Experten trotz Budgetloch für Sozialstaat statt Sparpaket
"Schulden sind ein Problem", räumte Bayer ein. Die Frage sei aber, wann man mit dem Abbau dieser beginne. Geringe Staatsausgaben könnten die wirtschaftliche Nachfrage verringern und damit die Rezession verschärfen, so der frühere Weltbankdirektor. Denn Einsparungen würde es meist bei öffentlichen Investitionen und dem Sozialstaat geben. "Nicht vor 2026" solle das Sparen in Österreich beginnen.
Anfang Oktober hatte das Finanzministerium seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöht. Der Wert liegt über den EU-Schuldenregeln (Maastricht-Kriterien) von 3 Prozent. Diese würden aber auch Ausnahmen bereithalten, sagte Bayer: "Die EU-Vorgaben sind nicht so eng, wie es oft kolportiert wird."
Neben Kennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) müsse man auch den gesellschaftlichen Zusammenhang und Umweltfaktoren beachten, forderte der Ökonom. Denn auch sie seien Indikatoren für Wohlstand. Leistungen des Sozialstaats sollte man "nicht als laufende Ausgaben rechnen, sondern als Investitionen", sagte Bayer. Der kommenden Bundesregierung empfahl er, eine "Zukunftsstrategie" zu entwickeln und "erst dann über konkrete Einsparungen" zu reden.
Ingrid Mairhuber von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) betonte die Rolle des Sozialstaats bei der Armutsvermeidung. Aktuell liege der Anteil an Personen unter der Armutsschwelle in Österreich bei 15 Prozent. "Ohne Sozialleistungen wäre er bei 44 Prozent", strich die Forscherin hervor. Es gehe also nicht nur um die Bedürftigkeit von "ein paar Personen". Sozialleistungen sollten laut Mairhuber über die Armutsgefährdungsschwelle von 1.572 Euro pro Monat angehoben werden.
Wichtig sei ihr auch, unbezahlte Arbeit zu berücksichtigen. Der Großteil werde hier immer noch von Frauen geleistet. "Finanzielle Abhängigkeit ist strukturell angelegt", sagte Mairhuber. Sie möchte Frauen einen "individuellen Zugang" zu Einkommen ermöglichen. Dazu brauche es bessere Vereinbarkeit von Lohnarbeit und sozialen Verpflichtungen, mehr Kinderbetreuungs- und Pflegeangebote.
Zusammenfassung
- Der Ökonom Kurt Bayer spricht sich gegen ein Sparpaket aus und betont, dass Investitionen in den Sozialstaat wichtiger sind, um die wirtschaftliche Nachfrage zu stützen und eine Rezession zu verhindern.
- Das österreichische Finanzministerium hat die Defizitprognose für 2024 auf 3,3 % des BIP erhöht, was über den EU-Schuldenregeln liegt, aber Bayer weist auf mögliche Ausnahmen hin.