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Grüne gegen geplante Reform der Lehrerausbildung

Eigentlich hat Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) für Herbst den Beschluss der neuen Lehrerausbildung angekündigt, der Start war für das Studienjahr 2024/25 angepeilt. Ob dieser Zeitplan hält, ist allerdings unsicher. Hintergrund ist Widerstand der Grünen gegen die Reform, für Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger sind "viele Fragen offen". Bildungsminister Polaschek zeigte sich darüber am Mittwoch "nicht nur überrascht, ich bin befremdet".

Die von Polaschek als Mittel gegen den Lehrermangel forcierte Reform sieht vor, dass die Lehrerausbildung künftig aus drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Masterstudium besteht. Derzeit sind es in der Primarstufe (v.a. Volksschule) vier Jahre Bachelor plus ein Jahr Master, bei der Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BMHS) vier Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master. Der Master soll außerdem besser berufsbegleitend studierbar werden.

Bei den Grünen kommen die Pläne, vor allem die Verkürzung der Lehrerausbildung in der Sekundarstufe, allerdings nicht gut an. Reformpotenzial sieht Blimlinger zwar durchaus, etwa über eine stärkere Verschränkung von Bachelor- und Masterstudium. "Dann kann man auch über die fünf Jahre reden, das ist dann nicht der Knackpunkt." Aber nur zu sagen, man reduziere den Bachelor auf drei Jahre, sei ein Problem. "Da ist Diskussionsbedarf", so Blimlinger im Gespräch mit der APA. Ein Beschluss könnte sich "vielleicht im Spätherbst" ausgehen.

Es gebe eine umfassende Evaluation der Pädagogenbildung, in der das System von vier Jahren Bachelor und zwei Jahren Master (für die Sekundarstufe) sehr positiv bewertet werde. Der größte Kompetenzerwerb finde demnach im 4. Jahr statt. "Wenn man sich nicht auf die Evaluierungsergebnisse stützt, sondern die eigentlich ignoriert, ist fraglich wozu man das dann macht", kritisierte die frühere Uni-Rektorin. Ziel müsse jedenfalls eine Studienstruktur sein, bei der auch realistisch die volle Berufsfähigkeit erreicht werden kann. Denn berufsbegleitend ein Lehramtsstudium abzuschließen, sei schwierig.

Außerdem sieht Blimlinger in der Verkürzung auch kein sinnvolles Mittel gegen den Lehrermangel, wie sie am Mittwoch auch im "Standard" (Online) betonte. Für die Grünen ist hier wichtiger, wie der "Induktionsphase" genannte Berufseinstieg besser gestaltet werden kann. Das Thema beim Lehrermangel sei nämlich weniger die Struktur der Ausbildung als dass die Pädagoginnen und Pädagogen zu früh neben der Ausbildung in großem Umfang zu unterrichten beginnen, ausbrennen und dann früh wieder aus dem Beruf aussteigen.

Bis die ersten Absolventinnen und Absolventen der reformierten Ausbildung in der Praxis ankommen, schreibe man außerdem das Jahr 2028/29 und bis dahin gebe es nur noch einen geringen Bedarf an neuen Lehrern, die Babyboomer seien dann nämlich bereits in Pension. "Es ist die Frage, ob wir dann mit einer kürzeren Ausbildung nicht eher wieder einen Überschuss produzieren", zeigte sich Blimlinger skeptisch.

Verwundert über die Kritik zeigte sich Bildungsminister Polaschek gegenüber der APA. Es habe bereits seit Monaten intensive Gespräche mit dem Koalitionspartner gegeben und es liege ein fertiger, mit allen Stakeholdern (Hochschulen, Lehrergewerkschaft, Studierenden) abgestimmter Gesetzesentwurf vor. Er appelliere deshalb an die Grünen, sich wieder an den Verhandlungstisch zu setzen und gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen.

