Kitzbühel aber zumindest alle einig: Die aktuelle Regelung der Freizeitwohnsitze funktioniert so nicht. Selbst der Bürgermeister gibt zu, dass die Erfolgsquote der Kontrollen bescheiden sei.
Die Strafen reichen von 4.000 Euro im Erstfall - bis 40.000 Euro im Wiederholungsfall. Laut Kitzbüheler Rechtsanwalt Heinrich Schmiedt komme es aber so gut wie nie zur Verhängung der Höchststrafe.
Neue Regelung gefordert
ÖVP und SPÖ können sich deshalb auch eine zusätzliche Abgabe bei Immobilienkäufen in Millionenhöhe vorstellen. Die Legalisierung von Freizeitwohnsitzen sei für SPÖ-Gemeinderat Wohlfahrtstätter dann eine Möglichkeit: "Legalisierung, aber mit einer entsprechenden Besteuerung. Das heißt, jeder, der sich hier niederlassen möchte, soll das als Europäer können, aber er muss exorbitant hohe Abgaben leisten. Sodass wir in Kitzbühel für die Leute Mittel zur Verfügung haben, um deren Wohnraum zu sichern", meint er gegenüber PULS 24.
Diesen Vorschlag hält auch Anwalt Schmiedt für sinnvoll. "Aus meinem Klientenkreis weiß ich, dass die Inhaber von Villen, die Zeitwerte von mehr als 10 Millionen haben, gerne bereit sind, Gebühren von bis zu fünf Prozent ihrer Immobilienwerte zu entrichten. Da könnte man also einen enormen Topf von öffentlichen Mitteln füllen", meint er. Dafür müssten allerdings "die Landesgesetzgeber endlich über ihren Schatten springen".
Bürgermeister Klaus Winkler sieht das ähnlich: "Die Lösung wäre nicht eine Freizeitwohnsitzabgabe, sondern ganz schlicht eine Wohnsitzabgabe, die insofern aufschlägt, wenn Millionentransaktionen gemacht werden", fordert er. Am Zug seien hier aber Landes- und Bundespolitik.
Das Geld könnte dann auch für leistbaren Wohnbau in der Stadt verwendet werden, damit reiche Investoren die Einheimischen nicht immer weiter aus dem Ort drängen.
Zusammenfassung
- Kitzbühel ist ein Paradies für Reiche und ein beliebt bei Investoren. Zum Leid der Einheimischen Bevölkerung treiben sie die Grundstückpreise nach oben.
- In der Kritik stehen lasche Kontrollen der Freizeitwohnsitz-Regelung und der Bürgermeister, der auch Steuerberater ist.
- So scheint sein Unternehmen in Verträgen eines Millionärs auf, der um über 40 Millionen vier Anwesen kaufte. Der Bürgermeister bestreitet einen Zusammenhang.
- Einig sind sich ÖVP und SPÖ, dass es neue Gesetze braucht.