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EU-Asyl: Tschechien für Verständigung mit Ungarn und Polen

Tschechien will eine breite Entscheidung für das EU-Asylpaket. Ein Beschluss mit einer knappen qualifizierten Mehrheit sei "sehr gefährlich", sagte der tschechische Innenminister Vít Rakušan im Gespräch mit der APA in Wien. Es gebe zu wenig Unterstützung für den Migrationspakt und enttäuschte Länder, die sich betrogen fühlten. Ungarn und Polen hätten "ihre Gründe" für die Ablehnung des Pakets. "Wir dürfen nicht darauf verzichten, mit ihnen zu diskutieren", erklärte er.

Auch Tschechien hat Bedenken: Er selbst habe von seiner Regierung kein Mandat, einer Regelung zuzustimmen, die eine verpflichtende Verteilung von Migranten vorsieht. Prag wünscht sich außerdem die Thematisierung der Gefahr der Instrumentalisierung von Migranten, wie es etwa Belarus oder auch die Türkei getan haben. Angesprochen auf den ausgelaufenen Flüchtlingsdeal mit der Türkei zeigte sich Rakušan gesprächsbereit.

Der Kompromiss für den EU-Asyl- und Migrationspakt sei ein "Sprungbrett" für weitere Schritte und Konzepte. Wenn der Rahmen steht, könne auch über die "Externalisierung der Migration" gesprochen werden. Ein "Modell Ruanda", das er für sinnvoll erachtet, sieht Rakušan nicht unmittelbar bevorstehen. Um Migranten unabhängig von ihrer Herkunft in sichere Länder wie Ruanda zu schicken, brauche es eine ausführliche Debatte und rechtliche Änderungen.

Der tschechische Innenminister und Vizepremier hofft auf einen Beschluss zur Schengen-Erweiterung im Dezember. Rakušan sprach auch mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei seinem Besuch in Wien am Freitag über dessen Veto gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien. Das Veto war für Tschechien, das zu der Zeit den EU-Ratsvorsitz innehatte, "eine Enttäuschung", sagte Rakušan. Aus der Sicht Tschechiens seien die Länder gut vorbereitet gewesen und "haben alle Bedingungen erfüllt".

Ihr Beitritt zum grenzkontrollfreien Raum bedeute auch "mehr Sicherheit", ist der tschechische Innenminister überzeugt. Wenn die rumänische Polizei nicht an den Grenzen zu den jetzigen Schengenmitgliedern stehen müsse, hätte sie mehr Kapazitäten, die EU-Außengrenze zu schützen. Rakušan zeigte aber gleichzeitig Verständnis für die Beweggründe Karners. Auch er sehe, dass "Schengen nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen".

Tschechien, das seit Mittwoch seine Grenze zur Slowakei kontrolliert, hat sich durch Polen zu dieser Maßnahme gezwungen gefühlt. Er habe am Montag aus tschechischer Sicht eigentlich "keinen Grund für Kontrollen gesehen", sagte Rakušan. Aber als er aus Polen die Nachricht über die Einführung der Kontrollen bekommen habe, "haben wir reagieren müssen". Auch wenn, wie er zugab, "nicht gern". Es sei um Prävention gegangen, damit Migranten nicht durch Tschechien ausweichen können.

"Trotz steigender Migrationszahlen in Europa war die Zahl der Menschen, die aus der Slowakei nach Tschechien kommen, heuer wesentlich niedriger als im vorigen Jahr." Auch die Zusammenarbeit mit der slowakischen Polizei sei "ohne Probleme" gewesen, erklärte Rakušan die Situation. Dennoch setzten Polen, Tschechien und Österreich Grenzkontrollen zur Slowakei am Mittwoch um Mitternacht in Kraft. Davor hatte Deutschland Kontrollen zu Tschechien und Polen eingeführt. Doch diese seien "nicht vergleichbar", erläuterte Rakušan. Bei den Deutschen handle es sich um nichtständige Kontrollen, die sie gemeinsam mit der tschechischen Polizei nicht an der ganzen Grenze, sondern an einzelnen Übergängen durchgeführten.

Zum Wahlsieg des russlandfreundlichen Linkspopulisten Robert Fico in der Slowakei sagte Rakušan: Er wolle Fico "nicht an den Worten, sondern an den Taten messen". Eine "Orbanisierung" der Slowakei befürchtet er nicht. Fico und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán seien "doch unterschiedliche politische Typen". Allerdings seien im slowakischen Wahlkampf sehr heftige Angriffe zu beobachten gewesen. Dinge wie Schimpfwörter gegen die slowakische Präsidentin habe es in der Slowakei "noch nie gegeben".

Auch in seinem Land hätten Populisten Zulauf, spielten mit der Angst der Menschen und zeigten auf die vielen Ukrainer und Ukrainerinnen in Tschechien. 358.000 Menschen, die 2022 vor dem Krieg in der Ukraine flüchteten, habe Tschechien aufgenommen. Rund 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer lebten bereits davor in Tschechien. Während zunächst vor allem Frauen und Kinder gekommen seien, seien es nun auch Männer. Die Solidarität der tschechischen Bevölkerung, die anfangs sehr hoch gewesen sei, sinke.

(Das Gespräch führte Alexandra Demcisin/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Ein Beschluss mit einer knappen qualifizierten Mehrheit sei "sehr gefährlich", sagte der tschechische Innenminister Vít Rakušan im Gespräch mit der APA in Wien.
  • Ungarn und Polen hätten "ihre Gründe" für die Ablehnung des Pakets.
  • Er habe am Montag aus tschechischer Sicht eigentlich "keinen Grund für Kontrollen gesehen", sagte Rakušan.
  • Dennoch setzten Polen, Tschechien und Österreich Grenzkontrollen zur Slowakei am Mittwoch um Mitternacht in Kraft.