"Blutgeld": EU-Kommission distanziert sich von Selmayr
Bei einer Diskussionsveranstaltung der Kunstmesse viennacontemporary sagte Selmayr, dass Österreich durch seine anhaltenden Gasimporte Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine mitfinanziere. "Oh mein Gott, 55 Prozent des österreichischen Gases kommen weiterhin aus Russland", sagte er.
Er sei überrascht, dass niemand dagegen protestiere, meinte der Vertreter der EU-Kommisssion in Wien: "Das verwundert mich, denn Blutgeld wird jeden Tag mit der Gasrechnung nach Russland geschickt", so Selmayr.
Zu Gespräch ins Ministerium zitiert
Am Donnerstag wurde er deshalb ins Außenministerium zitiert. "Dieses Gespräch wird unmittelbar nach der Rückkehr Selmayrs nach Österreich stattfinden", sagte eine Sprecherin. Auch die EU-Kommission distanzierte sich am Donnerstagabend von Selmayr.
"Die Kommission distanziert sich von den bedauerlichen und unangemessenen Aussagen des Leiters der Repräsentanz in Österreich", heißt es in einer Stellungnahme der stellvertretenden Chefsprecherin der EU-Behörde, Dana Spinant, vom Donnerstag.
Die Kommission habe Selmayr aufgefordert, "unverzüglich in Brüssel über den Vorfall Bericht zu erstatten", heißt es in der Stellungnahme der EU-Kommission weiter.
Zustimmung von Vizekanzler Kogler
Auf die Aussage angesprochen, meinte Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) bei "Aktuell - im Fokus": "Naja, das hab ich auch schon so bezeichnet. Und zwar schon ab dem Jahr 2014. Es war einfach ein Fehlverhalten, Putin den roten Teppich in Wien auszurollen".
Man müsse deshalb daran arbeiten, von dieser Abhängigkeit wegzukommen. "Andere haben den Karren in den Dreck gefahren und wir ziehen ihn wieder raus. Ich bitte schon, das anzuerkennen. Wir haben alle Hände voll zu tun, das bis 2027 zu schaffen", sagte der Vizekanzler.
"Ich gebe dem Botschafter der Europäischen Union in der Intention recht, ob das immer diplomatische Sprache ist, weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls eine ähnliche Sprache gewählt - ich bin aber kein Diplomat", so Kogler weiter.
Zustimmung von den NEOS
Zustimmung zur Kritik Selmayrs kam auch von den NEOS: "Österreich sponsert täglich Putins Krieg mit seiner hohen Abhängigkeit von russischem Gas. Das ist ein Fakt, den man einfach nicht schönreden kann, sondern den man auch ganz klar benennen kann und kritisieren muss", schrieb NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer in einer Aussendung.
Dies sei "eine sicherheitspolitische Frage, denn diese hohe Abhängigkeit macht uns erpressbar", so Doppelbauer. Ein Ausstieg wäre möglich, wenn die Regierung Gasversorger per Gesetz dazu verpflichten würde, stufenweise kein russisches Gas mehr zu beziehen.
FPÖ fordert Abberufung
Empört auf die Aussagen des EU-Kommissionsvertreters reagierte die FPÖ. "Das Mindeste ist, dass ÖVP-Kanzler Nehammer von der Kommission sofort die Abberufung Selmayrs fordert", forderte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung.
"Völlig einseitig", meint Edtstadler
Als "unseriös und kontraproduktiv" sowie "völlig einseitig" kritisierte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Äußerungen Selmayrs.
"Es ist bedauerlich, dass offenbar auch einem EU-Beamten gewisse Fakten nicht vertraut zu sein scheinen. Während Österreich seine Abhängigkeit von russischem Gas nachweislich reduziert und wichtige Vorkehrungen zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung getroffen hat, steigen innerhalb der EU die Mengen russischen LNG (Flüssiggases, Anm.) - nämlich um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum", so Edtstadler.
Zusammenfassung
- Bei einer Diskussionsveranstaltung sagte Selmayr, dass Österreich durch seine anhaltenden Gasimporte Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine mitfinanziere.
- Er sei überrascht, dass niemand dagegen protestiere, meinte der Vertreter der EU-Kommisssion in Wien.
- "Das verwundert mich, denn Blutgeld wird jeden Tag mit der Gasrechnung nach Russland geschickt", so Selmayr.
- Am Donnerstag wurde er deshalb ins Außenministerium zitiert.
- Auch die EU-Kommission spricht von "unangemessenen Aussagen".