Hatay 9 Monate nach ErdbebenHilfswerk International

Erdbeben in der Türkei: Neun Monate und kein "Happy End"

Hatay im Süden der Türkei liegt auch neun Monate nach dem verheerenden Erdbeben in Trümmern. Hilfsorganisationen versuchen Leerstellen in der Infrastruktur zu füllen, Perspektive für die lokale Bevölkerung sehen sie keine.

Am 6. Februar 2023 bebte die Erde in der Türkei - mehr als 59.000 Menschen kamen ums Leben, mehr als 121.000 wurden verletzt. Der Wiederaufbau läuft nicht an, berichten Helfer vor Ort, die Menschen fühlen sich vergessen. 

Die Hilfsorganisation Hilfswerk International war bereits an Tag drei nach dem verheerenden Erdbeben vor Ort, erzählt Heinz Wegerer im Interview. Er war für die Organisation auch Anfang November wieder in der Region Hatay im Süden der Türkei.

Direkt nach dem 6. Februar leistete die Organisation Ersthilfe mit Versorgung mit Lebensmitteln oder Hygieneartikeln, nun neun Monate später ist man in der nächsten Phase. Es wurden viele Bildungseinrichtungen bei dem Erdbeben zerstört, die Infrastruktur versucht man nun wieder aufzubauen. Viele Kinder seien immer noch komplett vom Zugang zur Bildung abgeschnitten. Auch zu Trinkwasser kommen viele Menschen in der Region eingeschränkt oder überhaupt nicht.

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Viele Gebäude, die abgerissen werden sollten, stehen noch immer. Und stellen eine Gefahr dar, und erinnern die Menschen daran, dass sie alles verloren haben, berichtet Wegerer.

Wegerer war nun zum fünften Mal in der Region. Mit einer türkischen Kollegin besichtigten sie einsturzgefährdete Gebäude, in denen sie aufgewachsen war. In einem Trümmerhaufen fand sie ihre Lederjacke wieder. 

Schutt verhindert Aufbau

An Wiederaufbau ist überhaupt nicht zu denken, immer wieder gibt es Nachbeben, Wissenschaftler würden davor warnen zu bauen. Nach wie vor wird mit einem großen Erdbeben in der Region um Istanbul gerechnet.

Die Trümmer der Häuser würden nicht mehr weggeräumt, berichtet Wegerer. 14.000 Fußballfelder könnten einen Meter hoch mit dieser Menge an Schutt gefüllt werden, so die Vereinten Nationen.

Die Zerstörung ist erdrückend - jedes Mal hofft man irgendwie, dass sich etwas verändert hat und dass es irgendwie bergauf geht. Aber es gibt keine Hoffnung, es war dieses Mal wieder eine richtige Watsche. 

Heinz Wegerer, Hilfswerk International
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Laut den Vereinten Nationen wurden 1.5 Millionen Menschen durch das Erdbeben in der Türkei und Syrien obdachlos. Zuletzt warnten lokale Ärztinnen und Ärzte, dass die Region nicht auf den Winter vorbereitet sei. 

Container und improvisierte Unterkünfte

100.000 Familien, also 400.000 Menschen, würden aktuell noch in Containern wohnen, so Wegerer. Weitere 400.000 sind in inoffiziellen Zelt-Camps und anderen improvisierten Unterkünften untergebracht. 

Nach Unwettern in der Region Anfang Oktober gab es Überschwemmungen. Im Krankenhaus der Stadt Antakya starb ein Mann durch einen Stromschlag durch offene Kabel, berichtete der türkische Arzt Sevdar Yilmaz gegenüber Nachrichtenagenturen.

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Die Zelte seien unoffizielle Unterkünfte, so Wegerer. Hunderte Familien sind hier untergebracht, es fehlt an Grundlegendem, wie Gas, um überhaupt zu kochen.

Dass die Lage derartig schlimm sei, hätte er selbst nicht geglaubt, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, so Wegerer. "Es gibt überhaupt keine Planung für die Leute, wie es nun weitergehen oder funktionieren soll". 

"Jeder der jetzt in diesen Containern sitzt, hat jemanden verloren. Die Menschen haben alles verloren, Familie, Zuhause, Arbeitsplatz, Nachbarschaft, Identität - sie fühlen sich im Stich gelassen."

Die Container-Siedlung schildert er als unglaublich trist. Sie steht nun in der Region Hatay, ein Teil der Container kam bereits bei der Fußball-WM 2022 in Katar als Unterkünfte zum Einsatz. 

Keine Perspektive in Syrien

Die Region sei multiethnisch, multireligiös und multikulturell, was die Menschen stolz gemacht habe, sagt Wegerer. Viele Menschen im Süden der Türkei wüssten, dass sie nicht weit oben auf der Prioritäten-Liste der Politik ständen. 

Auch in Syrien, um die Stadt Idlib, ist Hilfswerk International aktiv. Hinreisen konnte Wegerer dort selbst nicht, weil das Gebiet erst vor kurzem von Russland bombardiert wurde. Hier versucht die Organisation Frauen und Kinder mit Handarbeits- und Alphabetisierungskursen zu unterstützen.

Perspektive gibt es für diese Menschen nur für 24 Stunden, sagt Wegerer. "Es ist ein Überleben und kein Leben dort. In Idlib gibt es kein Happy End."

 

ribbon Zusammenfassung
  • Hatay im Süden der Türkei liegt auch neun Monate nach dem verheerenden Erdbeben in Trümmern.
  • Hilfsorganisationen versuchen Leerstellen in der Infrastruktur zu füllen, Perspektive für die lokale Bevölkerung sehen sie keine.