Die inhaltliche Kritik Blimlingers wies Polaschek zurück, es gebe breiten Konsens für eine Verkürzung des Bachelors auf die bei anderen Studien üblichen drei Jahre - und das nicht nur mit Blick auf den aktuellen Lehrermangel. Mit der Reform folge man außerdem den Empfehlungen aus der Evaluierung, das Studium zu entschlacken und praxisnäher zu gestalten. Die Ausbildungsdauer für die Sekundarstufen-Lehrer wäre zudem auch nach der Verkürzung mit zehn Semestern immer noch länger als die frühere Ausbildung an den Unis mit neun Semestern. Bei der Induktionsphase sieht auch Polaschek Handlungsbedarf, davor müssten aber Studienstruktur und -dauer fixiert werden, betonte er.

Polaschek zeigte sich außerdem erstaunt, dass von den Grünen so getan würde, als gäbe es ohnehin keinen wirklichen Lehrermangel und als sei bei den Studien kein Änderungsbedarf da. "Sowohl von Seiten der Studierenden als auch der Institutionen gibt es hier einen breiten Wunsch, dass sich etwas ändert."

Zu Wort meldete sich auch Andreas Schnider, Vorsitzender des Qualitätssicherungsrats für die Pädagogenbildung, der gemeinsam mit den PHs Luzern und St. Gallen die Evaluierungsstudie zur Lehrerausbildung verantwortet hat. In dieser sei es keinesfalls um die Frage gegangen, wie lange das Studium dauern sollte, sondern darum, wie der Kompetenzerwerb verläuft, betonte Schnider gegenüber der APA. Am stärksten sei dieser dann gewesen, wenn die Studieninhalte stark mit der Praxis abgestimmt waren. Deshalb plädiere er auch für einen berufsbegleitenden "dualen" Master, so Schnider. Er persönlich hielte auch zehn Semester Studiendauer für ausreichend, das 11. und 12 Semester seien in der Praxis ohnehin "nie wirklich gut gelebt" worden.

Unterstützung bekam Polaschek von den Pädagogischen Hochschulen. "Es geht nicht nur darum, einen punktuellen Lehrer*innenbedarf in den nächsten Jahren zu decken, sondern um eine Weiterentwicklung der Pädagog*innenbildung aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre", betonte der Vorsitzende der PH-Rektorenkonferenz Walter Vogel. Die PHs seien zur Umstellung auf die Struktur 3+2 bereit und könnten diese "qualitätsvoll und rasch" umsetzen.

In die Diskussion klinkte sich am Mittwochnachmittag auch der u. a. für Bildung zuständige steirische ÖVP-Landesrat Werner Amon ein. "In Zeiten des Lehrkräftemangels muss alles getan werden, um die derzeit vorhandenen Pädagoginnen und Pädagogen zu entlasten und einen qualitätsvollen Unterricht sicher zu stellen." Deshalb sei die von Minister Polaschek initiierte Reform der Lehrerausbildung und die Verkürzung der Studienzeit für Lehramtsstudierende unbedingt notwendig und richtig. "Hier darf es zu keinen Blockaden und Verzögerungen auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler kommen", so Amon.

Die FPÖ, die schon seit Längerem eine Verkürzung der Lehrerausbildung fordert, sah Polaschek "am Gängelband der Grünen". Wenn er sich nun nicht gegen den Koalitionspartner durchsetzen könne, bleibe er ein "reiner Ankündigungsminister ohne echte Durchsetzungskraft".

ribbon Zusammenfassung
  • Eigentlich hat Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) für Herbst den Beschluss der neuen Lehrerausbildung angekündigt, der Start war für das Studienjahr 2024/25 angepeilt.
  • Hintergrund ist Widerstand der Grünen gegen die Reform, für Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger sind "viele Fragen offen".
  • Die FPÖ, die schon seit Längerem eine Verkürzung der Lehrerausbildung fordert, sah Polaschek "am Gängelband der Grünen".