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Breite Kritik an geplantem Faktencheck-Aus bei Facebook

Die Ankündigung des Facebook-Konzern Meta, die Zusammenarbeit mit Faktencheckern beenden zu wollen, stößt auf breite Kritik. So reagierten etwa das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN), die NGO epicenter.works und Nobelpreisträgerin Maria Ressa enttäuscht und alarmiert. Der Schritt sei politisch motiviert im Zusammenhang mit dem baldigen Amtsantritt Donald Trumps, heißt es. Die Überprüfung von Fakten mit Zensur in Verbindung zu bringen, wird scharf verurteilt.

Facebook-Gründer und Konzernchef Marc Zuckerberg hatte am Dienstag in einem Video überraschend angekündigt, die Kooperation mit Faktencheckern zu beenden und künftig weniger stark bei der Verbreitung von Falschbehauptungen auf seinen Plattformen eingreifen zu wollen. Faktenchecker seien zu "politisch voreingenommen" gewesen und hätten viel Vertrauen zerstört, sagte Zuckerberg. Statt der Kennzeichnung von Postings mit Falschbehauptungen und den verlinkten Faktenchecks soll es künftig - ähnlich wie bei X (früher Twitter) nur mehr sogenannte Community Notes geben. Das heißt, dass jeder Nutzer und jede Nutzerin selbst Posts und deren Wahrheitsgehalt bewerten kann.

Meta reichte kurz nach der Ankündigung einen Bericht bei der EU-Kommission ein. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus mit den Vorgängen vertrauten Quellen. Meta versicherte zugleich, in der EU würden die Faktenchecks vorerst beibehalten. Es gebe keine unmittelbaren Pläne, die Überprüfung von Fakten durch Dritte auch in der EU abzuschaffen, erklärte der Konzern am Mittwoch. Weiter hieß es von Meta, vor jeglicher Änderung für Nutzerinnen und Nutzer in Europa werde der Konzern zunächst seine rechtlichen Pflichten gemäß den EU-Regeln prüfen.

Faktenüberprüfung mit Zensur gleichzusetzen sei eine "falsche und böswillige Behauptung". Factchecking sei keine Zensur, sondern bereichere öffentliche Debatten, liefere Kontext und Fakten, damit sich jede und jeder eine eigene Meinung bilden könne, reagierte das EFCSN in einem Statement. "Die Überprüfung von Fakten hat sich als wirksames Mittel gegen Fehlinformationen erwiesen, und zwar immer wieder", betonte das Netzwerk.

Auch epicenter.works - die NGO setzt sich für digitale Rechte ein - hielt auf APA-Anfrage fest, dass Faktenchecks natürlich Einfluss auf die Verbreitung von Falschinformationen haben. Da Facebook als Onlineplattform keine Verantwortung für die Inhalte seiner Nutzerinnen und Nutzer übernehme, sei es umso wichtiger die Verbreitung von Inhalten gemäß verantwortungsvoller Kriterien zu steuern und dabei nicht nur auf die Maximierung von Klickzahlen und Werbeeinnahmen zu achten.

Epicenter.works sieht einen "Kniefall vor Trump". "Meta macht seine sozialen Medien in den USA damit zu einem perfekten Nährboden für Fake-News und Hassrede, womöglich um einer Regulierung oder Zerschlagung durch die Trump-Administration zu entgehen. Damit verlassen wir wohl wieder ein Stück mehr den Boden einer faktenorientierten Welt", so die NGO.

Die von Zuckerberg angekündigten Community Notes erachtet epicenter.works als "sehr manipulationsanfälliges System" - speziell bei besonders umkämpften Themen wie Migration oder Schwangerschaftsabbrüchen. "Wenn sich zu viele verschiedene Meinungen gegenüberstehen, kann der Post vom System nicht eindeutig eingeordnet werden und wird somit nicht als Falschmeldung markiert - auch wenn es sich um objektiv nachprüfbare Fakten handelt", warnt die NGO. Unterm Strich bedeuten Community Notes: "die Mehrheit hat Recht". Besonders in sozialen Medien sei das aber ein gefährlicher Trugschluss.

