EU-Länder verständigen sich auf neue Sanktionen gegen Iran
Konkret sollen von den Strafmaßnahmen 31 Personen und Einrichtungen betroffen sein - darunter zum Beispiel ranghohe Vertreter der Polizei und der Basij-Milizen. Sie sehen vor, dass Einreiseverbote erlassen werden und in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden.
Im Iran gibt es seit Wochen landesweite Proteste, die durch den Tod einer jungen Frau nach ihrer Festnahme durch die sogenannte Sittenpolizei in Teheran ausgelöst worden waren. Die Frau hatte angeblich ihr islamisches Kopftuch nicht streng genug getragen. Die EU hatte wegen des brutalen Vorgehens gegen Demonstranten bereits am 17. Oktober mehrere Verantwortliche und Organisationen auf ihre Sanktionsliste gesetzt, darunter die Sittenpolizei und die Cyber-Einheit der Revolutionsgarden. Am 20. Oktober traten ähnliche EU-Strafmaßnahmen gegen einen iranischen Drohnenhersteller sowie drei Militärvertreter in Kraft. Hintergrund ist die Lieferung militärischer Drohnen an Russland, die Teheran inzwischen eingeräumt hat.
Der Iran bestreitet dagegen bisher Berichte über Raketenlieferungen an Russland. Sollte sich dies bestätigen, dürfte die EU auch in diesem Bereich Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Daneben gibt es Bemühungen, die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU zu setzen. Darüber gibt es dem Vernehmen nach bei den Mitgliedsländern aber bisher keinen Konsens.
Die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation könnte nach Ansicht von Kritikern die ohnehin schon geringen Chancen auf eine Fortführung des Atomabkommens mit dem Iran mindern. Mit diesem soll der Iran eigentlich dauerhaft zu einem Verzicht auf die Entwicklung von Atomwaffen bewegt werden. Beobachter erwarten im Falle einer Einstufung als Terrorgruppe scharfe Reaktionen aus Teheran.
Die Revolutionsgarden (IRGC) sind im Iran die Eliteeinheit der Streitkräfte und weitaus wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Die Einheit hat auch großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land.
Unterdessen wurde Berichten zufolge die Schwester des 2020 hingerichteten Ringers Navid Afkari von der iranischen Geheimpolizei verhaftet. Elham Afkari werde Spionage und Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen, meldete die Nachrichtenagentur Tasnim am Donnerstag. Als Grund nannte Tasnim, dass Afkari mit dem in London ansässigen Sender "Iran International" zusammengearbeitet haben soll. Navid Afkari war 2020 trotz internationaler Proteste in der Großstadt Shiraz hingerichtet worden. Ihm wurde angelastet, 2018 bei Demonstrationen einen Sicherheitsbeamten getötet zu haben. Familie und Menschenrechtsorganisationen hatten ein Geständnis angezweifelt und erklärt, es sei durch Folter erzwungen worden. Amnesty International forderte die iranischen Behörden am Freitag auf, die Frau sofort freizulassen, sie vor Folter und anderen Misshandlungen zu schützen und ihr Zugang zu ihrer Familie und ihren Anwälten zu gewähren.
Teheran hat zuletzt immer wieder ausländische Mächte für die seit mehreren Wochen andauernden systemkritischen Demonstrationen im Land verantwortlich gemacht und betrachtet den Sender "Iran International" als Terrororganisation. Der Sender dementierte allerdings auf Twitter eine Kooperation mit Elham Afkari.
Eine im Iran festgenommene Reisebloggerin aus Italien ist hingegen nach Angaben aus Rom nach "intensiven diplomatischen Arbeiten" wieder freigelassen worden. Die Römerin Alessia Piperno war am 28. September in Teheran festgenommen und im Anschluss in das berüchtigte Gefängnis von Evin gebracht worden. Piperno, die sich seit Juli im Iran aufhielt, soll sich in den sozialen Netzwerken kritisch über das Regime geäußert haben. Die Angehörigen der Frau beteuerten, dass sich Piperno nicht an den Demonstrationen beteiligt habe.
In Österreich veranstalten die Österreichisch-Iranische Ärztegesellschaft (ÖIÄG) und die Medical Professionals for Human Rights in Iran-Austria (IRANMED) am Donnerstagnachmittag um 14.00 Uhr eine Solidaritätskundgebung vor dem Außenministerium in Wien. "Im Iran sind die Ärzte und das medizinische Personal stark unter Druck, da sie die verletzten Demonstranten medizinisch versorgen wollen und müssen. Die Versorgung der Verletzten gilt als Straftat. Selbst Apotheken dürfen keine Medikamente und Verbandsmaterialien an Verletzte verkaufen", heißt es in einer Stellungnahme auf der Homepage der ÖIÄG. Die Organisation fordert die Freilassung des medizinischen Personals und anderer politischer Gefangener sowie ein "sofortiges Ende jeglicher Repression gegen medizinisches Personal, das seine Arbeit in Übereinstimmung mit seinem hippokratischen Eid verrichtet".
Am Samstag können Passanten am Stephansplatz bei der Aktion "Eine Strähne für den Iran" Haarsträhnen als Zeichen der Solidarität abgeben. Diese will eine Gruppe von Aktivisten, u. a. die in Teheran geborene Kabarettistin Aida Loos, kommende Woche vor dem Parlament deponieren, um gegen den Besuch einer iranischen Delegation, die für Atomverhandlungen nach Wien kommt, zu protestieren. "Wenn schon mit diesem brutalen Regime verhandelt wird, dann muss die Freilassung der politischen Gefangenen eine Bedingung sein", fordern Exil-Iraner gemeinsam mit österreichischen Prominenten laut einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Die EU-Staaten haben sich angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran auf ein neues Sanktionspaket verständigt.
- Die Einheit hat auch großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land.
- Teheran hat zuletzt immer wieder ausländische Mächte für die seit mehreren Wochen andauernden systemkritischen Demonstrationen im Land verantwortlich gemacht und betrachtet den Sender "Iran International" als Terrororganisation.