Die volksnahe "Fettnäpfchen-Maschine": Wer ist Joe Biden?
Seit fast einem halben Jahrhundert ist Joe Biden in der US-Bundespolitik. Ab 1972 vertrat Biden als damals 30-Jähriger den Bundesstaat Delaware im US-Senat, er war einer der jüngsten Senatoren der US-Geschichte. 35 Jahre lang war er Senator ehe er 2007 als Vizepräsident von Barack Obama ins Weiße Haus einzog. Nun tritt er zum dritten Mal - nach 1988 und 2008 - als demokratischer Präsidentschaftskandidat an.
Sein Kontrahent, US-Präsident Donald Trump, versucht Biden aufgrund seiner jahrzehntelangen politischen Tätigkeit im Wahlkampf oft als Mann des Systems und Apparatschik hinzustellen. Ein großer politischer Visionär oder Theoretiker war Biden tatsächlich nie. Trotz langjähriger Tätigkeit im Senats-Komitee für Außenpolitik muss sich Biden den Vorwurf gefallen lassen, bei einigen maßgeblichen politischen Entscheidungen falsch gelegen zu sein. So war er etwa 1991 gegen den Golfkrieg im Zuge der irakischen Invasion Kuwaits. Dafür stimmte er 2001 für den Afghanistan-Krieg und 2002 für den Einmarsch in den Irak - beides Kriege, die die US-Öffentlichkeit inzwischen negativ sieht.
Persönliche Schicksalsschläge als Polit-Auftrag
Innenpolitisch macht sich Biden für leistbare und sichere Krankenversorgung stark und unterstützt den "Affordable Healthcare Act" (nach US-Präsident Barack Obama umgangssprachlich auch "Obamacare" genannt). Den Vorstoß zu einer allgemeinen Krankenversicherung, wie er aus dem linken Flügel der Demokraten kommt, unterstützt Biden allerdings nicht. Sein Engagement für Krankenversorgung sei "sehr persönlich", sagte Biden einmal. Der 77-Jährige erlebte nämlich gleich zwei schwere persönliche Schicksalsschläge. 1972, kurz nach seiner Wahl zum Senator, verlor er seine erste Frau Neilia und seine einjährige Tochter Naomi durch einen Autounfall. Im Jahr 2015 starb sein Sohn Beau an einem Hirntumor.
Als altgedienter Senator mit Ansehen bei Vertretern beider Parteien steht Biden zudem für Versöhnung im Gegensatz zu Trumps Politik der Polarisierung und Spaltung. Der 77-Jährige gilt als großer Verfechter der Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Tatsächlich vertrat er vor allem zu Beginn seiner politischen Karriere einige sehr konservative Positionen. So stimmte er etwa gegen die Desegregationsmaßnahme des "Race-integration Busing", die vorsah, Schüler in zum Teil weiter entfernte Schulen zu schicken, um dort mehr Durchmischung zu erreichen. In einem Interview Mitte der 1970er bezeichnete er sich zudem als konservativ in der Abtreibungsfrage.
Die volksnahe "Fettnäpfchen-Maschine"
Ein großes Plus für Biden ist seine umgängliche und volksnahe Art, die ihm auch politische Gegner bescheiden. Trotz seines Sprachfehlers - Biden stotterte in seiner Kindheit - galt er zumindest früher als guter Redner. Im Wahlkampf fiel er allerdings immer wieder durch Versprecher und Gedächtnislücken auf.
Auch lässt Biden sich oft zu unüberlegten Äußerungen hinreißen, die ihm bereits in der Vergangenheit immer wieder geschadet haben. So beschrieb er etwa bei den Vorwahlen 2007 seinen Konkurrenten Barack Obama als "ersten Mainstream-Afroamerikaner, der wortgewandt und gescheit und sauber und ein gutaussender Typ" sei. Von dieser Äußerung erholte sich sein Wahlkampf nicht mehr. Seine verbalen Ausrutscher wischen Biden selbst und viele Politikerkollegen öfters mit einem Lächeln weg. Er selbst bezeichnete sich selbstironisch als "Fettnäpfchen-Maschine".
Obamas Glanz
Am meisten profitiert Biden aber von seiner Vizepräsidentschaft unter Barack Obama. Der Glanz der Obama-Jahre haftet Biden immer noch an und verschafft ihm einen großen Bonus bei afroamerikanischen Wählern, den er bereits bei den Vorwahlen um den heftig umkämpften "Swing State" North Carolina nutzen konnte. Auf eine starke Mobilisierung bei schwarzen Wählern kann Biden auch dank der Rassismus-Proteste und der von Trump stetig geschürten Polarisierung hoffen. Obama unterstützt seinen einstigen Vizepräsidenten inzwischen auch aktiv im Wahlkampf.
Zusammenfassung
- Der 77-jährige Joe Biden ist seit fast 50 Jahren Berufspolitiker. Er gilt als Pragmatiker der Mitte und erfahrener Außenpolitiker, aber auch als "Fettnäpfchen-Maschine". Am 3. November könnte er im dritten Anlauf die Wahl zum US-Präsidenten gewinnen.