Belgrad wirft Zagreb "Feiern über Gräbern" von Serben vor
Mit 220.000 Vertriebenen sei die Aktion zur Rückeroberung der serbischen Krajina "eines der größten ethnischen Säuberungsverbrechen der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg" gewesen, teilte die serbische Botschaft in Wien der APA mit. Serbien zwinge niemanden, "den Völkermord zu zugeben, sondern nur, (...) nicht über den Gräbern unserer Landsleute zu feiern".
Kroatien hatte das Gebiet der nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien entstandenen "Republik Serbische Krajina" Anfang August 1995 in einer Blitzaktion überrannt. Der Erfolg der Operation "Oluja" ("Sturm") wird alljährlich am 5. August in der Stadt Knin im dalmatinischen Hinterland gefeiert. Knin war vier Jahre lang die Hauptstadt der nicht anerkannten Separatistenrepublik gewesen.
"Die Anwesenheit von Vertretern der Internationalen Gemeinschaft und des diplomatischen Corps bei den kroatischen 'Feiern' der Operation 'Sturm' ist unverständlich, weil die Anwesenden tatsächlich an der 'Feier' des Jahrestages der ethnischen Säuberung teilnehmen", moniert die serbische Botschaft. Tatsächlich werde der "verbrecherische Aspekt" der Militäraktion "von einem Teil der internationalen Öffentlichkeit systematisch vernachlässigt".
Frieden "das Wichtigste für die ganze Region
Serbien wolle die Zusammenarbeit mit allen in der Region entwickeln und sehe den Frieden als "das Wichtigste für die ganze Region an", sehe sich aber "verpflichtet, sich zu erinnern und nicht zu schweigen", heißt es in der Erklärung weiter. "Es darf nie wieder eine Operation 'Sturm' gegen das serbische Volk geben, weil Serbien das nicht zulassen wird. Serbien rühmt sich nicht mit seiner Stärke, aber es ist stark genug, um nie wieder ein Pogrom gegen sein Volk zuzulassen."
Im Vorjahr waren die Feiern in Knin im Zeichen der Versöhnung zwischen dem kroatischen Staat und der serbischen Minderheit gestanden. Erstmals nahm ein Vertreter der serbischen Volksgruppe an den Feiern teil, und der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic erinnerte auch an die serbischen zivilen Opfer und Kriegsverbrechen. "Jeder solcher Akt ist eine hässliche Narbe auf dem gerechten Gesicht des Heimatkrieges", sagte der rechtsgerichtete Politiker. "Es ist uns bewusst, dass unser Sieg für viele kroatischen Serben traumatisch war", räumte er ein. Ähnlich äußerte sich auch der linksgerichtete Staatspräsident Zoran Milanovic.
Keine Kroaten vor UNO-Kriegsverbrechertribunal
Serbien kritisiert nun, dass "niemand" aus der kroatischen militärischen und politischen Führung vor dem Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal für die Verbrechen während der Militäraktion verurteilt worden sei. Dabei habe die Haager Anklageschrift gegen die Generäle Ante Gotovina, Ivan Cermak und Mladen Markac die Operation als gemeinsames verbrecherisches Unternehmen charakterisiert, das darauf abgezielt habe, die meisten Serben dauerhaft und gewaltsam aus der Krajina zu verbreiten.
Die Zahl der Serben in Kroatien sei infolge des Krieges um zwei Drittel - von 581.663 (Volkszählung 1991) auf 186.633 (Volkszählung 2011) - gesunken, rechnet die Botschaft vor. Heute lebten die Serben überwiegend in Gebieten, die von der Militäroperation nicht betroffen gewesen seien.
1.852 Menschen, darunter 1.200 Zivilisten, seien bei der Aktion getötet worden oder vermisst. "Unermesslich" sei der materielle Schaden, heißt es von der serbischen Botschaft mit Blick auf die Zerstörung von 25.000 Häusern, 78 Kirchen, 181 Friedhöfen, 920 Denkmälern, 52 Gesundheitszentren, hunderten Geschäften und Firmenobjekten. Während Kroatien feiere, begehen Serbien und die bosnische Serbenrepublik den Jahrestag von "Oluja" seit 2014 als Gedenktag der Opfer und vertriebenen Serben.
Serben "immer noch systematisch vernachlässigt"
Die serbische Botschaft beklagt weiter, dass die in Kroatien verbliebenen Serben "immer noch oft systematisch vernachlässigt" würden. Obwohl das Land (in Sachen Minderheitenrechte, Anm.) "einen zufriedenstellenden Rechtsrahmen" habe, gebe es in der Praxis viele Hindernisse bei der Ausübung dieser Rechte. Konkret mangle es den Serben in ländlichen Gebieten an grundlegender Infrastruktur wie Strom, Straßen oder Wasser, sie würden am Arbeitsmarkt diskriminiert und seien insbesondere in der Staatsverwaltung, Justiz und Polizei unterrepräsentiert. Zudem gebe es Hindernisse bei der offiziellen Verwendung der serbischen Sprache und Schrift, insbesondere in jenen Gebieten, in denen die meisten Serben leben.
Zusammenfassung
- Zum 26. Jahrestag der Militäroperation "Oluja" (Sturm) hat Serbien Kritik an Kroatien und der Weltgemeinschaft geübt.
- Serbien zwinge niemanden, "den Völkermord zu zugeben, sondern nur, (…) nicht über den Gräbern unserer Landsleute zu feiern".
- Im Vorjahr waren die Feiern in Knin im Zeichen der Versöhnung zwischen dem kroatischen Staat und der serbischen Minderheit gestanden.