Heftige Kämpfe um Bachmut, Schoigu im Kriegsgebiet
Russlands Verteidigungsminister Schoigu wurde nach russischen Angaben im Kriegsgebiet in der Ukraine über die Lage und weitere Pläne an der Front informiert. Auf einem tonlosen Video waren neben dem 67-Jährigen auch der Generalstabschef und Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine, Waleri Gerassimow, sowie dessen Stellvertreter Sergej Surowikin zu sehen. Seit Samstag war bekannt, dass Schoigu mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn ins Frontgebiet gereist sein soll. Demnach zeichnete er im ostukrainischen Donbass auch russische Soldaten mit Orden aus. Wie nah Schoigu sich dabei tatsächlich an der Front aufhielt, konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Insbesondere um Bachmut toben noch immer heftige Kämpfe. Internationalen Beobachtern zufolge erleidet vor allem die russische Seite hohe Verluste, weil sie ihre eigenen Soldaten teils regelrecht als "Kanonenfutter" verheizt. Russlands Verteidigungsministerium berichtete am Sonntag von "Offensivhandlungen" durch Luftwaffe und Artillerie im Donezker Gebiet, wo Bachmut liegt. Das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) hält es unterdessen seinem jüngsten Bericht zufolge für unwahrscheinlich, dass es den Russen in nächster Zeit gelingen dürfte, Bachmut komplett einzukesseln.
Kiew beziffert die Zahl der täglich Gefallenen und Verletzten auf russischer Seite auf bis zu 500. Das sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow der "Bild am Sonntag". In der Gegend um Bachmut ist vor allem die Söldnertruppe Wagner aktiv. Deren Chef, der kremlnahe Oligarch Jewgeni Prigoschin, rekrutierte in der Vergangenheit seine Männer auch in russischen Gefängnissen. Gerade unter ihnen sollen Berichten zufolge die Verluste extrem hoch sein.
Britische Militärexperten sprechen unterdessen von Waffen- und Munitionsengpässen auf russischer Seite, die bizarre Konsequenzen nach sich ziehen sollen. Im täglichen Kurzbericht schrieb das britische Verteidigungsministerium am Sonntag, Moskau setze im Nahkampf auch gewöhnliche Feldspaten ein. Hintergrund sind Äußerungen russischer Reservisten, die angegeben haben sollen, nur mit "Schusswaffen und Schaufeln" zum Angriff auf einen einbetonierten ukrainischen Stützpunkt geschickt worden zu sein. Laut den Briten rankt sich um den gängigen Feldspaten des Typs MPL-50 der russischen Streitkräfte - eigentlich ein Schanzwerkzeug - ein Mythos, der diesen zur tödlichen Waffe erhebt. Dabei sei er seit seiner Einführung im Jahr 1869 kaum weiterentwickelt worden.
Durch russischen Beschuss der südukrainischen Region Cherson wurde Kiewer Angaben zufolge ein Wohnhaus getroffen und mindestens drei Menschen getötet. Die Toten im Dorf Ponjatiwka seien eine Frau und zwei Kinder, schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Andrij Jermak, am Sonntag auf Telegram. "Russische Terroristen töten weiterhin Zivilisten", schrieb Jermak hinzu.
Unterdessen teilte der ukrainische Zivilschutz mit, dass die Zahl der Todesopfer nach einem schweren Raketenangriff in der Großstadt Saporischschja in der Nacht zum vergangenen Donnerstag mittlerweile auf 13 gestiegen sei. Aus den Trümmern des fünfstöckigen Gebäudes war zuvor auch ein acht Monate altes Mädchen tot geborgen worden.
Der ukrainische Präsident Selenskyj will indes die Kooperation mit den europäischen Institutionen im laufenden Jahr deutlich ausbauen. "Die Aufgabe besteht darin, aktiv alles für die Mitgliedschaft unseres Landes in der Europäischen Union vorzubereiten, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu erhöhen und die Sanktionen gegen Russland zu verstärken", sagte er am Samstag in seiner täglichen Videobotschaft. Dazu habe er auch ein Treffen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola gehabt. Selenskyj hatte zuletzt immer wieder Tempo für Beitrittsverhandlungen mit der EU gemacht.
Metsola war laut Selenskyj eine der Teilnehmerinnen an der Konferenz "United for Justice" in der westukrainischen Stadt Lwiw. Dort sei es nicht nur um die Aufklärung russischer Verbrechen, sondern auch um die Rehabilitation für die Opfer der Gewalt gegangen, sagte Selenskyj. In Lwiw vereinbarten die Teilnehmer die Errichtung eines Zentrums für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression (ICPA). Es soll Beweise für künftige Gerichtsverfahren sichern und am Standort der EU-Agentur Eurojust in Den Haag angesiedelt werden. Eurojust ist in der Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zuständig.
In der Debatte um Waffenlieferungen sprach sich Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins für eine Lieferung von Kampfflugzeugen aus. "Ich sehe nicht, weshalb der Westen keine Kampfjets liefern sollte. Wenn die Ukrainer Kampfflugzeuge benötigen, sollten sie sie bekommen", sagte Karins dem "Spiegel" (Samstag). Die Lieferung von Kampfflugzeugen ist ihm zufolge nur noch eine Frage der Zeit. Laut Karins müssen alle europäischen Länder ihre Rüstungsindustrien hochfahren, auch Deutschland. "Gefragt ist jetzt vor allem Munition. Deutschlands Industrie hat beste Voraussetzungen, um Europas Verteidigung zu stärken", sagte Karins.
Zusammenfassung
- In der Ostukraine setzen russische Truppen ihre Angriffe auf die Stadt Bachmut fort.
- Angaben aus Kiew zufolge sind diese Kämpfe im Donezker Gebiet für Russland sehr verlustreich.
- Kiew beziffert die Zahl der täglich Gefallenen und Verletzten auf russischer Seite auf bis zu 500. Unterdessen traf Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu Kommandeure seiner Armee im Kriegsgebiet in der Ukraine.