APA/APA/AFP/JOE KLAMAR

Diplomaten bedauern Ende der "Wiener Zeitung"

Kurz vor dem Aus der "Wiener Zeitung" haben sich drei Diplomaten im gemeinsamen Interview mit der Zeitung (Donnerstag-Ausgabe) zu Qualitätsjournalismus und Österreichs Außenpolitik geäußert. "Ich bedaure es außerordentlich, dass es die 'Wiener Zeitung', die wahrscheinlich älteste noch existierende Tageszeitung der Welt, nicht mehr in ihrer bisherigen Form geben wird", sagte der Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien, Martin Selmayr.

Der US-Botschafterin Victoria Reggie Kennedy betonte: "Wir brauchen Qualitätsjournalismus. Journalisten spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen Desinformation". "So ist es", ergänzte Großbritanniens Botschafterin Lindsay Skoll. "Regierungen oder Diplomaten können sich Tag und Nacht über das Problem der Desinformation aus russischen Trollfabriken den Mund fusselig reden, aber unabhängiger Journalismus ist das wirksamste Antiserum dagegen."

Gefragt nach ihren Erwartungen an Österreich sprachen die Diplomaten die Neutralität und die Beziehungen zu Moskau an. "Ich glaube, es war wirklich wichtig, dass die offiziellen Stimmen Österreichs klar formuliert haben, dass Neutralität nicht gleichbedeutend ist mit Gleichgültigkeit", sagte Kennedy. Skoll betonte: "Österreich hat sich jahrzehntelang der Brückenfunktion zwischen Ost und West gerühmt, dafür brauchte man gute Beziehungen zu Moskau." Aber nun gebe es Krieg in Europa, "und wir können nicht mehr zurück zum Status quo ante. Das erfordert ein schmerzhaftes intellektuelles, emotionales und auch ökonomisches Umdenken."

"Es ist nie eine gute Idee, mit Putin zu tanzen", erklärte Selmayr." Und was unseren Umgang mit (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin betrifft: In der Rückschau sind wir alle klüger." Der EU-Vertreter hob ebenfalls hervor, dass Österreich seine militärische Neutralität erklärt habe, aber moralisch nicht neutral sei. Österreich sei ein wichtiger Akteur auf dem Feld der humanitären Hilfe für die Ukraine.

"Es dauerte eine Weile, bis Österreich zur humanitären Entminung dabei war - doch nun ist das so, und das ist bedeutsam, weil Österreich auf diesem Feld wertvolle Expertise besitzt", sagte Selmayr. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Frage, wie sich Österreich aus der Abhängigkeit vom russischen Gas befreien werde. "Denn eines ist klar: Wann immer Österreich Gas aus Russland bezieht, wandert österreichisches Geld auf russische Konten, und mit diesem Geld finanziert Russland seinen mörderischen Krieg gegen die Ukraine. Gerade ein friedliebendes Land wie das neutrale Österreich muss alles unternehmen, um solche Geldflüsse zu stoppen."

ribbon Zusammenfassung
  • Kurz vor dem Aus der "Wiener Zeitung" haben sich drei Diplomaten im gemeinsamen Interview mit der Zeitung zu Qualitätsjournalismus und Österreichs Außenpolitik geäußert.
  • "Ich bedaure es außerordentlich, dass es die 'Wiener Zeitung', die wahrscheinlich älteste noch existierende Tageszeitung der Welt, nicht mehr in ihrer bisherigen Form geben wird", sagte der Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien, Martin Selmayr.