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Hunderte Festnahmen bei Protesten in Belarus

Bei Protesten gegen das Referendum in Belarus sind nach Regierungsangaben rund 800 Menschen festgenommen worden. Zugleich wies das Innenministerium zurück, dass es zu größeren Protesten gekommen sei: "Trotz der unzähligen Aufrufe über destruktive Telegram-Kanäle, die Situation zu destabilisieren, die von Bürgern außerhalb des Landes verbreitet wurden, haben keine Massenproteste stattgefunden", hieß es am Montag.

"Die Polizei hat sich auf schnelle Reaktionen und die Unterdrückung von Provokationen konzentriert." Das Referendum hat in mehreren Städten Anti-Kriegs-Demonstrationen ausgelöst. Es waren die größten Proteste seit Monaten.

In der Volksabstimmung vom Sonntag hat sich Präsident Alexander Lukaschenko das Recht einräumen lassen, erstmals seit dem Fall der Sowjetunion wieder Atomwaffen auf belarussischem Gebiet zu stationieren. Nach offiziellen Angaben stimmten 65 Prozent der Wähler für die Verfassungsänderung, die Lukaschenko zudem lebenslange Immunität und weitere Amtszeiten einräumt. Es gab zehn Prozent Gegenstimmen, wie die Agentur Tass am Montag in der Früh berichtete. Die Wahlkommission hatte die Beteiligung zuvor mit 79,4 Prozent angegeben.

In Videos und Fotos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, waren Dutzende Menschen vor Wahllokalen zu sehen. Mehrere Videos zeigten, wie die Menge "Nein zu Krieg" rief. "Wir können nur wenig tun, mit all dem Terror und Horror, in dem wir leben", sagte die 45-jährige Elena. "Aber ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ich nicht versuchen würde, irgendetwas zu tun. Wir gelten jetzt schon als Komplizen."

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Perspektive einer nuklearen Aufrüstung von Belarus "sehr gefährlich". Das würde bedeuten, dass Russland dort Atomwaffen stationiert, betonte er am Montag in Brüssel. Kritik kam auch von der französischen Regierung: "Diese Verfassungsreform bedeutet eine neue Quelle der Instabilität und Ungewissheit mit Blick auf die Sicherheit des europäischen Kontinents", erklärte das Außenministeriums in Paris.

Die EU kritisierte auch den Ablauf des Referendums und stellte die Gültigkeit des Ergebnisses in Frage. Die Abstimmung sei "vor dem Hintergrund weitreichender Menschenrechtsverletzungen" in Belarus erfolgt, erklärte Borrell. "Das sind nicht die Voraussetzungen für einen demokratischen Prozess zur Änderung der Verfassung." Lukaschenko habe nun "zusätzliche Instrumente, um seine Macht weiter zu festigen".

Die Verfassungsänderung soll dem seit 1994 mit harter Hand regierenden Lukaschenko weitere Amtszeiten ermöglichen und ihm nach einem eventuellen Rückzug aus der Politik lebenslange Straffreiheit garantieren. Daneben soll auch eine künftige dauerhafte Stationierung russischer Truppen und Atomwaffen im Land möglich werden.

Die Opposition um die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja hatte im Vorfeld kritisiert, dass eine Abstimmung unter den Bedingungen politischer Repressionen und unfreier Medien unmöglich sei. Lukaschenko wird von der EU nicht als Präsident anerkannt. Die Präsidentenwahl im Sommer 2020 gilt als gefälscht. Danach gab es Massenproteste.

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  • Bei Protesten gegen das Referendum in Belarus sind nach Regierungsangaben rund 800 Menschen festgenommen worden.