Auch die philippinische Journalistin und Nobelpreisträgerin Maria Ressa zeigte sich besorgt über die Entscheidung Zuckerbergs. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch warnte Ressa vor "bevorstehenden extrem gefährlichen Zeiten" für die Demokratie, für den Journalismus und für die Nutzer von Online-Medien. Zuckerberg gehe es nicht um die Rede- und Meinungsfreiheit. "Mark Zuckerberg sagt, es ist eine Frage der Redefreiheit - das ist vollkommen falsch." Sie fügte hinzu: "Nur wenn du profitorientiert bist, kannst du das behaupten. Nur wenn du Macht und Geld willst, kannst du das behaupten", sagte Ressa. Es gehe Zuckerberg vielmehr um Sicherheit. Die Behauptung des Facebook-Gründers, dass Faktenchecker politisch voreingenommen seien, wies Ressa zurück. Das Ende des Faktenüberprüfungsprogramms würde zu einer "Welt ohne Fakten führen", sagte sie. Und eine Welt ohne Fakten ebne den Weg für Diktatoren.

Ressa berichtete auf dem regierungskritischen Nachrichtenportal "Rappler", das sie mitgegründet hatte, über den gewaltsamen Antidrogenkampf unter dem damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte, bei dem tausende Menschen getötet wurden. Wegen ihrer Arbeit wurde sie bedroht, verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. 2021 erhielt sie den Friedensnobelpreis für ihre Verdienste um die Meinungsfreiheit. "Rappler" ist einer der Partner, die mit dem Faktenüberprüfungsprogramm von Facebook zusammenarbeiten.

Es sei "schlichtweg falsch", dass Faktenchecker zu politisch voreingenommen seien, betonte auch das EFCSN in seinem Statement. Faktenprüfer würden den "höchsten journalistischen Standards der unvoreingenommenen Berichterstattung, Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit" unterliegen, wobei Organisationen wie das EFCSN diese Standards durch eine unabhängige Prüfung aufrechterhalte.

Das Netzwerk warnte angesichts bevorstehender Wahlen in mehreren europäischen Ländern vor steigender Wahlbeeinflussung durch ausländische Akteure, sollte der Kampf gegen Desinformation reduziert werden. Die EU müsse deshalb bei der Durchsetzung ihrer eigenen Gesetze bleiben, "auch wenn andere Länder Druck ausüben". Das EFCSN ermutige die Europäische Union, dem "politischen Druck standzuhalten" und sich in ihren Bemühungen, die Verbreitung von Falsch- und Desinformationen auf großen Online-Plattformen zu stoppen, nicht beirren zu lassen, hieß es.

Der deutsche CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte eine Regulierung von Meta durch die EU. "Ich beobachte das mit zunehmender Besorgnis, dass hier vor allem Plattformen geschaffen werden für Falschinformationen, für einseitige Kampagnen, für Halbwahrheiten, für Hetze, für Hass und diese Auswüchse, die wir dort sehen", sagte Merz laut Nachrichtenagentur dpa bei der CSU-Klausur im bayerischen Kloster Seeon. Er befürworte deshalb, "dass sich die Europäische Union mit diesem Thema beschäftigt und dass sie das auch reguliert". Die digitale Welt sei, was die Frage der demokratischen Kontrolle und der Legitimation der Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit betreffe, keine andere als die analoge, betonte Merz. "Auch in der analogen Welt haben wir Freiheitsrechte gehabt, aber die gingen immer nur so weit, wie die Freiheit der anderen gegangen ist." Das sei bereits bei der Urheberrechtsrichtlinie diskutiert worden und gelte es nun auch bei den sozialen Medien zu klären. Entscheidend sei für ihn, so Merz, "dass die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit in vollem Umfang gewährleistet bleiben muss. Aber diejenigen, die sich an diese Regeln nicht halten, die dürfen in den Plattformen nicht ein Spielfeld finden, das praktisch ohne Regeln funktioniere.

Das "European Fact Checking Standards Network" wurde mit Unterstützung der EU gegründet und hat über 50 verifizierte Mitglieder in ganz Europa, darunter auch APA-Faktencheck. Es hat sich zu den Standards der Unabhängigkeit, Transparenz und journalistischen Qualität verpflichtet, die im Europäischen Kodex für unabhängige Fact-Checking-Organisationen festgehalten sind.

ribbon Zusammenfassung
  • Meta plant, die Zusammenarbeit mit Faktencheckern zu beenden, was auf Kritik von Organisationen wie dem EFCSN und epicenter.works stößt.
  • Marc Zuckerberg kündigte an, weniger gegen Falschbehauptungen vorzugehen und auf Community Notes zu setzen, ähnlich wie bei X.
  • Meta versichert, dass in der EU die Faktenchecks vorerst beibehalten werden, während Kritiker vor einer Zunahme von Fake-News warnen.
  • Maria Ressa kritisiert Zuckerbergs Fokus auf Profit und Macht und warnt vor gefährlichen Zeiten für Demokratie und Journalismus.
  • Friedrich Merz fordert eine Regulierung von Meta durch die EU, um die Verbreitung von Falschinformationen auf Plattformen zu kontrollieren.