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Asyl-Beratung: Türkis-blaues Projekt teils verfassungswidrig

Die Rechtsberatung für Asylwerber durch die unter Schwarz-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur (BBU) ist teils verfassungswidrig. Das hat der VfGH in einem Gesetzesprüfungsverfahren entschieden.

Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerber durch die unter Schwarz-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur (BBU) ist nicht hinreichend gesetzlich abgesichert, wodurch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wird.

Das hat der VfGH in einem Gesetzesprüfungsverfahren entschieden. Die entsprechenden Bestimmungen werden als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 1. Juli 2025 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen.

Rechtsberatung zuvor durch Vereine

Die BBU steht zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Seit Juni 2019 ist sie damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Zuvor führten vor allem Vereine derartige Beratungen durch.

Asylwerbern ist für ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. Dieser muss den jeweiligen Asylwerber etwa bei der Einbringung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unterstützen, und hat unabhängig und weisungsfrei zu agieren.

Bis zur Errichtung der BBU oblag die Auswahl der Rechtsberater vor dem BVwG dem Bundeskanzler - mit der Durchführung der Rechtsberatung konnten auch Vereine wie die Diakonie betraut werden.

Unabhängigkeit nicht gegeben

Eben jene Unabhängigkeit vom Innenminister sieht der Verfassungsgerichtshof bei den Rechtsberatern der BBU nicht gegeben. Zwar ist diese gesetzlich festgeschrieben, die Stellung der Berater innerhalb der BBU und gegenüber dem Innenminister, der gesellschaftsrechtlich als Eigentümervertreter fungiert, ist jedoch in einem Vertrag näher ausgestaltet, der die Geschäftsführung der BBU in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht an Weisungen des Innen- sowie der Justizministerin bindet, heißt es einer Presseaussendung des VfGH am Freitag.

Verfassungskonform ist laut der Prüfung des VfGH hingegen die Rechtsform der GmbH. "Die so gestaltete Rechtsberatung und -vertretung stellt - anders als z.B. bei der Covid-19- Finanzierungsagentur (COFAG) - keine funktionell staatliche Verwaltungsführung (..) dar", so die Entscheidung des VfGH.

Zwar habe der Gesetzgeber einen staatlich beherrschten Rechtsträger mit der Rechtsberatung- und Vertretung beauftragt, diese Tätigkeit sei aber eine Leistung für die Betroffenen, die auch von Privaten erbracht werden kann und erbracht wird. Daher lasse sich die BBU oder einzelne Rechtsberater nicht zur staatlichen Verwaltung zuordnen.

Diese zeigt sich über die Entscheidung erfreut. "In den vergangenen drei Jahren ist es Geschäftsbereichsleiter Stephan Klammer und mir nicht nur gelungen, die juristische Qualität der Beratung anzuheben, wir haben auch BBU-intern die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater*innen außerhalb jedes Zweifels gestellt. Wir begrüßen daher das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Unabhängigkeit nun auch auf gesetzlicher Ebene stärker abgesichert werden soll", kommentierte BBU-Geschäftsführer und Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer in einer Aussendung.

Geteilte Reaktionen

Justizministerin Alma Zadić begrüßt die Entscheidung des VfGH, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit gesetzlich abgesichert werden müssen. "Es ist uns im BBU-Rahmenvertrag gelungen, entsprechende Garantien der Unabhängigkeit zu verankern. Trotzdem habe ich bereits damals gesagt, dass es eine gesetzliche Lösung für die Unabhängigkeit braucht", betonte sie am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Am Zug sieht sie nun den Innenminister, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen. 

Für FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl, unter dem als Innenminister die Re-Verstaatlichung der Rechtsbetreuung von Asylwerbern beschlossen wurde, ist die Entscheidung "zur Kenntnis zu nehmen, aber aufgrund ihrer negativen Folgen für unsere Heimat unverständlich". Die "einzigen Profiteure" dieser Entscheidung seien "die verfahrensverschleppenden NGOs, die private Geschäftsinteressen verfolgen". 

Weiteres Verfahren

In einem weiteren Verfahren prüft der VfGH derzeit, ob die Einschränkung des Rechtes auf Verfahrenshilfe gegen rechtsstaatliche Grundsätze eines effektiven Rechtsschutzes verstößt und damit verfassungswidrig ist.

Anlass des Gesetzesprüfungsverfahrens ist die Beschwerde einer afghanischen Staatsbürgerin, die 2004 Asyl erhielt und 2021 die österreichische Staatsbürgerschaft sowie deren Erstreckung auf ihre drei minderjährigen, in Österreich geborenen Kinder beantragte. Ihr Antrag wurde abgewiesen.

Daraufhin erhob die Frau beim Verwaltungsgericht Wien Beschwerde und beantragte Verfahrenshilfe für dieses verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dieser Antrag wurde mit Verweis auf eine Bestimmung im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz abgewiesen: Demnach hängt das Recht auf Verfahrenshilfe davon ab, ob Grundrechte Gegenstand des Verfahrens sind (was im konkreten Fall nicht zutrifft).

ribbon Zusammenfassung
  • Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerber durch die unter Schwarz-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur ist nicht hinreichend gesetzlich abgesichert.
  • Das hat der VfGH in einem Gesetzesprüfungsverfahren entschieden.
  • Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf würde verletzt.
  • Seit Juni 2019 ist die BBU damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen.