Grazer Moschee als Drehscheibe für Terror-Rekrutierung
Die Angeklagten im Alter von 23 bis 56 Jahren - größtenteils Bosnier und Österreicher - waren alle in der Grazer Furkan-Moschee aktiv und hatten in dem dafür gegründeten Verein zum Teil verschiedene Leitungsfunktionen - wie Obmann, Kassier oder Schriftführer - inne. Im Zuge ihrer Tätigkeiten sollen sie die jungen Menschen dazu gebracht haben, als IS-Kämpfer nach Syrien zu gehen bzw. diese darauf vorzubereiten. Angeklagt ist die Mitgliedschaft einer terroristische Vereinigung, Mitgliedschaft einer kriminellen Organisation, Terrorismusfinanzierung und staatsfeindliche Verbindungen, weshalb nun vor Geschworenen verhandelt wurde. Der 400 Seiten lange Akt aus Graz wurde nach Wien delegiert, da Facebook-Postings ausschlaggebend waren. Somit geht es um ein Medieninhaltsdelikt und der Oberste Gerichtshof entschied, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig ist. Die Angeklagten, die allesamt auf freiem Fuß sind, bekannten sich nicht schuldig.
Der 51-jährige Hauptangeklagte hat die Furkan-Moschee mit drei weiteren Beschuldigten 2008 gegründet. Fünf der Beschuldigten sollen laut Anklage beschlossen haben, dass die Moschee zu einem der Standorte und Stützpunkte terroristischer Vereinigungen wird - von 2012 bis Jahresende 2013 wurde die Terrororganisation "Jabhat al-Nusra" und ab 2014 der "Islamische Staat" unterstützt. Ziel war laut Staatsanwältin die Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten weltweiten Kalifats unter der Herrschaft des IS auf Grundlage der Scharia.
Dabei sollen die fünf Männer das Vereinsleben zu diesem Zweck entsprechend gestaltet haben. Mit einschlägigen Gesprächen, Vorträgen, dem Verkauf von Propagandamaterial sollten Interessierte angeworben werden. Den ersten Schritt machte man laut Staatsanwältin mit Koran-Verteil-Aktionen, um neue Mitglieder anzuwerben. Auch radikale Prediger wurden nach Graz geladen, darunter der bereits verurteilte frühere "Hassprediger" Mirsad O. Dieser soll in dem Prozess als Zeuge aussagen. Die Räumlichkeiten der Moschee wurden laut Staatsanwaltschaft sogar für Körpertrainings zur Verfügung gestellt, um sich auf eine militärische Ausbildung vorzubereiten.
Schon bald wurden laut Anklage die Vorträge in mehreren Sprachen angeboten, um mehr Menschen zu erreichen. Ein Zeuge berichtete, dass stets betont wurde, "wie schön und wichtig" es für Muslime sei "für den Islam zu kämpfen und als Märtyrer zu sterben". Leute, die in den Jihad zogen, waren deshalb "hoch angesehen".
Die Staatsanwältin betonte in ihrem Eröffnungsvortrag, dass laut Verfassungsschutz von 2012 bis 2020 334 Menschen aus Österreich ausgereist seien bzw. ausreisen wollten, um in den Jihad zu ziehen. 104 befinden sich immer noch in den Kampfgebieten, 72 waren gefallen, 95 kamen wieder zurück und wurden zum Teil schon wegen Terrordelikten verurteilt und 63 konnten an der Ausreise gehindert werden. 65 Prozent der Jihadisten sind 18 bis 25 Jahre alt, auch in der Furkan-Moschee sollen zumeist junge Musliminnen und Muslime angesprochen worden sein. 17 von ihnen haben die Ausreise geschafft, neun weitere konnten daran gehindert werden.
Angeklagt ist auch ein Geschwisterpaar, dessen Bruder in Syrien als "Sharia-Polizist" tätig und bei Kampfhandlungen gefallen war. Die mittlerweile 23-jährige Frau kam bereits als 14-Jährige in Berührung mit der Moschee. Sie wollte nicht nur selbst einen IS-Kämpfer heiraten und nach Syrien gehen, sie soll auch im Verwandten- und Bekanntenkreis andere "IS-Bräute" angeworben haben. Eine Freundin von ihr konnte nur an der Abreise gehindert werden, weil die Eltern davon Wind bekamen und die Papiere der Tochter versteckten.
Beschuldigt wird auch eine 32-jährige Frau - die Tochter eines Gründungsmitglieds der Moschee -, die in den für Frauen vorbehaltenen Räumen des Vereins Mitglieder angeworben und aufgefordert haben soll, IS-Kämpfer zu heiraten bzw. mit den Ehemännern in den Krieg zu ziehen.
Bei den weiteren Angeklagten handelt es sich um IS-Kämpfer, die sich für den Jihad vorbereitet haben bzw. deren Familien, die die Terrororganisation moralisch und finanziell unterstützt haben sollen. Unter ihnen befindet sich auch ein Grazer Arzt, der noch während seines Medizinstudiums in den Krieg ziehen wollte. Sein Vater hielt ihn mit einem Trick davon ab: Er solle doch erst sein Studium beenden, denn in Syrien wäre er als ausgebildeter Arzt wichtiger. Daher blieb es bei dem Versuch.
Ein Urteil soll nach derzeitigem Plan am 14. Oktober gefällt werden.
Zusammenfassung
- Am Wiener Straflandesgericht hat am Freitag ein Prozess gegen eine Gruppierung begonnen, der vorgeworfen wird, in einer Grazer Moschee Jugendliche und junge Erwachsene radikalisiert zu haben, um sie als Kämpfer für Terrororganisationen zu rekrutieren.
- 14 Beschuldigte müssen sich an 19 Verhandlungstagen verantworten, ein Urteil wird erst im Oktober gefällt.
- Die mittlerweile 23-jährige Frau kam bereits als 14-Jährige in Berührung mit der Moschee.