Familienleistungen decken Kinderkosten nicht ab
Der Staat unterstützt Familien monetär entweder durch direkte Zahlungen wie Familienbeihilfe und Mehrkindzuschlag oder durch indirekte Geldleistungen über Steuererleichterungen wie den Familienbonus. Ein Zwei-Erwachsenen-Haushalt kann damit allerdings von den durchschnittlichen monatlichen Kinderkosten von 494 Euro nur zwei Drittel abdecken. Es bleibt eine Lücke von 166 Euro pro Monat, zeigen die aktuelle Kinderkostenstudie von Statistik Austria und die vom Wifo durchgeführte Untersuchung "Monetäre Familienleistungen".
Im Einzelfall macht das Alter der Kinder einen großen Unterschied, denn während für Null-bis Fünfjährige laut Schätzung der Statistik Austria pro Monat 308 Euro anfallen, sind es bei 20- bis 24-Jährigen 703 Euro (die Schätzung berücksichtigt direkte Ausgaben sowie indirekte wie den Bedarf nach einer größeren Wohnung, Anm.). Im Gegensatz zu den Ausgaben steigen die Familienleistungen mit dem Alter allerdings kaum.
Noch einmal größer wird die Lücke bei den rund 6,6 Prozent der österreichischen Familien mit Alleinerziehenden: Hier sind die Kinderkosten mit 900 Euro im Schnitt fast doppelt so hoch wie in Zwei-Erwachsenen-Haushalten (u.a. weil Fixkosten wie etwa Miete stärker ins Gewicht fallen bzw. ältere Kinder mehr kosten). Mit den Familienleistungen können sie jedoch nur etwa ein Drittel der Kinderkosten decken, zeigt die Aufstellung der Wifo-Studie.
Die letzte Kinderkostenstudie stammt aus 1964. Seither wurden die Kosten nur jährlich valorisiert, was die tatsächlichen Mehrkosten für Kinder allerdings nicht abdecke, betonte Studienautor Martin Bauer von der Statistik Austria. Immerhin brauche man heute als Kind für eine Teilhabe an der Gesellschaft andere Dinge als noch in den 1960ern. Die angenommenen Kinderkosten sind allerdings wichtige Grundlage für Richtwerte etwa zur Festlegung von Kindesunterhalt oder der staatlichen Unterhaltssicherung, wenn der Vater nicht genügend oder gar keinen Unterhalt zahlt.
Die wichtigste Familienleistung ist laut der Wifo-Studie die nach Alter gestaffelte Familienbeihilfe (64 Prozent der gesamten Familienleistungen). Allerdings wurde diese - wie andere direkte Geldleistungen wie das Schulstartgeld - schon lange nicht mehr ausreichend valorisiert, kritisierte Wifo-Forscherin Silvia Rocha-Akis. Gleichzeitig gebe es seit Jahren eine Tendenz zu einer "Fiskalisierung" der Familienleistungen, also eine Verschiebung in Richtung steuererliche Begünstigungen (v.a. Familienbonus). Dabei seien allerdings Eltern mit geringeren Einkommen, Alleinerzieher oder Familien mit mehr Kindern benachteiligt.
Unterm Strich führt diese Struktur der Familienleistungen laut der Forscherin dazu, dass Familien mit den geringsten Einkommen unterdurchschnittlich von Familienleistungen profitieren, die mit dem höchsten Einkommen hingegen überdurchschnittlich. Mit Universalleistungen könne man das Ziel der Chancengleichheit auf jeden Fall besser unterstützen als mit Steuererleichterungen, betonte Rocha-Akis. Das sei aktuell auch deshalb relevant, weil Wifo-Studien gezeigt hätten, dass Haushalte mit Kindern in den vergangenen Jahren in der Einkommenshierarchie nach unten gerutscht seien und dies durch Umverteilungsinstrumente des Staates nicht kompensiert werden konnte.
Sozialminister Mückstein plädiert angesichts dieser Ergebnisse für die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie in Deutschland im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Durch ein Zusammenfassen der derzeit sehr fragmentierten Leistungen könnte man nämlich sicherstellen, dass Kinder unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund gewisse Grundleistungen erhalten. Immerhin seien derzeit in Österreich 291.000 Kinder armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Gleichzeitig räumte Mückstein ein, dass eine solche Kindergrundsicherung im Regierungsprogramm nicht vorgesehen ist.
Zur Ableitung konkreter politischer Maßnahmen seien die Daten noch zu frisch, betonte der Minister. Er verwies aber auf eine Reihe von Schritten, die zum Teil auch im Regierungsprogramm verankert seien: Den Fokus will Mückstein auf Alleinerzieherinnen setzen, immerhin sei die Hälfte von ihnen armutsgefährdet. Er nannte etwa die Reform des Unterhaltsrechts. Außerdem sollten Anstrengungen verstärkt werden, damit Frauen Familie und Beruf besser vereinen können. Aktuell in Arbeit sei außerdem das "Programm Kinderchancen" zu Verringerung von Kinderarmut bis 2030, ein erster Nationaler Aktionsplan soll bis zu Frühjahr stehen. Helfen soll etwa auch der Ausbau früher Hilfen oder die Erhöhung des Mehrkindbetrags im kommenden Jahr.
Zusammenfassung
- Ein Kind kostet einen Haushalt mit zwei Erwachsenen in Österreich pro Monat im Schnitt 494 Euro, in einem Ein-Erwachsenen-Haushalt sind es 900 Euro.
- Die staatlichen Familienleistungen decken das jedoch nur zum Teil ab, besonders groß ist die Lücke bei Alleinerziehern und bei älteren bzw. mehr Kindern, zeigt eine aktuelle Studie.
- Dabei seien allerdings Eltern mit geringeren Einkommen, Alleinerzieher oder Familien mit mehr Kindern benachteiligt.