Expertin zu Vollzeit-Debatte: Anreize und Sanktionen sind zu kurz gegriffen
Mit einem Vorstoß zur Vier-Tage-Woche sorgt die Gewerkschaft für Aufsehen. Sie setzt sich aktuell nicht nur für eine Arbeitszeitverkürzung bei Kollektivertragsverhandlungen ein, sondern SPÖ-Gewerkschafter Josef Muchitsch sprach sich im Ö1-Interview auch für einen Pilotversuch zur kürzeren Arbeitswoche nach dem Vorbild einer britischen Studie aus.
Expertin für Studie zur Vier-Tage-Woche
Eine solche Studie in Österreich hält auch die Arbeitsexpertin Lena Marie Glaser im PULS 24 Interview für sinnvoll. "Ich fände es sehr spannend, dass man auch in Österreich von staatlicher Seite einen strukturierten Versuch startet, und überprüft, wie sich das auswirkt und was man davon lernen kann", sagt sie.
Glaser forscht zu Trends in der Arbeitswelt und Bedürfnissen der jungen Generation. Außerdem berät sie Unternehmen und Institutionen dabei, wie sie Personal gewinnen und halten können. Viele Betriebe hätten bereits begonnen neue Arbeitszeitmodelle zu testen, um sich so als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und Fachkräfte zu finden. "Jetzt wäre es wichtig diese Ergebnisse zusammenzuführen und nicht gleich zu sagen: 'Nein das geht sicher nicht, denn wir haben Fachkräftemangel'", so Glaser.
Viele bereits jetzt überfordert
Dem Vorstoß von Arbeitsminister Martin Kocher zu mehr Vollzeitarbeit steht sie kritisch gegenüber, begrüßt aber, dass damit eine notwendige Diskussion angestoßen wurde. Viele Menschen seien bereits jetzt überfordert. "In meiner Forschung zeigt sich klar, viele Arbeitnehmer:innen sind heute unzufrieden und überlastet, psychisch und körperlich. Sie überlegen ihren Job an den Nagel zu hängen", sagt Lena Marie Glaser. Gerade dort brauche es neue Arbeitszeitmodelle, um Mitarbeiter zu entlasten. Es reiche nicht, mit Strafen oder kleinen Anreizen zu arbeiten. "Zu sagen: 'Ihr müsst in Zukunft noch mehr arbeiten', das ist viel zu kurz gegriffen," sagt sie im PULS 24 Interview. In ihrem Buch "Arbeit auf Augenhöhe – Die New Work Revolution" beschäftigt sie sich damit wie Arbeit fairer und nachhaltiger gestaltet werden kann.
"Quiet Quitting", Branchenwechsel, Selbstständigkeit
Mit der steigenden Unzufriedenheit beobachtet Lena Marie Glaser aktuell drei Trends. Dazu zählt das "Quiet Quitting". Viele können nicht einfach den Job an den Nagel hängen, "dann ziehen sie sich am Arbeitsplatz in einen 'Dienst nach Vorschrift' zurück'", erklärt Glaser. Gerade in Bereichen wie der Bildung, Pflege und Gastronomie beobachtet sie aber auch, dass Beschäftigte enttäuscht sind und die Branche ganz wechseln. Außerdem beobachtet die Expertin für New Work einen Trend, der in Zukunft vermutlich noch größer wird: "Sehr gut ausgebildete Beschäftigte, insbesondere 30- oder 40-Jährige überlegen, sich selbstständig zu machen und zu gründen: Wenn ich in einem Betrieb nicht die Rahmenbedingungen finde, die ich will, dann mach ich mein eigenes Ding."
Das Bewusstsein, welche Auswirkungen Teilzeitarbeit auf Pensionsansprüche haben, fehle sehr oft. "Bei jüngeren Menschen, so habe ich den Eindruck, überwiegt die Angst vor einem möglichen Burnout," erklärt Glaser. Viele würden früh merken, dass sie es bei so viel Druck erst gar nicht in die Pension schaffen. "Daher ist es so wichtig, dass sich die Politik, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretungen mit Expert:innen an einen Tisch setzen, um ernsthaft und ohne Scheuklappen über neue Arbeitsmodelle der Zukunft zu diskutieren", sagt die Expertin.
Zusammenfassung
- Im PULS 24 Interview erklärt Lena Marie Glaser, Autorin und Expertin für New Work, warum immer mehr Menschen die 4-Tage-Woche wollen.
- Sie hält Sanktionen und Anreize zur Vollzeitarbeit für zu kurz gegriffen.
- Außerdem fordert sie für Österreich eine großangelegte Studie, die die 4-Tage-Woche analysiert.