Dämpfer für Polen und Ungarn im Rechtsstaats-Streit mit EU

Im Rechtsstaats-Streit mit der EU zeichnet sich eine juristische Niederlage Polens und Ungarns ab: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) empfahl am Donnerstag in Luxemburg die Abweisung der Klage beider Länder gegen den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus, der die Kürzung von EU-Geldern für die beiden Staaten ermöglicht. Aus Polen und Ungarn kam scharfer Protest.

In seinem Schlussantrag vor dem EuGH erklärte Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona, die Regelung sei mit dem EU-Vertrag vereinbar und stehe "im Einklang mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit". Die Schlussanträge sind für die Richter nicht bindend, werden aber in den meisten Fällen befolgt.

Polen und Ungarn hatten gegen die seit diesem Jahr geltende Regelung geklagt, nach der die EU ihren Mitgliedstaaten Mittel aus dem gemeinsamen Budget kürzen kann. Voraussetzung für eine Kürzung ist, dass wegen Rechtsstaatsverstößen ein Missbrauch der Gelder droht.

Generalanwalt Sanchez-Bordona wies unter anderem darauf hin, dass die Verordnung einen Mechanismus zur "Gewährleistung der korrekten Ausführung des Haushaltsplans der Union" enthält. Da der Begriff der Rechtsstaatlichkeit in der EU weit gefasst sei, könne ihn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang präzisieren.

Die beiden Länder reagierten empört: Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter von einem "Verbrechen gegen die Rechtsstaatlichkeit". Er nannte es "naiv zu glauben, EU-Institutionen wären zur Selbstkontrolle fähig".

Die ungarische Justizministerin Judit Varga sprach von einem "Fehler" des Generalanwalts. Die Regierung in Budapest setze nun darauf, dass die Richter ihr Urteil "nur auf juristische Argumente und gesunden Menschenverstand" stützten.

Das Urteil des EuGH wird für Anfang des kommenden Jahres erwartet. Die EU-Kommission hatte zugesagt, die Entscheidung abzuwarten, bevor sie den Rechtsstaatsmechanismus gegen Polen und Ungarn in Gang bringt.

Die Regierungen in Budapest und Warschau stehen seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen im Kreuzfeuer der Kritik. Als schärfstes Sanktionsmittel hält die EU-Kommission daher die Freigabe milliardenschwerer Gelder aus dem europäischen Corona-Hilfsfonds für Polen und Ungarn zurück. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki wirft der EU "Erpressung" vor, weil alleine für sein Land 36 Milliarden Euro auf Eis liegen.

Zudem laufen gegen Polen wie Ungarn Strafverfahren unter Artikel 7 des EU-Vertrags, die theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen könnten. Allerdings ist dafür ein einstimmiger Beschluss der EU-Länder nötig, den Warschau und Budapest jeweils gegenseitig mit ihrem Veto verhindern.

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  • Das Urteil des EuGH wird für Anfang des kommenden Jahres erwartet.