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Bundesheer-Experte: Ukraine muss in die Offensive kommen

"Die Ukraine muss in die Offensive kommen." Sonst drohe dem Land, in dem verlustreichen Stellungskrieg zu verharren, sagte der Militäranalyst und Garde-Kommandant des Bundesheers, Markus Reisner, am Mittwoch vor Journalisten in Wien. Die Ukraine könne den Krieg noch verlieren. Die Unterstützung der USA könnte zwar größer sein, aber es gehe auch darum, die Atommacht Russland nicht in die Enge zu treiben. Zu Österreich sagte Reisner: "Wir sind eine geografische Drehscheibe."

Österreich habe das Glück, nicht mehr an der Front des Kalten Krieges zu liegen, erklärte Reisner bei einem vom fjum_forum for journalism and media und der EU-Kommission veranstalteten Pressegespräch. In Anspielung auf den Zugtransport von Panzerhaubitzen für die Ukraine ergänzte er: "Wir sind Drehscheibe bzw. Transitland, was wir immer schon waren. Dies trifft auch auf die europäischen Waffenlieferungen an die Ukraine zu. Man muss sich nur anschauen, was zum Beispiel in Italien losfährt und in Polen ankommt. Die Haltung der österr. Regierung ist klar: Man steht moralisch an der Seite der Ukraine und hält sich militärisch aus dem Konflikt heraus."

Russlands Angriffskrieg wird "auf jeden Fall weitergehen. Viel wird von der Offensive abhängen", sagte Reisner. Das ukrainische Vorhaben werde voraussichtlich dem "Grundsatz: Überraschung und Täuschung" folgen. Die kürzlich aufgedeckten US-Geheimdienst-Dokumente würden jedoch belegen, dass die USA an der angekündigten Offensive der Ukraine zweifeln.

Die US-Leaks, deren Informationen Reisner als weitgehend wahr einstufte, hätten bereits Auswirkungen auf die russische Strategie gezeigt. Die Russen setzten angesichts der bekanntgewordenen Probleme bei der ukrainischen Fliegerabwehr nun vermehrt auf improvisierte Bomben und riskierten weniger Marschflugkörper. Russland habe "umfangreiche Lager" dieser FAB-500-Bomben, die mit einem einfachen Navigationsupgrade ausgestattet und reichweitengesteigert werden. Seit den Leaks hätten die Russen außerdem keinen Angriff mehr durchgeführt. Durch die Dokumente wurde nämlich bekannt, wie gut informiert die Amerikaner über die geplanten russischen Angriffe seien.

"Wenn der Westen die Ukraine nicht unterstützt, kann sie den Konflikt weder weiterführen noch gewinnen", betonte Reisner. Dabei seien es die "Amerikaner, die den Unterschied machen". Dass die USA nicht mehr Kriegsgerät oder Kampfflugzeuge lieferten und auch nicht die russischen Satellitennavigation störten, "entbehrt jeder militärischen Logik". Der Ansatz sei aus Sicht der USA jedoch richtig. Denn die USA hätten kein Interesse daran, Russland in die Enge zu treiben. Das könnte einen Einsatz von Atomwaffen auslösen. Die US-Strategie "boiling the frog" sei es, die Russen "langsam zu kochen, in der Hoffnung, dass sie einsehen, sie können nicht gewinnen". Es gehe den USA darum, zwischen Russland und der Ukraine immer eine Symmetrie in den militärischen Fähigkeiten herzustellen.

Der große Vorteil der Russen sei ihre Artillerie. Die Ukraine habe kaum mehr Munition. Europa habe zwar zugesagt, dem Land bis Ende des Jahres eine Million Artilleriegranaten zur Verfügung zu stellen. Geschätzt werde aber, dass Russland noch weitere zehn Millionen Artilleriegranaten auf Lager habe und die Eigenproduktion bei 1,4 Millionen bis 3,4 Millionen pro Jahr liege. Bisher wurde die Ukraine mit westlicher Hilfe in der Höhe von rund 150 Milliarden US-Dollar unterstützt.

Dank der westlichen Hilfe habe die Ukraine Erfolge erzielt, etwa den Abzug der russischen Streitkräfte aus Cherson oder das Zurückdrängen der Russen aus Kiew. Die Ukraine stehe "auf der Kippe", warnte Reisner. "Trotz der Erfolge am Schlachtfeld kann eine Niederlage erfolgen." Ein Grund dafür seien unter anderem die russischen Angriffe auf die kritische Infrastruktur. Die ukrainische Stromversorgung funktioniere nur, weil die Industriebetriebe ihre Produktion eingestellt haben.

Auch Verhandlungen seien nicht so einfach möglich, weil die Ukraine auf die von Russland besetzten Gebiete nicht verzichten könne. Russland halte knapp 18 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt. Darunter seien Regionen, die für das Überleben der Ukraine wirtschaftlich notwendig seien - also etwa Häfen, die für den Getreideexport wichtig sind, sowie auch kritische Infrastruktur. "Das Schicksal der Ukraine hängt von der Bereitschaft des Westens ab im nun kommenden entscheidenden Moment nicht zu zögern, sondern zu liefern was notwendig ist", betonte der Experte.

ribbon Zusammenfassung
  • Die kürzlich aufgedeckten US-Geheimdienst-Dokumente würden jedoch belegen, dass die USA an der angekündigten Offensive der Ukraine zweifeln.
  • Seit den Leaks hätten die Russen außerdem keinen Angriff mehr durchgeführt.
  • Durch die Dokumente wurde nämlich bekannt, wie gut informiert die Amerikaner über die geplanten russischen Angriffe seien.
  • Ein Grund dafür seien unter anderem die russischen Angriffe auf die kritische Infrastruktur.